Schuldenkrise in Europa:EZB verliert Chefvolkswirt

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Er ist ein erbitterter Gegner der neuen europäischen Geldpolitik - jetzt tritt Jürgen Stark, Chefvolkswirt der EZB, zurück. Die Zentralbank hat entsprechende Gerüchte bestätigt. Der Streit über den Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB provoziert damit bereits den zweiten prominenten Rücktritt. Der Euro gab daraufhin stark nach, der Dax brach ein. Starks Nachfolger soll offenbar Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen werden.

Jürgen Stark, Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, tritt zurück. Das bestätigte die EZB am Nachmittag. Er ziehe sich aus persönlichen Gründen zurück. Starks Nachfolger soll Jörg Asmussen werden, derzeit Staatssekretär im Finanzministerium von Wolfgang Schäuble, wie die Nachrichtenagentur Reuters informierte Kreise zitiert.

Auf jeden Fall solle der Posten erneut mit einem Deutschen besetzt werden, da die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone sonst in dem Gremium nicht mehr vertreten wäre. Die EZB teilte mit, Stark werde so lange im Amt bleiben, bis der Nachfolger feststehe. Das solle bis zum Ende des Jahres klar sein. Die Amtszeit des 63-Jährigen wäre normalerweise erst Ende Mai 2014 zu Ende gegangen.

Starks Abgang könnte auch mit den Staatsanleihenkäufen der EZB zusammenhängen. Sie sind vor allem in Deutschland umstritten. Bankintern ist Stark einer der größten Kritiker dieser Strategie, mit der die Zentralbank überschuldete Euro-Staaten wie Griechenland oder Italien stützt. Kritiker sehen darin eine Verletzung der Neutralitätspflicht der EZB, die sich stattdessen lieber um Währungs- und Preisstabilität kümmern solle. Auch Bundespräsident Christian Wulff hatte die Käufe zuletzt kritisiert.

Stark ist bereist der zweite deutsche Notenbanker, der deshalb das Handtuch wirft. Bereits im Februar war der damalige Bundesbankchef Axel Weber zurückgetreten.

Der 63-jährige Stark sitzt seit 2006 als Chefvolkswirt im EZB-Rat, seine Amtszeit hätte bis 2014 gedauert.

Der scheidende EZB-Präsident Jean-Claude Trichet würdigte Starks Engagement für die Währungsunion in den vergangenen Jahren. Insbesondere in seiner Zeit im Direktorium seit 2006 habe er sich "mit ganzem Herzen" für den Euro stark gemacht.

Die EZB und die Euro-Zone trifft der Rückzug des promovierten Ökonomen Stark in einer sehr labilen Phase. Ende Oktober muss Präsident Trichet nach acht Jahren an der Spitze der Zentralbank turnusmäßig gehen. Nachfolger des Franzosen wird der Italiener Mario Draghi. Der aktuelle Chef der Banca d'Italia ist vor allem in Deutschland umstritten, lange Zeit galt zudem Weber als Favorit für die Trichet-Nachfolge.

Aus deutscher Sicht geht mit Stark der zweite geldpolitische "Falke" nach Weber. Asmussen wird dagegen zu den "Tauben" gezählt, die eine weichere geldpolitische Linie verfolgen. Er steht der SPD nahe, wurde aber wegen seiner im In- und Ausland hoch geachteten Expertise vom CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble nach dem Machtwechsel in Berlin im Amt gelassen. Er hat gemeinsam mit Weber und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann - damals noch Berater der Kanzlerin - bei mehreren Bankenrettungen eine wichtige Rolle gespielt.

Bereits die Gerüchte über Starks Rücktritt drückten den Euro auf ein neues Sechs-Monats-Tief. Er fiel unmittelbar nach Bekanntwerden um einen halben Cent auf 1,374 Dollar. Der Deutsche Aktienindex verlor dramatisch und stürzte auf ein Minus von 3,5 Prozent.

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