Griechenland wird um einen kontrollierten Staatsbankrott nicht herumkommen, aber der Euro ist noch nicht zum Untergang verurteilt - vorausgesetzt, die EU kann den Spekulanten den Wind aus den Segeln nehmen. Gefragt sind die Bereitschaft zu sparen und der Wille, füreinander einzustehen. Andernfalls drohen verheerende Folgen. Zwölf Fragen, zwölf Antworten zur Zukunft der gemeinsamen Währung.
Ist Griechenland dauerhaft zu retten?
Verteilt man die Staatsschulden auf die Einwohner, hat jeder Grieche weniger Schulden als ein Deutscher oder gar ein Amerikaner. Dennoch gilt es mittlerweile als sicher, dass die Griechen ihre Schulden nicht werden zurückzahlen können. Hellas steckt in einem Dilemma. Das Land spart überall, dabei würgt es jedoch die ohnehin schwache Wirtschaft ab, so dass die Regierung noch weniger Geld einnimmt als geplant - was dazu führt, dass sie ihre Aufgaben nicht voll finanzieren und ihre Zinsen nicht zahlen kann. Hinter verschlossenen Türen ist sich die Euro-Zone einig, dass Griechenland einen Schuldenschnitt braucht, um wieder auf die Beine zu kommen. Nur wenn Athen etwa die Hälfte der Schulden erlassen und ein Aufbauprogramm für Unternehmen finanziert wird, hat das Land eine realistische Chance.
Sind auch Irland und Portugal hoffnungslose Fälle?
Nein, so ist es nicht. Irische Anleihen liegen trotz der erneuten Herabstufung durch die amerikanische Ratingagentur Moody's noch immer bei der Note Ba1. Ähnlich hatte Moody's vergangene Woche auch Portugals Kreditwürdigkeit eingestuft. Übersetzt bedeutet die Note Ba1 längst nicht, dass die Länder auf "Ramsch"-Status stehen - was suggeriert, dass deren Staatsanleihen nahezu nichts mehr wert sind. Hinter der Note Ba1 verbirgt sich folgende Bewertung: "Die Fähigkeit des Schuldners, seine finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, ist angemessen. Er ist jedoch anfälliger gegenüber nachteiligen wirtschaftlichen Bedingungen." So steht es jedenfalls im Kleingedruckten der Ratingagenturen. Ramsch beginnt danach frühestens ab der Note B - und bis dahin liegen noch einige Zwischenstufen. Irland und Portugal haben also noch Luft.
Wie groß ist die Gefahr für Italien und Spanien?
Die Schulden der beiden großen Volkswirtschaften wären zu hoch für den bestehenden Euro-Rettungsfonds. Dieser kann maximal 750 Milliarden Euro an Krediten ausgeben - Italien allein hat aber schon 1800 Milliarden Euro Schulden. Neu ist das nicht, und auch nicht so dramatisch, wie es zunächst aussieht. Die Hälfte der Schuldscheine liegt bei italienischen Investoren, die Auslandsschulden liegen im Durchschnitt, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass Rom bald Rekordzinsen zahlen muss. Italien hat es selbst in der Hand, die Märkte zu beruhigen - indem es innenpolitische Probleme löst und ein Sparpaket umsetzt. Spanien dagegen plagt kein Schuldenproblem, sondern eine Wirtschaftskrise. Die geplatzte Immobilienblase schwächt weiterhin Sparkassen und Unternehmen. Jeder fünfte Erwachsene ist ohne Job. Madrid kann die Krise ebenfalls selbst lösen - über Strukturreformen.
Welches Land greifen die Spekulanten als nächstes an?
Obwohl die USA oder Japan deutlich mehr Schulden haben als jedes der 17 Euro-Länder, stehen diese immer wieder zuerst im Fokus der Spekulanten. Der zu Beginn der Griechenland-Krise befürchtete Dominoeffekt, dass das Feuer von einem Land auf das nächste überspringen könnte, ist eingetreten - und noch immer nicht unter Kontrolle. Die Finanzmärkte nehmen ein europäisches Land nach dem anderen ins Visier, und die Ursachen dafür sind ganz verschieden. Bei Irland war es ein Problem mit den Banken. In Portugal ist das Vertrauen in die Kraft des Landes dahin. Belgien hat seit mehr als einem Jahr keine Regierung. Die Regierung in Italien ist zerstritten. In Spanien schrumpft die Wirtschaftskraft. Ein Ende der Spirale wird es nur geben, wenn die Hauptstädte ihre Probleme endlich selbst angehen und sich weiterhin zu ihrer Gemeinschaftswährung bekennen - mit allen Konsequenzen.
Unkontrollierte Staatspleiten - was wäre die Folge?
Einigen sich die EU-Staaten nicht auf ein neues Rettungspaket oder eine Umschuldung für Griechenland, müsste sich Athen über kurz oder lang für zahlungsunfähig erklären. Bei einer solchen unkontrollierten Staatspleite - im Gegensatz zu einem ausgehandelten Schuldenerlass - müssten die Gläubiger damit rechnen, im schlimmsten Fall nichts von dem an Griechenland verliehenen Geld zurückzubekommen. Das würde Banken, Versicherungen und andere Investoren dutzende Milliarden Euro kosten. Viele Banken müssten mit Staatsgeld gestützt werden, aber auch die EZB - schon heute einer der größten Gläubiger Griechenlands - bräuchte frisches Geld. Investoren in aller Welt würden Geld aus der gesamten Euro-Zone abziehen, weitere Staats- und Bankenpleiten wären die wahrscheinliche Folge.
Könnten die Krisenländer den Euro-Raum verlassen?
Nein. Die Zugehörigkeit zur Währungsgemeinschaft ist Bestandteil der europäischen Verträge. Das heißt, Länder, die der Europäischen Union beitreten, verpflichten sich automatisch, den Euro einzuführen, wenn sie die dafür festgelegten Bedingungen erfüllen. Für Dänemark und Großbritannien gelten Ausnahmen. Wer den Euro zurückgeben will, müsste dafür die Europäische Union verlassen. Details regeln die europäischen Verträge. Danach kann jedes Land beschließen, zu gehen. Es muss mit den in der Europäischen Union verbliebenen Staaten verhandeln, wie man künftig kooperiert. Theoretisch ist es denkbar, dass ein Land aus der EU austritt, den Euro zurückgibt und die Aufnahme in die EU wieder beantragt - dann kommt aber auch irgendwann wieder der Euro ins Spiel.
Droht der Zusammenbruch des Euro-Verbundes?
Würde ein Land, etwa Griechenland, den Austritt aus der Euro-Zone und der EU beantragen, um die eigene Währung wieder einzuführen, könnte dies den Euro-Verbund sprengen. In Griechenland selbst würde die wieder eingeführte Drachme zum Euro drastisch an Wert verlieren. Schlagartig könnte Athen die (Euro-)Schulden nicht mehr bedienen, eine unkontrollierte Pleite wäre die Folge. Das würde an den Finanzmärkten die Frage aufwerfen, wer als nächstes aus der Euro-Zone austritt, massive Spekulationen gegen andere Staaten wären die Folge. Es würde eine Kapitalflucht aus der Euro-Zone einsetzen, weil niemand mehr sicher sein könnte, ob sein Geld in der europäischen Gemeinschaftswährung noch sicher angelegt ist oder ob er stattdessen irgendwann Lira oder Peseten in den Händen hält. Auch wäre mit politischen Verwerfungen zu rechnen.
Müssen die Ratingagenturen entmachtet werden?
Die Ratingagenturen haben die Krise nicht verursacht - das waren die EU-Staaten mit ihrer zügellosen Schuldenpolitik -, doch Standard & Poor's, Moody's und Fitch haben die Probleme verschärft. Mit jeder Herabstufung müssen Schuldenstaaten wie Irland höhere Zinsen zahlen, damit ihnen noch jemand Geld leiht. Problematisch ist aber weniger die Bewertung selbst - schließlich ist Konsens, dass Athen zahlungsunfähig ist. Das Problem ist vielmehr, dass selbst staatliche Institutionen wie die EZB sich von den Ratings abhängig gemacht haben, sie dürfen Ländern mit schlechten Noten kein Geld mehr leihen. Auch basieren maßgebliche Regelwerke für Banken und Versicherungen auf den Bonitätsnoten der Ratingagenturen. Ziel muss es sein, die Qualität der Ratings durch mehr Wettbewerb zu verbessern und sich weniger abhängig von ihnen zu machen. Beides geht nur langfristig; die Schuldenkrise löst das nicht.
Wie kann eine Umschuldung gelingen?
Einen möglichen Weg hat Commerzbank-Chef Martin Blessing aufgezeigt. Er schlägt vor, dass die Gläubiger Griechenlands - auch die privaten - auf 30 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Sie würden ihre alten Griechenlandanleihen mit einem Abschlag in dieser Höhe gegen neue, niedriger verzinste Anleihen tauschen. So könnte Athen die Schulden stark reduzieren und bräuchte bis etwa 2015 kein neues Geld. Das Land gewänne Zeit, die Wirtschaft zu reformieren, und hätte eine Chance, sich in einigen Jahren wieder Geld am Kapitalmarkt zu besorgen. Die Gläubiger hätten zwar einen Teil ihres Geldes verloren. Doch erstens haben viele von ihnen das Geld in der Bilanz ohnehin zum Teil schon abgeschrieben. Zweitens hätten sie neue, jetzt werthaltige Anleihen. Falls eine Bank wegen der Verluste neues Geld braucht, könnte sie diese Anleihen also an andere Investoren verkaufen. Die griechischen Banken, die von einem Schuldenschnitt besonders betroffen wären, müssten einmalig vom Euro-Rettungsfonds gestützt werden. Für Irland und Portugal müssten die EU-Staaten dann vergleichbare Lösungen beschließen, um Unsicherheiten zu vermeiden.
Ist die deutsche Regierung für eine Umschuldung?
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble haben sich für eine Umschuldung stark gemacht - unter einer Voraussetzung: Private Gläubiger müssten daran beteiligt werden. Doch die Bundesregierung konnte sich bisher mit ihrer Position nicht durchsetzen. Die EZB lehnt eine Umschuldung ab, weil sie fürchtet, dass die Ratingagenturen dies als Staatspleite werten und die Folgen für das Finanzsystem nicht beherrschbar wären. Auch in den Ländern, die für eine Umschuldung als erstes in Frage kämen, wird ein solcher Schritt skeptisch gesehen. Man fürchtet, dauerhaft von den Kapitalmärkten abgeschnitten zu werden.
Sind die Schulden langfristig beherrschbar?
Ob die EU-Staaten ihre Schulden in den Griff bekommen, ist auch eine Glaubensfrage. Lange haben Investoren nicht in Frage gestellt, dass selbst hoch verschuldete Staaten wie Italien, Japan oder die USA ihre Schulden dauerhaft bedienen. Sie wollten nur, dass der Berg nicht zu schnell wächst. In der Finanzkrise handelten sich viele Staaten horrende Haushaltsdefizite ein, und strukturelle Schwächen wurden sichtbar. Ländern wie Deutschland trauen Investoren trotz hoher Schulden zu, sie zu beherrschen - weil sie starke Industrien haben, wettbewerbsfähig sind und politisch stabil. Andere Staaten müssen zeigen, dass sie sich reformieren und ihr Wachstum ankurbeln können. Ein Problem für viele Industriestaaten ist aber die Überalterung der Gesellschaft, die die öffentlichen Kassen auf Jahrzehnte belasten wird.
Wird die EU dauerhaft zu einer Transferunion?
Transfers hat es in der Europäischen Union genau genommen immer schon gegeben, etwa über milliardenschwere Hilfen für Bauern oder regionale Förderungen. Die beiden größten Töpfe im EU-Haushalt sind jene für Landwirte und zur Entwicklung strukturschwacher Regionen - von denen auch Deutschland profitiert. Transfers bedeuten eine Umverteilung innerhalb der EU zwischen wohlhabenden und ärmeren Ländern. Ziel ist es, den ärmeren Ländern beim Wachstum zu helfen. In der Schuldenkrise gab es bisher noch keine Geldtransfers. Die Euro-Länder gewährten ihren klammen Partnern Kredite, die mit Zinsen zurückzuzahlen sind. Müssen die Deutschen künftig einen Art Soli-Zuschlag für Griechenland, Portugal oder Italien zahlen? Die Sorge ist unbegründet.