Schmiergeldfall Siemens:Haus auf Paros, Anklage in Athen

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Schatten der Vergangenheit: Im Schmiergeldfall Siemens soll Volker Jung als erster Ex-Zentralvorstand vor Gericht kommen - in Griechenland.

K. Ott u. Ch. Schlötzer

Auf der griechischen Insel Paros lässt es sich gut leben. Die Leute sind freundlich, die Dörfer malerisch und die Strände traumhaft. Hier hat sich der langjährige Siemens-Manager Volker Jung ein Haus gekauft, im Süden der Insel, mit Blick auf das Meer. Ob der Rentner dort seinen Ruhestand auch künftig unbeschwert genießen kann, ist allerdings nicht mehr ganz sicher. Die Staatsanwaltschaft in Athen hat gegen den früheren Zentralvorstand Jung, 69, Anklage erhoben, weil er in den weltweiten Schmiergeldskandal des Industriekonzerns verwickelt sein soll.

In Griechenland muss sich der ehemalige Siemens-Zentralvorstand Volker Jung vor Gericht verantworten. (Foto: Foto: ddp)

Nach Erkenntnissen der Ermittler soll Siemens für lukrative Aufträge der griechischen Telefongesellschaft OTE bis zu 100 Millionen an OTE-Manager gezahlt und auch bei anderen Projekten bestochen haben. Jung war bei Siemens zeitweise auch für Geschäfte in Griechenland zuständig gewesen. Mehr als ein Jahrzehnt, von 1992 bis 2003, hat der Diplom-Ingenieur dem Zentralvorstand von Siemens angehört, dem innersten Zirkel der Macht des Konzerns mit Sitz in München.

Vier Vorstände unter Verdacht

Jetzt ist Jung der erste Ex-Zentralvorstand, gegen den eine Anklage in der Korruptionsaffäre vorliegt. "Der Stand der Ermittlungen in Athen ist in ein Papier eingeflossen, das dort eine Anklage darstellt", sagt Jungs Münchner Anwalt Andreas von Mariassy. Das sei aber nicht mit einer Anklage nach dem deutschen Rechtssystem vergleichbar. Die Ermittlungen in Athen seien noch nicht abgeschlossen.

Auch in München ist die Staatsanwaltschaft zugange. Hier stehen vier frühere Zentralvorstände im Verdacht, Schmiergeldzahlungen des Konzerns an Geschäftspartner und Regierungen geduldet oder sogar angeordnet zu haben. Ob Anklage erhoben wird, ist noch offen. Zu den vier beschuldigten Ex-Zentralvorständen in München zählt auch Jung. Er hat gegenüber den Staatsanwaltschaften in Athen und München bestritten, von den Korruptionspraktiken bei Siemens gewusst zu haben.

Die Athener Staatsanwaltschaft will auch mehrere Ex-Manager der Siemens-Landesgesellschaft in Griechenland vor Gericht bringen. Die Ermittler stützen sich auch auf einen der griechischen Zeitung Kathimerini und der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton. Die US-Kanzlei hat für den Aufsichtsrat von Siemens ermittelt und dabei auch viele Erkenntnisse über die Vorgänge in Athen und auf dem Balkan zutage gefördert.

Zwei Millionen Euro in der Pilotentasche

Debevoise schildert Aussagen von geständigen Siemens-Managern, wonach 50 bis 70 Mitarbeiter der damals noch staatlichen Telefongesellschaft OTE bezahlt worden seien, von der Generaldirektion abwärts. Auch an den Manager eines privaten Telefonkonzerns sei Geld geflossen, ebenso wie an die beiden großen Parteien in Griechenland. Das solle bei einem Treffen zweier Siemens-Manager im feinen Athener Hotel Grande Bretagne besprochen worden sein. Ein anderes Mal, bei einem Treffen mehrerer Siemens-Leute in einem Restaurant in Zürich, seien in einer Pilotentasche zwei Millionen Euro überreicht worden, die als Schmiergeld für ein Projekt bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen gedacht gewesen seien.

Ein geständiger Siemensianer verdächtigte frühere Kollegen aus Athen, solche Mittel für sich selbst abgezweigt zu haben. Dass dem so war, davon geht auch die Siemens AG aus. Der Konzern verklagt den früheren Chef der Landesgesellschaft Griechenland und einen weiteren Manager beim Landgericht München auf fünf Millionen Euro Schadenersatz.

Von unsauberen Praktiken will Jung nichts mitbekommen haben. Die Münchner Staatsanwaltschaft fragte den Ex-Zentralvorstand bei einer Vernehmung, wie er sich denn vorstelle, dass Geschäfte in Nigeria gelaufen seien. Jung war bei Siemens zeitweise auch für Afrika zuständig gewesen. Er antwortete, intern habe es immer geheißen, der dortige Landeschef von Siemens sei der Einzige in ganz Nigeria gewesen, der schon sämtliche Minister ins Bordell begleitet habe.

© SZ vom 25.04.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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