Der FBI-Chef kam, der Geheimdienstkoordinator und Obamas Stabschef. Anfang Januar trafen sie sich im kalifornischen San José mit Abgesandten von Facebook. Ihr Wunsch: Eine Methode, um im sozialen Netzwerk zuverlässig Terroristen aufzuspüren. Doch Facebook musste sie enttäuschen. "So einen magischen Algorithmus habe ich noch nicht gesehen", kommentierte Kommunikationschefin Anne Kornblut. Die US-Regierung wollte einen der mächtigen IT-Konzerne des Landes für Verteidigungszwecke einsetzen. Nicht zum ersten Mal.
Der Datenschatz der Konzerne steht in dieser Woche auch im Fokus transatlantischer Verhandlungen. Beide Seiten versuchen, den Datenaustausch vertraglich neu zu regeln - selbstverständlich im jeweils eigenen Interesse.
Den Gedanken, dass zwischen den USA und Europa ein Konflikt über die Kontrolle der Informationsströme tobt, haben zwei Politikwissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der außenpolitischen Zeitschrift Foreign Affairs auf eine Formel gebracht: Henry Farrell und Abraham Newman beobachten einen "transatlantischen Datenkrieg". Die USA nutzen demnach ihre Macht, um Finanz- und Informationsflüsse anzuzapfen und zu beeinflussen. Das Safe-Harbor-Urteil des Europäischen Gerichtshofs war nach dieser Lesart ein Verteidigungsschlag Europas. Die EuGH-Richter hatten das 15 Jahre alte Abkommen im Oktober für ungültig erklärt. Es ließ Unternehmen Daten von Europa in die USA übertragen, obwohl dort keine Datenschutzregeln existieren, die EU-Standards genügen. Der Trick: Die Firmen versicherten einfach, dass sie europäische Regeln einhalten. Die Realität sieht anders aus.
US-Geheimdienste und Ermittler nutzen Cloud-Strukturen von IT-Unternehmen, in denen die Daten europäischer Nutzer gespeichert sind, als Aktenschrank für ihre Schnüffelei, das ist spätestens seit den Enthüllungen des Ex-Geheimdienst-Mitarbeiters Edward Snowden allgemein bekannt. Deshalb kippte der EuGH das bisherige Safe-Harbor-Abkommen. Dass die USA IT-Konzerne als Instrumente ihrer Sicherheitspolitik einsetzten, habe nicht nur die Reputation der Unternehmen beschädigt, schreiben Farrell und Newman, sondern auch das Vertrauen der Europäer in den transatlantischen Datenaustausch. Das Ergebnis ist nun das Ende von Safe Harbor und eine härtere Gangart europäischer Datenschützer, die nur darauf warten, Unternehmen für ihre nun widerrechtlichen Datentransfers abzustrafen.
Die IT-Firmen wehren sich gegen die übergriffige US-Regierung
Mark Leonard, Leiter der Denkfabrik "European Council on Foreign Relations", nennt das Phänomen "connectivity wars": Vernetzungskriege. "Wie physische Infrastruktur wird auch die virtuelle Struktur des Internets von Staaten, die um Macht ringen, zur Waffe gemacht." Diese virtuelle Struktur besteht auch aus Netzwerken wie Facebook und den Cloud-Speichern.
Globalisierung führe zu gegenseitiger Abhängigkeit. Damit sinke zwar die Gefahr, dass Staaten gegeneinander physisch in den Krieg ziehen. Stattdessen aber eröffneten sich neue Kampffelder. Demnach tobt ein dauernder, niedrigschwelliger Wirtschaftskrieg. Der freie Handel werde durch europäische Sanktionen gegen Russland behindert und durch jene von Russland gegen andere. Gleiches gilt für das Finanzsystem, weil der US-Justizapparat gegen Banken vorgehe, die Sanktionen gegen Sudan oder Iran brechen. Oder gegen Banken, die zu geheimniskrämerisch sind, wie etwa Schweizer Institute. Die Bush-Regierung hatte im Namen des Anti-Terror-Kriegs zwischenzeitlich das Swift-Netzwerk für internationale Überweisungen angezapft. Hinzu kommt das massenhafte Ausspionieren digitaler Kommunikation durch die Dienste. All das geschieht allen Freihandels-Slogans zum Trotz, denen zufolge Waren, Kapital und Daten frei fließen müssen.
Inzwischen wehren sich die IT-Konzerne gegen die übergriffige US-Regierung. Apple-Chef Tim Cook wirbt für Verschlüsselung und verweigert die Einführung von "Hintertüren". Diese bewusst installierten Sicherheitslücken ermöglichen Ermittlern Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation - aber auch Kriminellen. IT-Konzerne wissen, dass Datensicherheit ein Verkaufsargument ist. Cloud-Anbieter eröffnen mehr und mehr Rechenzentren in Europa. Dort sollen Informationen von EU-Nutzern auch dann rechtlich einwandfrei gespeichert werden, sollten die Safe-Harbor-Verhandlungen platzen.
Doch um diese Daten tobt längst der nächste Konflikt. Ein Gericht in New York wird in den kommenden Wochen entscheiden, ob Microsoft US-Strafverfolgern E-Mails eines Nutzers übergeben muss, die auf Servern des Konzerns in Irland gespeichert sind. Es geht um Drogenermittlungen in den USA. Die Daten seien in Europa und damit außerhalb der Sphäre der US-Behörden, sagt Microsoft. Sie seien aber in Händen eines amerikanischen Konzerns, argumentieren die USA - deshalb hätten Behörden des Landes rechtmäßig Zugriff. Eine Entscheidung gegen Microsoft würde eine Lösung im Safe-Harbor-Streit erschweren. Wenn Daten schon bei US-Unternehmen in Europa nicht sicher sind, wird es noch schwerer, die USA zur Zurückhaltung im eigenen Land zu verpflichten.
Grund für eine einseitige Verurteilung der Amerikaner gibt es übrigens keinen. Schließlich, schreiben Farrell und Newman, hätten europäische Dienste der NSA kräftig geholfen - gemeint ist wohl der BND. Und per Vorratsdatenspeicherung mache sich auch die deutsche Regierung an die Daten auf den Speichern der Telekom-Konzerne ran.