Risiko Kunden-Insolvenz:Schutz aus eigener Hand

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Mittelständler Eisen-Schmidt kümmert sich nicht nur um Baustellen, sondern auch darum, dass seine Kunden zahlen. Das Risiko eines Ausfalls trägt er selbst und spart sich so den Kreditversicherer.

M. Thiede

Den Großhändler Eisen-Schmidt aus Amberg gibt es schon seit 1878. Inzwischen wird das Familienunternehmen in der vierten Generation geführt. Bei Eisen-Schmidt bekommt man so ziemlich alles, was auf Baustellen täglich gebraucht wird: Stahlmatten, Badewannen, Fliesen, Heizkörper oder Schrauben, Beschläge, Stahltüren oder Gitterzäune.

Großhändler Eisen-Schmidt bietet so ziemlich alles, was auf Baustellen aus dem Metall gebraucht wird. Damit seine Kunden die Produkte bezahlen, hat der Händler ein Risikomanagment eingeführt. Eine Versicherung gegen die Ausfälle wäre zu teuer. (Foto: Foto: AP)

Die meisten Kunden von Eisen-Schmidt kommen aus der baunahen Branche, einige aus der Zulieferindustrie für die Automobilbranche. Dem Großhändler, der mehr als hundert Mitarbeiter beschäftigt, geht es gut, aber längst ist die Wirtschaftskrise auch in der Oberpfalz angekommen.

"Unerwartete, abrupte Insolvenzen" stellt Geschäftsführer Ulrich Dorfner seit ein paar Monaten fest - "selbst beste Kunden mit guter Bonität kippen plötzlich um". Der Grund liegt meist darin, dass Firmen von Banken oder Versicherungen in "Sippenhaft" genommen und Kreditlinien gekürzt oder Prämien erhöht werden, nur weil die jeweilige Branche oder Wettbewerber schlecht dastehen.

Trotzdem geht Dorfner jeden Abend ganz entspannt nach Hause, und schlaflose Nächte wegen potentieller Wackelkandidaten unter seinen Kunden plagen den Geschäftsführer auch nicht. Denn er kann seine Risiken jederzeit ganz genau einschätzen. Dorfner führt ein akribisches Kundenmanagement und weiß daher zum Beispiel, dass kein Kunde für mehr als ein Prozent seines Umsatzes steht.

Entspannt, auch ohne Kreditversicherer

Die Risiken sind also breit gestreut. Vor allem aber kann Dorfner ganz entspannt sein, weil er das, was viele seiner Wettbewerber jetzt durchleiden, schon hinter sich hat: Ihm kann es nicht passieren, dass sein Kreditversicherer, weil er nun häufiger einspringen muss, die Prämien für Neuabschlüsse drastisch hochsetzt - Eisen-Schmidt hat nämlich gar keine Kreditversicherungen.

Früher war das anders; das Risiko für Ausfälle trug Eisen-Schmidt nicht selbst, sondern er versicherte es - bis er plötzlich feststellen musste, dass die Kosten den Nutzen überstiegen hatten. So sah die Rechnung aus: 2003 musste Eisen-Schmidt uneinbringbare Forderungen von ungefähr 140.000 Euro ausbuchen. Für seine Kreditversicherung hatte er damals etwa 90.000 Euro bezahlt.

Rechnet man den Eigenanteil von 20 Prozent dazu, hatte er also Kosten von rund 120.000 Euro. Damals ging es der Bauindustrie schlecht, und Großhändler wie Eisen-Schmidt hatten unter hohen Schadensquoten zu leiden. Als sein Kreditversicherer dann - wie es üblich ist, wenn die Schäden sich häufen - mit einer drastischen Prämienerhöhung ankam, war die Schmerzgrenze erreicht.

Risiken selbst messen

Jörg Seelmann-Eggebert kennt solche Fälle zu Genüge. Er ist Berater bei der Firma SHS Viveon, die sich unter anderem auf das Thema Kundenrisikomanagement spezialisiert hat. SHS Viveon unterstützt zum Beispiel Firmen beim Prüfen von Neukunden oder im Forderungsmanagement.

Die Berater von SHS Viveon bringen ihren Klienten bei, wie sie ihre Risiken selbst messen und einschätzen können. So wird zum Beispiel neben der klassischen Buchhaltung eine Software eingeführt, die wie ein Frühwarnsystem auf mögliche Risiken hinweist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Mitarbeiter von Eisen-Schmidt auf die Autos ihrer Kunden achten.

Dort fließen Handelsregister-Informationen ein, die Daten von Auskunfteien oder auch die Zahlungserfahrungen anderer Firmen. Wenn zum Beispiel bei einem Kunden drei Mal in kurzer Zeit der Geschäftsführer wechselt, bleibt das nicht mehr verborgen und kann hinterfragt werden.

Früher, sagt Seelmann-Eggebert, hatte er vielleicht drei Termine im Monat. Inzwischen bekomme er täglich neue Anfragen von Firmen, die bisher Warenkreditversicherungen abgeschlossen hatten, sich das jetzt aber, nach Prämienerhöhungen von bis zu 100 Prozent, nicht mehr leisten können.

"Abwehrprämien" der Versicherer

In manchen Branchen, heißt es, sei nur noch von den "Abwehrprämien" der Versicherer die Rede, die den Firmen das Leben schwermachten. Unternehmen wie SHS Viveon bescheren diese "Abwehrprämien" allerdings ein florierendes Geschäft.

Im Grunde bringe er seinen Klienten bei, dasselbe zu tun wie die Kreditversicherer, sagt Seelmann-Eggebert: Den Kunden zu verstehen. Der Unterschied sei nur, dass die Versicherung bei sinkender Bonität die Prämie erhöht.

In guten Zeiten, sagt Seelmann-Eggebert, könne eine Firma es sich vielleicht leisten, keine Gedanken auf die "Schlechtzahler" zu verschwenden, aber "in schlechten Zeiten sollte man seine Pappenheimer kennen". Dafür gibt es auch noch einen anderen Grund: "In wirtschaftlichen Krisenzeiten steigt die kriminelle Energie", erklärt er.

Gaunereien durchkreuzen

Bei guter Informationslage könne aber so manche Gaunerei, die ein unbekannter Neukunde vielleicht im Sinn habe, durchkreuzt werden. Deshalb sieht Seelmann-Eggebert in der aktuellen Krise auch Positives für die Unternehmen: Wenn eine Firma zu viele Risiken versichert, findet er, verliert sie das Gefühl für ihre Kunden. "Jetzt sind die Firmen gezwungen, Risiken selbst zu verstehen und zu managen."

Bei Eisen-Schmidt in Amberg begann eine neue Ära, als man sich vor sechs Jahren von der Kreditversicherung verabschiedete. Mit spezieller Software und Hilfe durch die Berater von SHS Viveon wurde das Debitoren-Management des Großhändlers auf neue Füße gestellt. Die Firma erfuhr, wie sie ihre Kunden besser kennenlernen und die Risiken besser einschätzen konnte.

"Das Denken in den Köpfen ist heute anders", sagt Geschäftsführer Dorfner. Früher wurden auch Kunden beliefert, von denen er im Grunde ganz genau wusste, dass sie eine schlechte Bonität hatten. Es gab ja die Versicherung, hatte er dabei stets im Hinterkopf gehabt. Heute beurteilt er das anders: Die Versicherung sei vom einzelnen Kunden viel zu weit weg, oder sie könne nur branchenweise Einschätzungen abgeben.

Nun funktioniert das System so: In einer Mischung aus Software und der neuen "Denke" werden interne und externe Daten zusammengeführt und unterschiedlich gewichtet. Daraus lassen sich dann Rückschlüsse auf den einzelnen Kunden ziehen.

Passat statt dicker Mercedes? Alarm!

Oder es wird konsequenter und persönlich nachgefragt: Warum wird eine Rechnung nicht bezahlt? Auch der Außendienst ist eingebunden. Wenn Dorfner zum Beispiel erfährt, dass ein Kunde seinen dicken Mercedes gegen einen Passat eintauscht, weil er ein "günstiges Angebot" eines Käufers aus der Ukraine bekommen hat, läuten bei ihm die Alarmglocken.

Dorfner sagt, dass die Schadensquote bei Eisen-Schmidt jetzt viel niedriger sei als früher. Vor zwei Jahren wollte eine Versicherung ihn wieder als Kunden gewinnen und unterbreitete ein günstiges Angebot. Der Mittelständler hat dankend abgelehnt - er wolle "nicht wieder in die alte Denke kommen".

© SZ vom 30.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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