Schaeffler/Conti in der Krise:Ein Tabu gebrochen

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Ungewohnt offen räumt Familie Schaeffler ein, in "massiven Schwierigkeiten" zu stecken - und erklärt sich erstmals bereit, Unternehmensteile zu verkaufen. Bislang hatte sie das kategorisch ausgeschlossen.

Uwe Ritzer

Mit drei eng beschriebenen Seiten dürfte es eine der längsten Erklärungen sein, welche die sonst gegenüber der Öffentlichkeit prinzipiell eher verschlossene Schaeffler-Gruppe in ihrer gesamten 63-jährigen Firmengeschichte abgegeben hat. Eine der brisantesten ist sie in jedem Fall. Denn in dem am Sonntagnachmittag überraschend versandten Papier brechen Inhaberin Maria-Elisabeth Schaeffler und Sohn Georg mit einem Tabu.

Familie Schaeffler erklärt sich erstmals bereit, Unternehmensanteile zu verkaufen: Maria-Elisabeth Schaeffler mit Sohn und Mit-Gesellschafter Georg F. W. Schaeffler. (Foto: Foto: dpa)

Erstmals erklären sich die alleinigen Eigentümer des Herzogenauracher Kugellagerherstellers bereit, Teile ihres Familienunternehmens zu verkaufen, um mit dem Erlös die Milliardenbelastungen aus der Übernahme der Continental AG zu mildern.

Entsprechende Spekulationen gab es in Finanzkreisen schon länger, zumal die Banken diesbezüglich seit Wochen Druck machen. Doch bislang hatte Schaeffler es kategorisch ausgeschlossen, Dritte am eigenen Unternehmen (66.000 Mitarbeiter) zu beteiligen. Man suche lediglich bei Conti nach Co-Investoren, hieß es immer.

"Massive Schwierigkeiten"

Nun allerdings räumen Maria-Elisabeth und Georg Schaeffler in ungewohnter Offenheit ein, in "massiven Schwierigkeiten" zu stecken. In diese sei man durch "die globale Wirtschaftskrise und die nicht funktionierenden Finanz- und Kreditmärkte" geraten.

Sowohl bei Banken, als auch bei möglichen Investoren und beim Staat klopft Schaeffler inzwischen um Hilfe an. "Selbstverständlich halten wir dabei nicht nur die Hand auf", heißt es. Da ihr eigenes Milliardenvermögen in der Schaeffler-Gruppe stecke, sei man bereit, "sich von einem Teil dieses Vermögens zu trennen und mit dem Erlös die Verschuldung der Schaeffler-Gruppe zurückzuführen", schreiben Mutter und Sohn.

Gleichzeitig räumen beide ein, bereits länger und vergeblich nach solchen Investoren zu suchen. "Aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes und der belastenden öffentlichen Diskussion" sei es "bisher jedoch trotz einer aktiven Suche nicht gelungen, Investoren zu finden." Man gehe jedoch davon aus, dass man diese spätestens dann finden werde, wenn die Wirtschaft sich erholt habe.

Das unverhohlene Angebot an Investoren, sich an Schaeffler zu beteiligen, ist ein Indiz dafür, wie massiv man inzwischen in der Klemme steckt. "Jetzt geht es bei uns an das Tafelsilber", hieß es am Sonntag in Konzernkreisen. Mindestens zehn Milliarden Euro Schulden haben die Franken durch die Conti-Übernahme aufgehäuft.

Die ursprünglich als Sicherheiten gegenüber den Banken für die entsprechenden Darlehen geplanten Conti-Aktien sind nur mehr einen Bruchteil dessen wert, was Schaeffler für sie bezahlt hat. Dementsprechend drängen die Geldhäuser immer massiver auf zusätzliche Sicherheiten. Zumal auch auf der Neuerwerbung Conti mehr als zwölf Milliarden Euro Schulden lasten.

Ein Verkauf von Anteilen an der Schaeffler-Gruppe würde frisches Geld ins Unternehmen pumpen. Helfen soll aber auch der Staat. "Es geht bei unseren Gesprächen mit der Politik um eine zeitlich begrenzte Überbrückung in einer besonderen Ausnahmesituation für ein Unternehmen, das im Kern gesund ist", schreiben Maria-Elisabeth und Georg Schaeffler. Man werde Bund und Land in den kommenden Wochen "ein tragfähiges Konzept vorschlagen". Dabei werde es aber "nicht zu einer Belastung des Steuerzahlers kommen".

Neue Töne bei Schaeffler

Schaeffler sei auch bereit, für etwaige staatliche Hilfe "die gesetzlich vorgeschriebenen Zinsen und Gebühren zu bezahlen." Nicht nur der Umstand, dass Maria-Elisabeth und Georg Schaeffler von sich aus offensiv den Weg in die Öffentlichkeit suchen ist neu; bemerkenswert ist auch der Stil ihrer Erklärung.

Sie ist im Ton vorsichtiger und zurückhaltender formuliert als vieles andere, was die Franken seit Bekanntwerden ihrer Conti-Übernahmepläne im Sommer vorigen Jahres von sich gegeben haben. Unverkennbar hat vor allem die harsche öffentliche Kritik der vergangenen Wochen tiefe Spuren hinterlassen.

Dass Maria-Elisabeth Schaeffler im Pelzmantel auf einer Party in Kitzbühel auftauchte, während sie gleichzeitig bei Bund und Ländern um Staatshilfe vorstellig war, geriet imagemäßig für die 67-jährige Unternehmerin zur Katastrophe. Die daraufhin einsetzende massive Kritik bis hin zu Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel habe die Unternehmerin schwer irritiert, heißt es in Konzernkreisen.

Die Erklärung vom Sonntag soll daher wohl auch eine Art Befreiungsschlag sein und zurück zum eigentlichen Thema führen. Der Frage nämlich, ob gemeinsames Marschieren von Conti und Schaeffler langfristig ökonomischen und industriepolitischen Sinn macht oder nicht. "Wir sind keine Hasardeure, die sich verspekuliert oder verzockt haben", wehren sich Mutter und Sohn Schaeffler. "Wir sind keine kurzfristig orientierten Finanzinvestoren, wir sind langfristig denkende und handelnde Unternehmer." Und als solche lassen sie am Sinn der Zusammenarbeit mit Continental keine Zweifel zu.

Zwei Weltmarktführer in punkto Fahrzeugmechanik (Schaeffler) und Fahrzeugelektronik (Conti) seien dabei, zu einem der weltweit größten Automobilzulieferer aufzusteigen. "Das liegt auch im Interesse des Standortes Deutschland, seiner Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit, seiner Arbeits- und Ausbildungsplätze."

Von Managementfehlern in Zusammenhang mit der Übernahme will man in Herzogenaurach nach wie vor nichts hören. Natürlich habe man sich Mitte 2008 und damit frühzeitig auf eine konjunkturelle Abkühlung eingestellt, erklären Mutter und Sohn Schaeffler. Niemand habe jedoch zu diesem Zeitpunkt "den dramatischsten und schnellsten Zusammenbruch der globalen Wirtschaft seit den 80er Jahren" vorhersehen können.

© SZ vom 9. Februar 2009/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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