Regelung der Milchquote:Die Illusion der Bauern

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Die Milchbauern träumen sich eine Welt zusammen, die es so nicht gibt. Europa kann sich einfach nicht vom Rest der Welt abschotten, um die Milchpreise zu stabilisieren.

Daniela Kuhr

Es ist wieder so weit. Die Milchbauern greifen zu dem drastischsten Mittel, das sie haben, um auf ihre Not aufmerksam zu machen: Sie schütten ihre Milch weg. Viele Millionen Liter sind auf dem Acker oder im Gulli versickert. Am Donnerstag versprach die EU-Kommission endlich weitere Hilfen. Sie werden die Situation sicher ein wenig verbessern, auf die Kernforderung der Bauern aber nach einem grundlegenden Kurswechsel in der Agrarpolitik ist die EU-Kommission wieder nicht eingegangen. Im Gegenteil, EU-Kommissarin Mariann Fischer Boel bekräftigte erneut, den Milchmarkt liberalisieren zu wollen.

Aus Sicht der Bauern ist dieses Ziel die Ursache für all ihre Probleme. Seit die Kommission den Bauern erlaubt, mehr Milch zu produzieren, sind die Preise stark gefallen; so stark, dass die Landwirte ihre Kosten nicht mehr decken können. Immer mehr denken ans Aufgeben. Dabei wäre die Lösung so einfach, so glauben die Milchbauern. Wenn Europa sich weniger am Weltmarkt orientieren würde, sich stattdessen darauf konzentrierte, die eigene Bevölkerung zu versorgen, dann wäre alles gut. Die Landwirte würden sich absprechen und nur noch so viel Milch liefern, wie gerade benötigt wird. Der Preis würde sich erholen, und sie könnten endlich von dem leben, was sie verkaufen. Die vielen EU-Beihilfen wären nicht mehr nötig oder zumindest nicht in dem Ausmaß wie jetzt. Das würde den Steuerzahler entlasten, und alle Probleme wären gelöst.

Warum nur will die EU-Kommission das nicht einsehen? Ganz einfach: Weil es eine Illusion ist. Die Milchbauern träumen sich eine Welt zusammen, die es so nicht gibt. Vor vielen Jahren war es vielleicht möglich, dass eine Region sich abkapselt und nur für sich wirtschaftet, ohne Nachteile zu erleiden. Heute aber ist das undenkbar. Europa ist keine Insel, die sich lossagen kann vom Welthandel. Würden die Bauern tatsächlich nur noch so viel liefern, wie momentan nachgefragt wird, dann könnte sich der Preis zwar erholen, allerdings nur, wenn Drittländer zugleich davon abgehalten würden, ihrerseits Europa mit billigen Milch- und Käseprodukten zu beliefern. Die EU bräuchte einen Außenschutz, etwa in Form von Importzöllen, die der Welt signalisieren würden: Eure Milch und euer Käse sind hier unerwünscht.

Man muss kein Volkswirt sein, um sich die Reaktion auszumalen. Mit Sicherheit dürften die Europäer den Käse, den sie bislang tonnenweise exportieren, in Zukunft selbst essen. Vermutlich wären auch andere als landwirtschaftliche Produkte nicht mehr so willkommen im Ausland. Drittländer würden beginnen, sich ebenfalls zu schützen. Und das, obwohl alles darauf hindeutet, dass der Milchpreis langfristig wieder steigt - schon allein deshalb, weil weltweit die Zahl der Menschen zunimmt, die Milchprodukte nachfragen. Solange sich an dieser Prognose nichts ändert, hat die EU keinen Grund, ihren Kurs zu überdenken. Im Gegenteil: Gäbe sie ihn auf, würde das die Probleme nur verstärken.

Auch von einer weiteren Idee sollten sich die Landwirte verabschieden: dass ein höherer Milchpreis der beste Weg aus ihrer Misere ist. Ein höherer Preis würde vor allem die Menschen treffen, die viel Milch und Käse kaufen, also etwa Familien mit Kindern. Bauern leisten aber weit mehr, als nur die Bevölkerung mit Milch zu versorgen. Sie pflegen die Landschaft und schützen mit dem Grünland die Umwelt. Wer sich in Deutschland erholen will, den zieht es aus gutem Grund in Gegenden mit viel Landwirtschaft. Warum also sollte allein der Milch- und Käsekonsument dafür bezahlen, dass in Bayern weiterhin Kuhglocken läuten?

Die Arbeit der Bauern dient nicht nur den Verbrauchern, sie ist von unschätzbarem Wert für die gesamte Gesellschaft. Und deshalb ist es völlig in Ordnung, wenn die Landwirte für spezielle Leistungen, die allen zugute kommen, auch in Zukunft Steuergelder erhalten.

© SZ vom 18.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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