Für Russland-Exporte, die von den Sanktionen der EU gegen Wladimir Putins Reich betroffen sein könnten, haben die deutschen Behörden eine sogenannte "Hotline" eingerichtet. Unter der Nummer 06196/908-1237 erteilt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im hessischen Eschborn Auskunft, was erlaubt ist und was nicht.
Den Anruf dort kann sich Armin Papperger, Vorstandschef des Rüstungskonzerns Rheinmetall AG mit Stammsitz in Düsseldorf, sparen. In seinem Fall kommt alles zu spät. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat im vergangenen Jahr die Errichtung eines Gefechtsübungszentrums von Rheinmetall in Russland und die Lieferung der dazu nötigen Anlagen verboten, nachdem Putin die Krim annektiert hatte.
Den Schaden in Höhe von rund 120 Millionen Euro, der dem Rüstungskonzern dadurch entstanden sein soll, will Papperger nach Recherchen von SZ, NDR und WDR nunmehr von Gabriel ersetzt bekommen. Telefonate sind zwecklos, jetzt hilft nur noch der Postweg. Rheinmetall hat dem BAFA, das dem Wirtschaftsministerium zugeordnet ist, kürzlich einen Entschädigungsantrag geschickt. Samt zahlreicher Unterlagen, die den Anspruch dokumentieren sollen. Gabriels Ministerium bestätigt den Eingang des Aktenpakets von Rheinmetall. Und fügt hinzu: "Dieser Antrag wird geprüft." Rheinmetall erklärt, man stehe mit dem Wirtschaftsministerium in Kontakt, um im Interesse der Aktionäre des Unternehmens Schäden "zu vermeiden und zu minimieren".
Schäden "zu vermeiden und zu minimieren"
Der von Gabriel untersagte Rüstungsdeal mit Russland ist in fast jeder Hinsicht ein Sonderfall. Dem BAFA liegt derzeit keine andere Schadenersatzforderung wegen eines Exportverbots vor. Und kaum ein anderes ehedem vereinbartes Geschäft mit Putins Reich enthält so viel politischen Zündstoff. Rheinmetall hatte 2011 die Lieferung des Gefechtsübungszentrums mit Russland vereinbart und von den deutschen Behörden genehmigt bekommen. Nach der Besetzung der Krim widerrief Gabriel die Exporterlaubnis; das Geschäft im Wert von insgesamt 135 Millionen Euro war hinfällig. Der Wirtschaftsminister ging damit sogar über die von der EU beschlossenen Sanktionen hinaus. Er wolle, so seine Aussage, nicht riskieren, dass die militärischen Auseinandersetzungen durch die Lieferung des Gefechtszentrums noch schlimmer würden. Bis zu 30 000 Soldaten pro Jahr hätte die russische Armee sonst mit deutscher Technik ausbilden können.
Rheinmetall aber hatte die Anlagen bereits hergestellt. Bei einer Tochtergesellschaft in Bremen standen 70 Lkw voll von Material für die Fahrt nach Russland bereit und durften nicht mehr starten. Konzernchef Papperger kündigte daraufhin Schadenersatzforderungen an. Er werde "nichts verschenken"; keinen einzigen Euro. Jetzt liegt der Antrag beim Bundesamt in Eschborn. Dass es um 120 und nicht um 135 Millionen Euro geht, ist leicht zu erklären. Der Auftrag aus Russland war noch nicht vollständig erfüllt. Die Errichtung des Gefechtszentrums im Armee-Standort Mulino wäre noch dazu gekommen. Diese Arbeiten macht Rheinmetall, da sie nicht mehr stattfanden, in seinem Entschädigungsantrag nicht geltend. Alles andere, was bereits produziert war, dagegen schon. Bleiben 120 Millionen Euro übrig.