RWE:Kontrollverlust

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Guter Mond, du gehst so stille ... Nachtleben über dem RWE-Turm in Essen, der Zentrale des einst größten Stromversorgers in Deutschland. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Aufsichtsratschef Manfred Schneider tut sich schwer, einen Nachfolger für das Kontrollgremium zu finden - das lähmt auch den Konzern.

Von Karl-Heinz Büschemann, München

Jetzt kommt auch noch der Aufsichtsratschef unter Druck. Seit Monaten versucht Manfred Schneider, der Vorsitzende des Kontrollgremiums des Energiekonzerns RWE, seinen eigenen Nachfolger zu finden. Doch der 76-Jährige, dessen Amtszeit im April endet, findet keinen Kandidaten, der alle Beteiligten überzeugt. "Er hat die Sache nicht im Griff", sagt einer, der mit den Aufsichtsratsdingen vertraut ist. Schneiders Reputation droht Schaden zu nehmen und der Essener Energiekonzern taumelt weiter in die Krise.

RWE war einst der größte Stromversorger der Republik, doch durch das rasante Vordringen der erneuerbaren Energie hat der Konzern seine Basis eingebüßt. Seine Atommeiler müssen abgeschaltet werden. Die Kohlekraftwerke gelten als teure Umweltverschmutzer, und die Stromerzeugung mit Gas ist kaum noch wirtschaftlich zu machen. Der Aktienkurs ist auf steiler Talfahrt. Vor sieben Jahren lag er noch bei 100 Euro. Heute ist ein Papier nur noch 12,60 Euro wert. Die Aktionäre haben das Vertrauen in den Vorstandsvorsitzenden Peter Terium offenbar verloren. Der konnte bisher keine Wende einleiten.

Ausgerechnet jetzt ist der Aufsichtsrat kaum noch handlungsfähig, die Suche nach einem neuen Chef für das Kontrollgremium wird zum Albtraum und sorgt für hemmungsloses Hauen und Stechen. Aufsichtsrat Schneider hat als seinen Nachfolger den ehemaligen SAP-Manager Werner Brandt vorgesehen. Doch der stößt auf Widerstand. Die vier Vertreter der an RWE beteiligten Kommunen und Landkreise wollen lieber Werner Müller an der Spitze des Kontrollgremiums sehen. (Siehe SZ vom 31. August). Brandt sei ein Controller, man brauche aber neben Terium noch einen Finanzexperten an der Spitze. Müller sei die bessere Wahl, sagt ein Kommunalvertreter. Ähnliche Einwände gibt es aber auch bei Managern im Aufsichtsrat.

Mehrere Kandidaten sagten ab - der Job ist ihnen zu kompliziert

Müller war einmal parteiloser Bundeswirtschaftsminister unter Kanzler Gerhard Schröder. Er leitet heute den Aufsichtsrat des Essener Chemieunternehmens Evonik und gilt an der Ruhr als politischer Strippenzieher erster Güte. Genau deshalb ist auch er umstritten. "Müller ist auf der Kapitalseite nicht durchzusetzen", sagt einer, der dem Aufsichtsrat nahe steht. RWE droht ein langer Machtkampf, der den Konzern lähmt.

Lieber als seinen Verlegenheitskandidaten Brandt hätte Schneider den früheren Bosch-Manager Bernd Bohr an die RWE-Kontrollspitze geholt. Doch der winkte ab. Zu viel Zeitaufwand, war sein Einwand. Auch Gerhard Roiss, bis vor Kurzem Chef des österreichischen Energieunternehmens OMV, wollte nicht. Auch ihm war der Job zu anstrengend. Hans Peter Keitel, der frühere Hochtief-Chef und Mitglied im Aufsichtsrat, sagte Schneider ebenfalls ab. Sogar schriftlich und offenbar beleidigt.

Im Jahr 2012 sei er noch zur Annahme des Postens bereit gewesen. Doch jetzt stehe er für den Posten "nicht mehr zur Verfügung", schrieb er in einem Brief, der der SZ vorliegt. Er sei mit 69 Jahren zum Zeitpunkt der Wahl zu alt für die Aufgabe und den nötigen Umbau, der mehr als eine fünfjährige Amtsperiode dauern werde. Der bedrängte Schneider hat inzwischen Personalberater eingeschaltet, doch auch die lieferten nur Kandidaten, die ihm selbst nicht zusagten oder den anderen Räten nicht vermittelbar waren. Zudem hat sich in der Manager-Szene herumgesprochen, dass der Spitzen-Job bei RWE viel Arbeit macht und kaum Erfolge verspricht.

Der Konzern braucht nicht nur eine neue Strategie. Der Aufsichtsratschef in Essen muss auch die Kommunalvertreter im Griff behalten. Die vier Landräte und Bürgermeister im Kontrollgremium sehen den Konzern fast als Eigentum der Städte und Landkreise an und halten es für das Wichtigste, dass es Dividenden für die klammen Kommunen gibt, selbst wenn der Konzern nur noch wenig abwirft und jeden Euro für Investitionen braucht.

Die Kommunen halten aus historischen Gründen etwa ein Viertel des Aktienkapitals. Doch es gelang ihnen, von den zehn Sitzen auf der Kapitalseite vier zu kapern. Management-Erfahrung haben unter den Kontrolleuren nur Manfred Schneider, Werner Brandt, Klaus Peter Keitel und Ekkehard Schulz, der frühere Thyssen-Krupp-Chef. Der einzige noch aktive Dax-Manager im RWE-Aufsichtsrat ist Daimler-Chef Dieter Zetsche. Doch der will aufhören. Auch das gilt in Essen als Zeichen dafür, dass der RWE-Aufsichtsrat wenig einvernehmliche Arbeit erlaubt.

"RWE ist auf dem Weg zu einem großen Stadt- und Landwerk."

Die Kommunen wollen aus dem Energiekonzern wieder einen regionalen Versorger machen, der wie früher den Kommunen zu Diensten ist. "RWE ist auf dem Weg zu einem großen Stadt- und Landwerk", sagt Wolfgang Kirsch vom Verband der kommunalen RWE-Aktionäre. Doch solche Pläne kommen beim Vorstand und bei Schneider nicht gut an. Die halten die Vertreter der Kommunen für rückwärtsgewandte Bremser. "Das sind wir nicht", gibt Roger Graef, ehemaliger Landrat des Kreises Bitburg Prüm und Mitglied im RWE-Aufsichtsrat, empört zurück. "Das Problem ist nicht, dass wir vertreten sind. Das Problem ist, dass es - wie auch bei anderen Energiekonzernen - im Management an Ideen für ein neues Geschäftsmodell fehlt." Deshalb halten die Kommunalen den Ex-Politiker Müller für den besseren Aufsichtsratsvorsitzenden. Der ist ein begabter Öffentlichkeitsarbeiter und wird nichts unversucht lassen, sein Ziel zu erreichen, zumal er 2003 selbst gehofft hatte, Vorstandschef des Konzerns zu werden.

Schneider gerät unter Druck. Was anderswo üblich ist, die geräuschlose Besetzung des Aufsichtsrates, schaffte er nicht mehr. Vertrauten sagt er aber, er sei zuversichtlich, seinen Kandidaten Brandt gegen Müller durchzusetzen.

© SZ vom 11.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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