Recycling:Mit Mehrweg-Wurstverpackung gegen Umweltverschmutzung

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Jetzt gibt es die Wurst auch unverpackt - zumindest in einem Testmarkt in Büsum. (Foto: mauritius images)
  • Der Handelskonzern Edeka testet ein neues Konzept, das den Plastikmüll vermeiden soll.
  • In einer Filiale in Schleswig-Holstein können Kunden künftig Wurst und Käse in einer Mehrwegdose kaufen. Später könnten weitere Märkte folgen.
  • Umweltschützer hoffen, dass der Vorstoß auch andere Unternehmen zum Umdenken bringt.

Von Marlene Thiele, München

"Zero Waste", der Verzicht auf Abfall, ist der neueste Ökotrend: Gemüse ins Gemüsenetz, Spaghetti in die Mehrwegdose, Nüsse ins Einmachglas. Was in speziellen Unverpackt-Läden funktioniert, ist im herkömmlichen Supermarkt unmöglich. Bis auf einige Früchte und Gemüsesorten ist alles verpackt, manche Waren sind sogar mehrfach eingeschweißt. Auch an der Frischetheke gibt es die geschnittenen Scheiben nur als Päckchen aus Folie und Papier.

In einer Edeka-Filiale im schleswig-holsteinischen Büsum ändert sich das nun: Künftig können Kunden an der dortigen Bedientheke Wurst und Käse in einer Mehrwegdose kaufen. Einmalig muss die Dose bezahlt werden, danach kann sie bei jedem Einkauf abgegeben und durch eine gereinigte Dose ersetzt werden. So stellt Edeka sicher, dass die Mehrwegdosen stets den hygienischen Vorschriften entsprechen und keine verunreinigten Boxen mit der Ware in Berührung kommen.

"Das neue System ist einfach, praktisch und hilft dabei, Einwegverpackungen aus Plastik oder Papier zu vermeiden", so Rolf Lange, Sprecher der Edeka-Zentrale. Bei dem Vorstoß handelt es sich um ein Pilotprojekt, entwickelt aus verschiedenen Systemen, die bereits in anderen Edeka-Märkten eingesetzt werden. So gibt es in einer Filiale in Lüneburg schon seit 2016 austauschbare Frischeboxen, die laut Inhaberin Meike Bergmann "begeistert" angenommen wurden. Das Konzept wurde nun von der Edeka-Zentrale und dem WWF auf alle lebensmittelrechtlichen Vorgaben überprüft, um es später flächendeckend einzusetzen.

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Seit 2012 kooperiert Edeka mit der Umweltorganisation WWF. Das Ziel ist, den ökologischen Fußabdruck des Einzelhändlers deutlich zu reduzieren, indem nachhaltiger mit Ressourcen wie Wasser und Energie umgegangen wird und mehr umweltverträgliche Produkte ins Sortiment aufgenommen werden. Seit 2015 steht auch die Vermeidung von Verpackungsmüll auf der Agenda, zum Beispiel durch Mehrwegsysteme wie an der Wursttheke in Büsum.

"Das ist eine längst überfällige Lösung", sagt Sandra Schöttner von der Umweltorganisation Greenpeace. "Endlich lässt sich der Handel etwas einfallen, um den Plastikmüll zu reduzieren." Dass die Mehrwegdosen ebenfalls aus Plastik sind, ist für die Meeresbiologin zweitrangig. Viel wichtiger sei, dass sich überhaupt etwas tue, und zwar gerne auch an den Fisch- und Fleischtheken oder an den Salatbars. "Der Verbraucher muss seinen Einkauf dann natürlich etwas vorausschauender planen, aber ein bisschen Selbstdisziplin gehört eben auch dazu." Schöttner hofft, dass so ein Vorstoß auch andere Märkte dazu bringt, etwas gegen die vielen Verpackungen zu tun.

Einige Konzepte gibt es bereits: Seit April können Kunden an der Frischetheke von Tegut-Märkten sogar mit der eigenen Mehrwegdose einkaufen. Sie stellen die geöffnete Box auf ein Tablett, sodass weder die Ware noch Theke oder Verkäufer mit ihr in Berührung kommen. So wird die erforderliche Hygiene gewährleistet.

Nachhaltigkeit wird immer mehr zum Trendthema der gesamten Branche. Die Unternehmen präsentieren offen ihre Strategie und informieren jährlich, welche Fortschritte sie gemacht haben. Zum Beispiel setzten viele Händler in den Filialen vermehrt auf Ökostrom, erhöhten das Angebot an regionalen und Bioprodukten und ersetzten Einkaufstüten aus Plastik nach und nach durch wiederverwendbare Alternativen. Für loses Obst und Gemüse liegen bei den meisten Einzelhändlern weiterhin Knotenbeutel aus Kunststoff bereit.

Es muss noch viel passieren, um den hohen Einsatz von Verpackungen in den Supermärkten einzudämmen. Denn die Deutschen produzieren immer noch mehr und mehr Müll. 18,6 Millionen Tonnen Verpackungsabfall seien im Jahr 2016 angefallen, berichtete das Umweltbundesamt (UBA) vergangene Woche. Das entspricht durchschnittlich 220,5 Kilogramm pro Einwohner und Jahr. Gemessen an den aktuellsten Vergleichswerten aus dem Jahr 2015 verbraucht Deutschland damit so viel wie kein anderes Land in Europa. Knapp die Hälfte davon verursachen private Haushalte. Im Jahr 2016 wurden nur 70 Prozent der Abfälle recycelt. Gerade Plastikmüll hat mit nur 49,7 Prozent eine vergleichsweise schlechte Recyclingquote.

Die Menschheit nutzt die Natur schneller, als die Ökosysteme sich regenerieren

Wie dringend der Handlungsbedarf ist, zeigte auch der globale Earth Overshoot Day, der Weltüberlastungstag, am Mittwoch dieser Woche. Das ist der Tag, an dem die Erde rein rechnerisch bereits die Menge an Ressourcen aufgebraucht hat, die eigentlich für ein ganzes Jahr reichen sollten. Doch die Menschheit nutzt die Natur 1,7 Mal schneller, als die Ökosysteme sich regenerieren können. Entsprechend ihrer Verhältnisse bräuchte die Weltbevölkerung inzwischen 1,7 Erden. Der Mehrverbrauch ist möglich, weil unter anderem mehr CO₂ in die Atmosphäre gestoßen wird, als Ozeane und Wälder aufnehmen können, weil schneller gefischt wird, als Fischbestände sich erholen können und weil mehr Bäume gefällt werden, als nachwachsen können.

Der Earth Overshoot Day wird seit 1987 von der Forschungsorganisation Global Footprint Report ermittelt. Sein Datum verschiebt sich jedes Jahr ein bisschen nach vorn. Die Organisation ermittelt den Weltüberlastungstag auch für einzelne Länder. In Deutschland war er schon Anfang Mai - wäre die Weltbevölkerung so verschwenderisch wie Deutschland, dann bräuchte sie drei Erden.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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