Roboter:Yumi, die fleißige Alleskönnerin

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Was ist das denn? Angela Merkel lernt auf der Hannover-Messe den zweiarmigen Robo-Arbeiter Yumi kennen. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Papierflieger basteln, Geschenke einpacken, Elektronik verlöten: Der Roboter Yumi ist vielseitig und besonders einfach zu programmieren. Sieht so der Arbeiter der Zukunft aus?

Von Charlotte Theile, Zürich

Die größte Attraktion, die der Schweizer Technologie-Konzern ABB im Moment hat, ist an diesem Wintertag gerade aus Davos zurückgekehrt. Nun steht sie im Eingangsbereich des Unternehmens, neben ihr eine junge Frau mit einem Tablet in der Hand. Neugierige Passanten werden euphorisch begrüßt. Ob sie mal programmieren wollen? Ein Nicken, dann vorsichtige Annäherung. Die Arme des Wesens sind lang und beweglich.

"Keine Angst" sagt Philip Lewin, und fasst mit einem Ruck in die langen Arme hinein. Sofort steht alles still. "Yumi ist so gebaut, dass sie niemandem weh tun kann." Lewin strahlt das langarmige Etwas an. Dann korrigiert er sich: "Ich meine: es. Yumi ist ja kein Mensch. Und soll auch keiner sein."

Tatsächlich ist Yumi nicht viel mehr als diese zwei beweglichen Arme. Ein Industrie-Roboter, 38 Kilo schwer, gebaut für langwierige, monotone Arbeitsschritte in der Fabrikhalle, weniger für den großen Auftritt beim Weltwirtschaftsforum Davos. Andererseits: Roboter wie Yumi werden in der Arbeitswelt der Zukunft eine immer größere Rolle spielen.

"Der Roboter ähnelt in Statur und Größe einem Menschen."

Und auch wenn der Roboter nur ein zweiarmiges Konstrukt ist, dessen Körperbau entfernt an eine Nähmaschine erinnert - irgendetwas an den Bewegungen erscheint sehr menschenähnlich. "Natürlich gibt es da eine Ähnlichkeit", sagt Philip Lewin, der bei ABB Robotics arbeitet. "Yumi ist dafür entwickelt worden, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Der Roboter ähnelt in Statur und Größe einem Menschen." Eine Zeichnung dahinter zeigt Yumi am Band, er scheint die Tablets weiterzugeben, die der Mann neben ihm zusammengesetzt hat.

"Ein ähnlicher Anwendungsfall stand am Anfang unserer Entwicklung" sagt Thomas Reisinger, Leiter des Zentrums für kollaborative Montage in Europa. Reisinger arbeitet seit Jahren an der Entwicklung des Roboters. Yumi, eine Namens-Kombination aus dem Englischen you und me, sollten in der Elektro-Kleinmontage eingesetzt werden, also in den Fabriken, in denen Handys, Tablets, Laptops entstehen. Seit gut einem Jahr ist der Roboter nun auf dem Markt. Über die Verkaufszahlen will ABB noch nichts sagen, auch weil die Konkurrenz groß ist. Man sei "sehr zufrieden" heißt es nur.

Auch andere Hersteller haben sich in den vergangenen Jahren auf die Produktion kollaborativer Roboter konzentriert, der Japaner Fanuc etwa oder die deutsche Firma Bosch. Auch hier geht es um Sicherheit: Wenn sich ein Mensch nähert, nehmen das Sensoren frühzeitig wahr und verhindern Zusammenstöße.

Der Schweizer Roboter Yumi aber ist eine Art Aushängeschild der kollaborativen Robotik geworden. Media Markt Schweden verwendete den Helfer sogar schon in einem Werbe-Clip: Als superschnellen Geschenke-Einpacker im Weihnachtsstress. Und ein paar Programmierer aus Taiwan haben Yumi dazu gebracht, Hunderte Papierflieger zu basteln - und fliegen zu lassen.

"Das Schöne an ihm ist, dass er so leicht zu bedienen ist" sagt Lewin. "Wir haben versucht, alles so einfach zu gestalten, dass jeder den Roboter programmieren kann." Die Frau mit dem Tablet in der Hand nickt. Deshalb steht sie im Eingangsbereich des Konzerns: Um jedem, der sich dafür interessiert, zu zeigen, wie einfach es ist, Yumi für sich arbeiten zu lassen. Im Alltag vieler Firmen ist das vermutlich entscheidend: Es braucht keinen speziellen Roboter-Beauftragten. Jeder kann Yumi anlernen. Und umlernen.

"In der Elektronik-Produktion gibt es ständige Produktwechsel mit Lebenszyklen von oft wenigen Monaten," sagt Entwickler Thomas Reisinger. "Yumi soll sich leicht daran anpassen können." Das heißt, der Roboter, der in der Basisversion 36 000 Euro kostet, ist nicht nur an einer Stelle in der Fabrik einsetzbar. Wer merkt, dass Yumi an anderer Stelle besser aufgehoben wäre, programmiert ihn um.

Ulrich Spiesshofer, CEO der Schweizer ABB, muss sich in Bezug auf Yumi vor allem eine Frage stellen lassen: Ob der Roboter Arbeitsplätze vernichtet. Spiesshofer verweist dann stets auf die Länder, die eine hohe Roboter-Dichte haben, etwa Deutschland und Japan, und deren niedrige Arbeitslosigkeit. Auch die anderen ABB-Mitarbeiter wiederholen diese Zahlen wieder und wieder. Letztlich ist allen klar: Ja, Yumi kann Arbeitsplätze ersetzen. Der Roboter wird nicht müde, arbeitet auch bei extremen Bedingungen. Hier liegt vielleicht der größte Vorteil für den Menschen: Yumi kann dort eingesetzt werden, wo giftige Dämpfe, Temperaturschwankungen oder Staub dem Menschen die Arbeit schwer machen oder ihn gefährden.

Kanzlerin Merkel hob beim Treffen mit dem Wesen die Arme schützend vor sich

2015 wurde der Roboter für den Hermes Award nominiert. Eine Auszeichnung dafür, dass Yumi im Umgang mit Menschen überzeugte. "Schauen Sie hier. Da ist nichts, was Ihnen weh tun kann, nichts, wo man sich die Finger einklemmt oder die Hand nicht mehr raus bekommt." Philip Lewin streicht über die Roboter-Arme. Sonst hätte das Unternehmen Yumi wohl niemals in die Nähe von Angela Merkel gelassen.

Beim Kennenlernen sah die Kanzlerin allerdings nicht besonders vertrauensvoll aus. Sie tat das, was alle tun, die Yumi zum ersten Mal begegnen: Sie hielt die Hände schützend in die Luft.

© SZ vom 30.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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