Reiserecht:Ohne Rücksprache

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Bei Problemen mit Pauschalurlauben müssen Touristen den Veranstalter informieren, damit der Abhilfe schaffen kann. Allerdings gibt es Fälle, bei denen Reisende selbst Ersatzflüge buchen können. Der BGH hat entschieden.

Von WOLFGANG JANISCH, Karlsruhe

Urlaubserlebnisse dieser Art wird man in diesen Wochen vermutlich wieder auf vielen Flughäfen der Welt besichtigen können. Eine Familie mit zwei Kindern hatte vor dem Rückflug aus dem Türkeiurlaub im Oktober 2014 erfahren, der Flug von Antalya werde sich verzögern und sie zudem nicht nach Frankfurt bringen, sondern nach Köln - was inklusive Bustransfer sechseinhalb Stunden Verspätung bedeutet hätte. Die Urlauber buchten kurzerhand einen Ersatzflug - und wären um ein Haar auf den Mehrkosten von gut 1200 Euro sitzen geblieben: Amts- und Landgericht hatten ihre Klage abgewiesen, weil sie beim Reiseveranstalter zunächst Abhilfe hätten verlangen müssen, und zwar mit Fristsetzung.

Beim Bundesgerichtshof (BGH) hatten sie nun doch noch Erfolg: Sie durften den Flug auch ohne Rücksprache buchen und bekommen nun die Kosten erstattet (Az: X ZR 96/17). Zwar müssen Pauschalreisende nach den Vorschriften des Reiserechts tatsächlich erst beim Veranstalter auf Abhilfe dringen, bevor sie selbst zur Tat schreiten. So steht es in den bisherigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auf deren Grundlage der BGH zu entscheiden hatte - und ebenso im neuen, seit wenigen Tagen gültigen Reiserecht. "Es ist bei der Anzeigepflicht vor Ort geblieben", sagt Rechtsanwältin Stefanie Risse, eine Fachfrau für Reiserecht. Allerdings hatte der Veranstalter im konkreten Fall die Kunden nicht deutlich genug auf diese Anzeigepflicht hingewiesen - obwohl hier Transparenz vorgeschrieben ist. Die Folge: Der Veranstalter kann den Ersatzanspruch schon deshalb nicht abblocken.

Es ist also letztlich ein formeller Fehler des Veranstalters, der den Urlaubern hier einen Rückzahlungsanspruch beschert - die unzureichende Aufklärung über ihre Rechte. Zu einem viel interessanteren Problem hat der BGH deshalb hier nichts gesagt - nämlich zur Frage, ob es einer Familie abends auf dem Flughafen in Antalya überhaupt noch zuzumuten ist, beim Veranstalter um Hilfe zu bitten und womöglich zu riskieren, dass auch der letzte Flug noch weg ist. Nach den bisher gültigen Vorschriften musste sich der Urlauber nicht in allen Fällen auf diesen umständlicheren Weg einlassen, sondern konnte ohne weitere Frist zur Selbsthilfe schreiten, wenn "die sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten" ist.

Seit dem 1. Juli ist die Vorschrift, europäisch harmonisiert, durch einen neuen Paragrafen ersetzt worden - der aber nach Einschätzung von Stefanie Risse die Kunden in diesem Punkt sogar noch besser stellt. Tatsächlich ist dort nicht mehr von "besonderen Umständen" die Rede, sondern nur noch davon, dass sofortige Abhilfe "notwendig" sein muss. "Damit kann sich der Kunde vermutlich noch häufiger darauf berufen, dass eine Mängelanzeige entbehrlich war", erläutert die Anwältin. Allerdings müsse man abwarten, wie sich künftig die Rechtsprechung des BGH in diesem Punkt entwickle.

Apropos neues Reiserecht: Nach Risses Worten bringen die neuen Regeln, die auf die EU-Pauschalreiserichtlinie zurückgehen, den Kunden nicht in allen Punkten Vorteile. Geändert habe sich vor allem die Definition der "Pauschalreise" - allein dafür gelten die dort festgeschriebenen Kundenrechte. Die Buchung einer Ferienwohnung etwa gelte fortan nicht mehr als Pauschalreise. Entbrennt dort ein Streit darüber, ob der Urlauber erst einmal die, sagen wir, Reparatur der sanitären Anlagen anmahnen muss oder kurzerhand umbuchen darf, gelten andere, strengere Regeln.

Zudem erleichtern es die neuen Vorschriften den Veranstaltern, unter bestimmten Voraussetzungen die Preise anzuheben oder die Flugzeiten zu ändern.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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