Schmuggel:Wertpapiere in der Hose

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Wer an einer EU-Grenze mehr als 10.000 Euro dabei hat, muss dies anmelden - auch deutschen Zöllnern gehen immer wieder "dicke Fische" ins Netz.

A. Hagelüken u. M. Völklein

Die Zöllner fanden gleich, dass mit diesem Mann etwas faul war, der angeblich nichts zu deklarieren hatte. Also baten sie den 60-Jährigen an der deutsch-schweizerischen Grenze bei Weil am Rhein, den Kofferraum seines Wagens zu öffnen. Darin fanden sich Kartons mit äußerst wertvollen Papieren: Der Mann hatte Anleihen über zehn Millionen Euro dabei, einfach so. Wer an einer EU-Grenze mehr als 10.000 Euro dabei hat, muss dies anmelden. Und so erwartete den Niederländer zumindest eine Geldstrafe. Die viel interessantere Frage war, ob ihm die Papiere gehörten oder ob es Diebesgut war oder Schwarzgeld.

Gefälschte Gucci-Taschen, Zigaretten, Haschisch - und Wertpapiere: Spektakuläre Schmuggelfälle im Überblick. Zum Vergrößern auf die Grafik klicken. (Foto: SZ-Grafik)

Die schon etwas zurückliegende Episode zeigt, dass der Schmuggel von Wertpapieren keine absolute Rarität ist. Doch mit dem jüngsten Fang der Finanzpolizei an der Grenze zwischen Italien und der Schweiz kann die Geschichte nicht mithalten.

Dort gingen den italienischen Fahndern zwei Japaner ins Netz. Im doppelten Boden ihres Koffers hatten sie amerikanische Staatsanleihen im Wert von 135 Milliarden Dollar versteckt. Umgerechnet haben die Papiere einen Wert von 96 Milliarden Euro, das entspricht einem Drittel des aktuellen deutschen Bundeshaushalts.

Elektronischer Handel

Normalerweise werden Staatsanleihen nur noch elektronisch gehandelt. Die Bundesrepublik Deutschland zum Beispiel gibt bereits seit den 70er Jahren keine "effektiven Stücke" mehr aus, wie Fachleute solche physischen Wertpapiere auch nennen. Die Bundesfinanzagentur in Bad Homburg, die die Schuldenverwaltung für den Bund übernimmt, transferiert die Bundeswertpapiere auf elektronischem Wege an die Gläubiger. "Das funktioniert quasi wie bei einem Girokonto", sagt ein Sprecher der Finanzagentur.

Auch viele Unternehmen, die früher zum Beispiel noch Aktien oder Firmenanleihen drucken ließen, verzichten nun auf die Herstellung effektiver Stücke. Allenfalls zum 200-jährigen Bestehen des Unternehmens oder zu ähnlichen Anlässen lassen sie noch Wertpapiere aus echtem Papier anfertigen.

Einige Staaten wie etwa die USA halten nach Expertenangaben aber auch heute noch zumindest einen Teil ihrer Staatsanleihen in Form von tatsächlichen Wertpapieren vor. Diese werden bei Treuhändern in Tresoren gelagert. Auf Wunsch kann sie der Besitzer sich aushändigen lassen.

Schwarzgeld waschen

Gauner versuchen dann anschließend, die wertvollen Papiere über die Grenze zu schaffen - so wie jetzt die beiden Japaner an der italienisch-schweizerischen Landesgrenze. Auch andere Fälle gab es bereits: Im Jahr 2002 griffen philippinische Zöllner auf dem Flughafen von Manila einen Bundesbürger auf, der Wertpapiere im Wert von 22,2 Milliarden Euro im Gepäck hatte. Er wollte mit den Papieren nach Hongkong ausreisen. Nach kurzer Prüfung stellten sich die Unterlagen allerdings als gefälscht heraus.

Auch bei den in Italien sichergestellten Wertpapieren ist noch unklar, ob sie nicht gefälscht sind. Die italienischen Ermittler haben bei Kollegen in den USA Amtshilfe angefordert. Warum aber werden Wertpapiere überhaupt geschmuggelt? "Bei Fälschungen ist klar, dass die Täter diese nicht beim Zoll anmelden", sagt ein Fahnder aus Norddeutschland.

Und echte Wertpapiere schaffen die Täter aus denselben Gründen über die Grenzen, aus denen sie auch Bargeld, Diamanten oder Goldbarren verdeckt transferieren: "Sie wollen zum Beispiel Schwarzgeld an den deutschen Finanzbehörden vorbei ins Ausland schaffen", sagt der Zollfahnder. Oder sie versuchen, Geld aus dunklen Kanälen zu waschen - und es so wieder in den regulären Finanzkreislauf einzuschleusen.

Deshalb hat der Gesetzgeber vor einiger Zeit auch die Regeln an den Grenzen verschärft: Wer Beträge über einem Wert von 10000 Euro mit sich führt, ist verpflichtet, dies beim Zoll anzumelden. Vor der Verschärfung musste ein Grenzgänger lediglich auf Nachfrage des Zöllners Wertsachen über dieser Grenze angeben.

Gesichtskontrolle

An vielbefahrenen Grenzen rollen täglich Zehntausende Autos an den Zöllnern vorbei. Die Beamten können nur einen Bruchteil davon kontrollieren. Sie achten daher zum Beispiel auf den Gesichtsausdruck der Reisenden. Viele Steuerhinterzieher können Zöllnern nicht in die Augen schauen, ohne nervös zu werden.

Es fallen auch Reisende auf, die kein oder wenig Gepäck dabei haben - oder sich bei der Frage nach dem Reisegrund verhaspeln. Immer wieder sind die Grenzbeamten überrascht, mit welcher Dreistigkeit Schmuggler vorgehen. In Weil am Rhein an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz trug einer mal einen Scheck in der Hosentasche, der auf schlappe 28 Millionen Euro lautete.

Ein älterer Mann, der sich auffällig verhielt, trug gleich zwei Windeln um den Körper. Offenbar war er inkontinent. Die Zöllner waren peinlich berührt und wollten ihn ohne Kontrolle passieren lassen. Als sich ein Beamter besann und den Mann doch aufforderte, die Windeln zu öffnen, fanden sich darin 140.000 Euro, die vor dem Zoll verborgen werden sollten.

© SZ vom 16.06.2009/as - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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