Robotik:Kommt eine Drohne gerollt

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Intelligenter Droide: Der Roboter-Bote Yape findet seinen Weg mit Google Maps und lernt auch selbst. (Foto: oh)

Ein kleiner Roboter aus Mailand erinnert an die Droiden aus der "Star Wars"-Saga und soll künftig Einkäufe, Pakete und Essen nach Hause liefern.

Von Ulrike Sauer, Mailand

Vom Dom, diesem Marmorgebirge aus Spitzen, Simsen, Streben, Säulen, Rosetten, Zacken, Heiligen und Engeln, geht man zu Fuß keine Viertelstunde. Treppe hoch, erster Stock, Tür auf, und sofort begegnet man dem knuffigen Droiden. Yape, der selbstfahrende Bote, rollt lautlos über den Flur. Er absolviert seinen Dienst als Zusteller auf den beiden Büroetagen der Mailänder Firmenschmiede E-Novia, dort, wo er in den vergangenen drei Jahren entwickelt wurde. "In Japan ruft er auch den Fahrstuhl, hier bei uns sind die Aufzüge leider noch nicht so weit", sagt E-Novia-Chef Vincenzo Russi.

Der Knirps erinnert ein bisschen an "Star Wars", in Wirklichkeit aber avancierte er zum fotogenen Star der italienischen Innovationsszene. Mit der kugelrunden Silhouette und den Kulleraugen sieht er einfach niedlich aus, doch hinter der sympathischen Erscheinung verbirgt sich ein ganz schön pfiffiges Kerlchen. Der Rat für Formgebung zeichnete ihn 2019 mit dem begehrten German Design Award in der Kategorie Nutzfahrzeuge aus.

Yape steht für Your Autonomous Pony Express. Er soll Online-Einkäufe auf der letzten Meile an die Haustür bringen oder das Thai-Curry abends in die Wohnung liefern. Gesteuert wird der Bote über eine App, bewegen kann er sich mit künstlicher Intelligenz und einem integrierten Navigationssystem. "Yape ist eine Antwort auf die Explosion der Lieferdienste weltweit, die vom Boom des Internethandels und der Essenszustellung angetrieben wird", sagt Ivo Boniolo, E-Novia-Mitgründer und Innovationschef der Firma. Der Kurier soll das Paket-Chaos in den Innenstädten eindämmen. Mailand zum Beispiel: Um 150 000 Pakete zuzustellen, kurven täglich 11 000 Lastwagen herum, die nur zu 40 Prozent beladen sind. Sie verstopfen die Straßen und verpesten die Luft.

Die Batterie hat eine Reichweite von 80 Kilometern

Yape ist schmal, kurz und sehr wendig. Weil er auf zwei parallelen Rädern fährt, kann er sich auf der Stelle drehen. Auf Fußwegen ist er mit sechs Stundenkilometern unterwegs, auf Radwegen mit bis zu 20. Die Batterie schafft 80 Kilometer. Er transportiert bis zu 30 Kilo Gewicht, und das Ladefach lässt sich den Anforderungen unterschiedlicher Dienstleister anpassen.

Bei E-Novia nennt man Yape eine "selbstfahrende Bodendrohne". Sie erledigt ihren Job vollkommen autonom. Der Roboter-Bote nimmt seine Umwelt mit vier Videokameras, vier dreidimensionalen Sensoren und acht Näherungsschaltern wahr. Er kann so Passanten, Baustellen und Schlaglöchern ausweichen, nimmt Bordsteinrampen, überquert Straßenbahnschienen und hält an roten Ampeln. Die Ortskenntnisse hat sich Yape selbst beigebracht. Gestartet ist er mit der Google-Landkarte und hat sich dann im Betrieb die Details angeeignet. "Keine existierende Karte gibt uns Informationen über die Breite eines Fußwegs oder den Zugang zu Gebäuden", sagt Simone Fiorentini, 33, technischer Direktor bei Yape.

Der promovierte Automationsingenieur war Ende 2017 der erste Mitarbeiter des Projekts bei E-Novia. Die Idee zu dem Roboter-Boten war an der Technischen Hochschule Mailand von einer Forschungsgruppe geboren und als Spin-off von E-Novia übernommen worden. Yapes Werdegang ist typisch für das Innovationsmodell, das Russi und Boniolo seit 2015 vorantreiben. E-Novia sucht an den Universitäten nach Ideen, reift sie zu Produkten aus und gründet Firmen, die sie auf den Markt bringen. In vier Jahren entstanden so mitten in Mailand 21 Hightech-Firmen. Neun weitere Projekte stecken im Entwicklungsstadium. Yape beschäftigt 20 Mitarbeiter.

Am Frankfurter Flughafen hat der Roboter Reisende zum Gate begleitet

Den ersten Praxistest absolvierte Yape in den Straßen der norditalienischen Kleinstadt Cremona. Dann testete die japanische Post den italienischen Zusteller in Fukushima. Am Frankfurter Flughafen begleitete der Roboter Reisende zum Gate und beförderte ihr Handgepäck. Ob er dauerhaft zum Einsatz kommt, soll nach weiteren Tests entschieden werden. In Mailand läuft ein Experiment im 5G-Mobilfunkstandard - mit Vodafone, der Supermarktkette Esselunga und Poste Italiane.

Zuversichtlich macht die Mailänder ihr Erfolg in Asien. Woowa, der größte Essenslieferdienst in Südkorea, probiert zehn selbstfahrende Boten auf dem Campus von Universitäten aus. Die Woowa-Kunden seien sehr zufrieden mit der Zuverlässigkeit des Roboters, sagt Russi. Japans Post beendete gerade einen Feldversuch mit fünf Droiden in Tokio. Yape stellte dort Pakete innerhalb der Gebäude zu. Auf die Zusammenarbeit ist E-Novia besonders stolz, denn Japan ist weltweit die Nummer eins in der Robotik. Der Innovationsbedarf in der Logistikbranche scheint enorm zu sein. Während die Post "mit horrenden Kosten" kämpfe, werden Japans Kurierdienste 2021 an ihre Wachstumsgrenzen stoßen, sagt Innovationschef Boniolo. "Ohne Einwanderer bekommen sie dann nicht mehr genug Personal".

© SZ vom 04.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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