Samsung:Die Schlinge zieht sich zu

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Im Zentrum einer Affäre: Samsung-Chef Lee Jae-Yong nach seiner Aussage am vergangenen Freitag. (Foto: Kim Do-Hoon/dpa)

In Südkorea fordern die Ermittler Haft für Samsung-Chef Lee Jae-yong. Die größte Firmengruppe des Landes gerät immer tiefer in den Strudel der Korruptionsaffäre um Präsidentin Park Geun-hye.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Südkoreas Sonderstaatsanwalt, der die Korruptionsaffäre um Präsidentin Park Geun-hye und ihre Vertraute aufklären soll, hat am Montag einen Haftbefehl gegen den Samsung-Erben Lee Jae-yong beantragt. Außerdem reichte sie Anklage gegen den Chef des staatlichen Pensionsfonds, Moon Hyung-pyo, ein, der bereits in Untersuchungshaft sitzt. Die Schlinge um Präsidentin Park zieht sich immer enger zusammen.

Lee wird der Bestechung, der Unterschlagung und des Meineids beschuldigt. Samsung soll Parks Freundin, der Schamanin Choi Soon-sil, 43,6 Milliarden Won (35 Millionen Euro) zugesteckt haben, damit der staatliche Pensionsfonds als Großaktionär zweier Samsung-Töchter in der Hauptversammlung für deren Fusion stimmte, obwohl seine Anleger damit viel Geld verloren. Präsidentin Park wird verdächtigt, dieses Geschäft mit Lee im Juli 2015 unter vier Augen ausgehandelt zu haben. Bis vorige Woche stritten Lee und Moon das ab, sie deckten Park, die jede Schuld von sich weist. In einem Verhör vorige Woche, das ohne Unterbrechung 22 Stunden dauerte, knickte Lee ein und gab den Händel zu.

Der sanfte, verwöhnte Lee ist nicht der einzige Chef eines Chaebol, wie die Südkoreaner ihre Familienkonzerne nennen, der in den Skandal verwickelt ist. Auch der Chef der Lotte-Gruppe wird verdächtigt, sich mit Spenden für Chois als Sporthilfe-Fonds getarnte Privatschatullen den für ihn positiven Beschluss eines Ministeriums erkauft zu haben. Der Sonderstaatsanwalt wird neun Chaebol unter die Luppe nehmen. Der 49-jährige Lee, der Sohn von Konzernchef Lee Kun-hee, der seit 31 Monaten im Koma liegt, ist bloß der erste, den sich die Ermittler vergeknöpft haben. Samsung ist der größte Chaebol. Zudem dürfte der Widerstand des 49-jährigen aus der dritten Generation der Chaebol-Bosse eher zu knacken gewesen sein als jener der abgebrühten zweiten Generation.

Vor der Parlamentskommission sprach Lee von einer "schwierigen Lage", in der er gesteckt habe. Ein anderer Chaebol-Boss machte deutlich: "Der Präsidentin sagt man nicht ,Nein'." Am Mittwoch wird ein Bezirksgericht entscheiden, ob Lee tatsächlich verhaftet wird.

Der Samsung-Konzern protestierte in einer Erklärung gegen den Haftbefehl und wies alle Bestechungsvorwürfe zurück. Der koreanische Industrieverband warnte, Samsung drohe ein "ernsthaftes Führungsvakuum". Die Handelskammer rief das Gericht auf, dem Ankläger den Haftbefehl für Lee zu verweigern.

Samsung soll eine Freundin der Präsidentin mit 35 Millionen Euro bestochen haben

Von den 1960er- bis in die 1980er-Jahre steckten die Chaebol mit der von Parks Vater Park Chung-hee begründeten Militärdiktatur unter einer Decke. Die Regierung plante zusammen mit ihren Bossen, in welche Wachstums-Industrien sie investieren sollten und bot ihnen Startkapital. Sie garantierte ihnen den Inlandsmarkt, unterdrückte den Wettbewerb und die Gewerkschaften. Dafür produzierten die Chaebol Wachstum. Und durften sich über die Gesetze hinwegsetzen.

1987 stürzten die Studenten die Diktatur, seither ist Korea eine Demokratie und ein Rechtsstaat. Die Chaebol sehen sich jedoch bis heute als Elite, die mehr darf. Sie ziehen noch immer die Fäden und setzten sich über die Gesetze hinweg. Im Jahre 2008 verurteilte ein Bezirksgericht Lees Vater Lee Kun-hee zu drei Jahren Gefängnis. Der Alte hatte schwarze Kassen geführt und damit Staatsanwälte, Richter und Politiker bestochen. Ein Ex-Mitarbeiter behauptete, er habe außerdem acht Milliarden Euro auf private Konten geschaufelt. Lee ignorierte das Urteil einfach. Wenig später begnadigte ihn Präsident Lee Myung-bak: Der Samsung-Boss sei zu wichtig für Korea, seine Wirtschaft könne es sich nicht leisten, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, so der Präsident. Zudem hätte Lee als Verurteilter seinen Sitz im Internationalen Olympischen Komitee verloren.

Samsung generiert ein Fünftel der Wirtschaftsleistung Südkoreas, das Unternehmen ist zu groß, um es pleitegehen zu lassen. Manche Analysten in Seoul meinen deshalb, der junge Lee könne mit Milde rechnen, so wie sein Vater. Zumal er geltend machen werde, die Präsidentin habe ihn unter Druck gesetzt. Die Aktie von Samsung könnte einbrechen, werde sich aber bald erholen. Trotz der Krise um das "Note 7", das Smartphone, das sich selbst entzündete, erwartet Samsung für das abgelaufene Quartal einen hohen Gewinn.

Südkoreas Linke dagegen fordert die Entmachtung der Chaebol-Familien, insbesondere Lees, den einige für den Motor des Skandals halten. Es sei nicht zeitgemäß, dass ein Mann allein wie ein Imperator einen global tätigen Konzern leite - ein Zauderer wie Lee schon gar nicht. Die Familien, die nur wenige Prozent der Aktien halten, kontrollieren über raffiniert konstruierte Holdings und Kreuzbeteiligungen nicht nur ihre Konzerne, sie mischen sich mit sogenannten "Samsung-Stipendien" auch in Politik, Verwaltung und Gerichte ein. Kim Sang-jo, Professor an der Hansung Universität, wirft Lee vor, er sei die eigentliche Ursache der Staatskrise. Er habe nötige Strukturreformen verschlafen, dann aber versucht, sich die Macht über Samsung mit der hinterhältigen Fusion der zweier Tochterfirmen zu sichern.

Samsung ist auch mit diesem Problem nicht allein. Die dritte Generation anderer Chaebol ist ebenfalls überfordert. Ob Südkorea diese Krise für eine Entflechtung von Wirtschaft und Politik nutzt, dürfte sich mit der Wahl von Parks Nachfolger entscheiden. Ex-UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gilt als Chaebol-freundlich, der andere derzeitige Favorit, der Liberale Moon Jae-in profiliert sich als Chaebol-kritisch.

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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