Schmiergeldskandal bei Siemens:Verdächtige Millionen-Zahlungen auch 2006

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Wirtschaftsprüfer der KPMG beanstanden Beraterverträge, die in die Amtszeit von Konzernchef Klaus Kleinfeld fallen. Es geht um 77 Millionen Euro.

Hans Leyendecker und Klaus Ott

In der Amtszeit von Konzernchef Klaus Kleinfeld sind nach Informationen der Süddeutschen Zeitung Millionen an Berater der Siemens-Sparte Telekommunikation (Com) gezahlt worden, die nach Feststellungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG den Verdacht nahelegen, dass die Gelder für Bestechung eingesetzt werden.

Die Wirtschaftsprüfer von KPMG entdeckten verdächtige Berater-Zahlungen - im Geschäftsjahr 2006. (Foto: Foto: AP)

Aufgrund der Begleitumstände, so die Prüfer in einem Sonderbericht für Siemens, bestehe für den Konzern ein "großes Risiko", dass diese Vorgänge "als Bestechungspraktiken im Ausland" einzuordnen seien. KPMG testiert die Bilanzen des Technik-Konzerns.

KPMG-Mitarbeiter, die seit Sommer 2006 intensiv und gezielt nach verdächtigen Transfers suchten, kamen bei ihrer Prüfung zu dem Ergebnis, dass im jüngst abgelaufenen Geschäftsjahr (1. Oktober 2005 bis 30. September 2006) exakt 77.636.618,11 Euro an Firmen und Geschäftsleute geflossen sind, die außerhalb der für Beraterverträge bei Siemens festgelegten Regeln gezahlt worden seien.

Prüfbericht ging auch an die Staatsanwaltschaft

Das Ergebnis ihrer Untersuchung haben die KPMG-Prüfer in einem sechs Seiten starken Bericht plus Anhang zusammengefasst, der inzwischen der Münchner Staatsanwaltschaft und der Sonderkommission Netzwerk des Bayerischen Landeskriminalamts vorliegt.

Ein Konzernsprecher erklärte dazu, dieser Prüfbericht der KMPG datiere vom 9. November 2006 und sei am 16. November bei Siemens eingegangen, einen Tag nach der Großrazzia von Polizei und Staatsanwaltschaft. Siemens habe diesen Bericht dann den Ermittlern zur Verfügung gestellt.

Die Fahnder gehen inzwischen offenbar der Frage nach, ob Siemens-Manager als Ersatz für Schwarzgeldkonten in Liechtenstein und in der Schweiz, die seit Ende 2004 nach und nach aufgeflogen waren, anschließend ein neues System schwarzer Kassen geschaffen haben.

Beratungsleistungen bestanden nur am Papier

Die Konten in Liechtenstein und in der Schweiz waren mit Hilfe von Tarnfirmen gefüllt worden, die Scheinrechnungen für Dienstleistungen (vor allem Beratung) ausgestellt hatten. Diese Dienstleistungen bestanden aber nur auf dem Papier. Auf diese Weise waren laut mehreren geständigen Managern und Angestellten von Siemens Mittel in Millionenhöhe abgezweigt worden, um diese Beträge anschließend für Schmiergeldzahlungen nutzen zu können.

Auch die inzwischen aufgefallenen Zahlungen aus dem Geschäftsjahr 2005/2006 basieren laut KPMG-Bericht auf fragwürdigen Beraterverträgen. Die Prüfer notierten, mal seien die Empfänger nicht eindeutig erkennbar, mal seien die Dienstleistungen nicht eindeutig festgelegt, oder die Dauer der Kontrakte sei unbestimmt.

Außerdem stünden diese Verträge nicht mehr im Einklang mit den neuesten Vorschriften bei Siemens für solche Geschäfte. Diese Regeln seien Mitte 2005 und Mitte 2006 verschärft worden.

Der größte Empfänger sitzt in Zypern

Die Beraterhonorare in Höhe von 77,6 Millionen Euro gingen laut Prüfbericht an mehr als zehn Firmen und Geschäftsleute in Europa, Asien und Afrika. Größter Empfänger war mit fast 30 Millionen Euro ein Unternehmen aus Zypern.

Darüber hinaus bestanden zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres am 30. September 2006 noch Zahlungsverpflichtungen in Höhe von mehr als 22 Millionen Euro für solche Beraterverträge.

Ein Konzernsprecher erklärte auf Anfrage, Siemens habe alle Zahlungen für diese Beraterverträge gestoppt. Die im vergangenen Geschäftsjahr noch überwiesenen 77 Millionen Euro und die noch vorliegenden Forderungen von mehr als 22 Millionen Euro seien in den 420 Millionen Euro enthalten, die Siemens vergangene Woche genannt hatte.

"Fragwürdige Vorgänge"

Die Konzernspitze hatte mitgeteilt, man sei im Geschäftsbereich Com auf fragwürdige Vorgänge in dieser Größenordnung aus den vergangenen sieben Jahren gestoßen, die man nun untersuche.

Vorstandschef Kleinfeld, Finanzvorstand Joe Kaeser und der Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer hatten beteuert, sowohl Schmiergeldzahlungen bei Com wie auch die dort für diesen Zweck angelegten schwarzen Kassen seien ihnen nicht bekannt gewesen.

Kleinfeld hatte das Amt des Konzernchefs Anfang 2005 von Pierer übernommen, der damals direkt an die Spitze des Aufsichtsrates wechselte. Bislang waren aus dem Ermittlungsverfahren nur Vorgänge nach außen gedrungen, die sich in Pierers Zeit als Vorstandsvorsitzender abgespielt hatten. Ein Siemens-Sprecher sagte, von schwarzen Kassen nach dem Jahr 2004 sei bislang nichts bekannt. Es werde aber alles lückenlos aufgeklärt.

© SZ vom 21.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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