Schnelles Internet:"Es wird dort gebaut, wo schon etwas liegt"

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Glasfaserausbau in Hürth: Ein durchschnittlicher Haushalt nutzt heute viermal so viele Daten wie im Jahr 2012. Und das Wachstum hält an. (Foto: Oliver Berg/picture alliance/dpa)

Der Ausbau leistungsfähiger Datenleitungen hinkt vor allem auf dem Land hinterher. Städter haben dagegen immer mehr Auswahl, zeigt eine Studie.

Von Benedikt Müller

Die Bundesregierung hatte einmal ein ambitioniertes Ziel für den Ausbau des schnellen Internets: Bis 2018 sollte jeder Haushalt einen Breitbandanschluss haben, also mindestens 50 Megabit pro Sekunde herunterladen können. So stand es in der "Digitalen Agenda" des Bundes. Doch dieses Ziel wird Deutschland verfehlen, heißt es nun auch beim Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). Der Verbund von 180 Netzbetreibern und Stadtwerken hat eine Breitbandstudie veröffentlicht, die den Stand des Netzausbaus zusammenfasst.

Wo ist das schnelle Netz angekommen?

In den Ballungsräumen geht der Ausbau schneller voran als auf dem Land, weil die Unternehmen in den Städten weniger Kabel verlegen müssen, um viele Kunden zu erreichen. So haben die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen das Breitbandziel nahezu erreicht: Dort können mehr als 90 Prozent der Haushalte schnell surfen. Das zeigen Zahlen des Bundesverkehrsministeriums. In Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen ist das schnelle Netz immerhin in mehr als 80 Prozent der Haushalte angekommen. In Ostdeutschland hingegen liegt die Quote deutlich unter 70 Prozent. Zum Beispiel haben in Sachsen-Anhalt bislang nur 55 Prozent der Haushalte einen Breitbandanschluss.

Wer bringt Breitband in die Häuser?

Grundsätzlich können Kunden aus drei verschiedenen Technologien wählen, aber nicht alle sind auch überall verfügbar. Erstens rüstet die Deutsche Telekom ihre Kupferkabel nach und nach für höhere Geschwindigkeiten auf. Diese sogenannte Vectoring-Technik ist mittlerweile in etwa 60 Prozent der Haushalte angekommen; die Telekom sieht sie als schnellste Möglichkeit, das schnelle Netz in möglichst viele Wohnungen zu bringen. Zweitens können Kunden ihren TV-Kabelanschluss für schnelles Internet nutzen; solche Angebote stehen 64 Prozent der Haushalte zur Verfügung. Mit beiden Techniken wird das Surfen jedoch immer langsamer, je mehr Geräte sich den Anschluss teilen. Daher verlegen drittens viele Firmen Glasfaser-Leitungen bis in die Häuser. Neun Prozent der Haushalte haben einen solchen Anschluss bereits, berichtet der Breko nun. Damit ist diese Technologie in Deutschland aber deutlich weniger verbreitet als im europäischen Vergleich.

Warum ist der Netzausbau so wichtig?

Sowohl Unternehmen als auch Privatleute verschicken und empfangen immer mehr Daten. Alleine über den Festnetzanschluss nutzt ein durchschnittlicher Haushalt mittlerweile 80 Gigabyte Daten pro Monat, berichtet die Bundesnetzagentur. Das ist viermal so viel wie noch im Jahr 2012. Und das Volumen dürfte sich weiter vervielfachen, wenn immer mehr Menschen Filme und Musik übers Internet streamen oder Hausgeräte vernetzen. Hinzu kommt, dass Firmen ihre Datenbanken in die Cloud auslagern oder Maschinen ans Internet anschließen. "Viele Menschen und Unternehmen erkennen, dass sie eine höhere Bandbreite brauchen", sagt Jens Böcker von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Investieren die Telekom und ihre Konkurrenten genug?

Seit Jahren erhöht die Telekom ihre Investitionen in Deutschland; alleine im vergangenen Jahr hat der frühere Staatskonzern 4,3 Milliarden Euro ausgegeben. Zudem haben die Wettbewerber 4,2 Milliarden Euro investiert, meldet die Bundesnetzagentur. So entstehen viele neue Anschlüsse: Im vergangenen Jahr hat die Branche etwa eine Million Haushalte direkt an die Glasfaser angeschlossen, berichtet der Breko.

Was ist das größte Problem?

Oft machen sich die Netzbetreiber mit ihrem Ausbau gegenseitig Konkurrenz. "Es wird dort gebaut, wo schon etwas liegt", sagt Wirtschaftswissenschaftler Böcker, "statt dort zu bauen, wo noch nichts liegt". So können mittlerweile 65 Prozent der Haushalte mit Breitbandanschluss aus mindestens zwei schnellen Technologien wählen. Das zeigen Zahlen des Bundesverkehrsministeriums. Vor vier Jahren hatten nur 30 Prozent der Breitbandhaushalte diese Auswahl. Einen solchen doppelten Ausbau sollte sich ein Land erst dann leisten, wenn alle Menschen mit zumindest einer schnellen Technik versorgt sind, kritisiert Böcker. Die Telekom befürwortet hingegen, dass Kunden aus verschiedenen Infrastrukturen wählen können.

Wie will der Staat das Problem lösen?

Mit einem Milliarden-Förderprogramm versucht der Bund, das schnelle Netz in jene Regionen zu bringen, in denen sich der Ausbau für die Unternehmen alleine nicht lohnen würde. Davon fließen alleine knapp zwei Milliarden Euro nach Ostdeutschland, wo es bislang weniger Breitbandanschlüsse gibt, berichtet der Breko. Die westlichen Bundesländer erhalten knapp 1,5 Milliarden Euro aus dem Programm. Allerdings haben die Behörden bislang nur einen Bruchteil der beantragten Fördermittel auch wirklich bewilligt.

Ohnehin sind Tiefbauunternehmen stark damit ausgelastet, die vielen Kabel zu verlegen. Daher warnt Norbert Westfal, Breko-Präsident und Chef des Versorgers EWE TEL, vor einer zu hohen staatlichen Förderung auf einen Schlag: "Der Staat sollte Fördermittel lieber dauerhaft und nachhaltig bereitstellen", sagt er, "damit wir auch mit dem Tiefbau hinterherkommen".

Was können die Unternehmen selbst tun?

Experten fordern, dass die Firmen zusammenarbeiten sollten, statt sich gegenseitig Leitungen zu überbauen. Tatsächlich öffnet sich auch die Telekom für Kooperationen. Zum Beispiel hat der frühere Monopolist seinem Wettbewerber 1&1 angeboten, dass beide Unternehmen gemeinsam Glasfaserkabel zu bis zu fünf Millionen Haushalten legen könnten. 1&1 beschränkt sich bislang darauf, vorhandene Anschlüsse anzumieten - zeigt sich nun aber offen für einen partnerschaftlichen Netzausbau. Freilich sind sich Telekom und 1&1 noch lange nicht einig, wer wie viel Geld in das gemeinsame Projekt investieren würde.

© SZ vom 27.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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