Berlin (dpa) - Entscheidet die Ampel-Koalition noch vor Jahresende, wofür im nächsten Jahr Geld ausgegeben wird? Heute trafen sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) für eine weitere Verhandlungsrunde - Ende offen. Sicher ist: Der Zeitrahmen für eine mögliche Einigung wird immer enger.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit zeigte sich weiter verhalten optimistisch. Zumindest das Bundeskabinett werde vor Weihnachten wohl noch über die Pläne beraten. „Davon gehe ich sicher aus“, sagte Hebestreit in Berlin. Doch dass der Etat auch im Bundestag und im Bundesrat noch rechtzeitig beraten werden kann, wird von Tag zu Tag unwahrscheinlicher.
Kabinettsbefassung am Mittwoch verpasst
Intern hatte man ursprünglich die Kabinettssitzung am Mittwochvormittag angepeilt: Bis dahin sollte eine Einigung stehen, um ein geordnetes Verfahren vor Weihnachten zu ermöglichen. Doch am Morgen war klar: Das wird nichts. Die Gespräche müssen weitergehen.
Ein Beschluss im Bundeskabinett ist allerdings auch im Umlaufverfahren, also auf schriftlichem Weg möglich. Hebestreit stellte „sehr bald“ ein Ergebnis in Aussicht. Auf den Tag könne er sich aber nicht festlegen. Er habe gelernt, dass in dieser Koalition immer eine gewisse zeitliche Flexibilität nötig sei.
Nach einem Kabinettsbeschluss braucht auch der Haushaltsausschuss des Bundestags noch mehrere Tage, um sich mit den möglicherweise neuen Plänen zu befassen, bevor das Parlamentsplenum abschließend beraten kann. Idealvorstellung ist aktuell eine Sonder-Haushaltswoche im Bundestag direkt vor Weihnachten. Der Bundesrat könnte die Pläne dann am 22. Dezember billigen. Denkbar wäre aber auch, dass nur der Haushaltsausschuss vor Weihnachten noch berät - und der Bundestag den Etat dann erst im Januar beschließt.
Diese Woche nur noch wenig Verhandlungszeit
Voraussetzung ist aber eine grundlegende politische Einigung. Und auch dafür muss erst einmal Zeit freigemacht werden. Denn die Kalender des Kanzlers und der Minister sind voll - auch wenn Habeck auf seine für diese Woche geplant Reise zur Weltklimakonferenz in Dubai verzichtete.
Lindner wird am Donnerstagnachmittag zum Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel erwartet. „Stand jetzt wird er fahren“, sagte eine Sprecherin seines Ministeriums. Ab Freitag trifft sich die SPD dann zu ihrem dreitägigen Bundesparteitag - Scholz soll dort am Samstag reden.
Entstanden ist der Druck durch das Karlsruher Haushaltsurteil. Das höchste deutsche Gericht erklärte eine Umschichtung im Haushalt für nichtig. Dadurch fehlen nicht nur 60 Milliarden Euro, die über vier Jahre für Klimaschutz-Vorhaben und die Modernisierung der Wirtschaft eingeplant waren. Der Richterspruch wirkte sich auch auf verschiedene kreditfinanzierte Sondertöpfe aus, denn es ist nun klar, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen darf.
Im Haushalt für das kommende Jahr klafft nun ein Loch von 17 Milliarden Euro. Laut Lindner liegt das aber nicht nur am Urteil, sondern beispielsweise auch an der geplanten Senkung der Stromsteuer zur Entlastung des produzierenden Gewerbes und dem erhöhten Niveau der Grundsicherung.
Grüne: Kein Sparen bei den Ärmsten
Im Gespräch sind nun Einsparungen auf diversen Feldern und auch die erneute Aussetzung der Schuldenbremse für 2024. Die bisherigen Argumente für diese scheinbar einfache Lösung mit Beschluss einer Notlage im Bundestag überzeugten ihn noch nicht, bekräftigte Lindner in einem am Dienstagabend verbreiteten Interview des BR. Dafür plädieren aktuell SPD und Grüne.
Grünen-Chefin Ricarda Lang warnte im BR, die Modernisierung des Landes und die Entwicklung hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft dürften nicht gestoppt werden. „Denn dabei geht es ja um nichts anderes als Arbeitsplätze, Wohlstand und Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger.“
Es werde nur Lösungen geben, wenn sich jeder der drei Partner bewege. Es gehe darum, eine Staatskrise zu verhindern. Rote Linie für die Grünen sei aber, bei den Ärmsten zu sparen. Lindner hingegen sieht Sparpotenzial weiter bei den Sozialausgaben, für den der Bund 45 Prozent seiner Ausgaben aufwendet. Zugleich betonte er: „Steuererhöhungen müssen ausgeschlossen bleiben.“
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