Nachhaltigkeit:"Wo es Plastik gibt, wird der Mensch Plastik kaufen"

Trinkhalme aus Plastik: Die EU-Kommission möchte Plastikmüll deutlich reduzieren und droht mit Verboten.

Die EU-Kommission will Einwegprodukte wie Trinkhalme aus Plastik aus Europas Regalen verbannen.

(Foto: dpa)

Die EU-Kommission will Einwegprodukte aus Kunststoff wie Strohhalme oder Wegwerfgeschirr verbieten. Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Plastikmüll, findet Forscher Georg Mehlhart.

Interview von Vivien Timmler

Die EU-Kommission präsentiert an diesem Montag ihre Pläne zum Verbot von Produkten aus Einwegplastik. Sie will erreichen, dass Wegwerfgeschirr, Strohhalme und Plastikbesteck künftig aus dem Alltag der Europäer verschwinden. Diese und weiteren Maßnahmen sollen langfristig den Plastikmüll in den Weltmeeren reduzieren. Bleibt sie nah an ihrem bisherigen Entwurf, könnte der Plan der Kommission tatsächlich funktionieren, sagt Georg Mehlhart, der am Darmstädter Standort des Freiburger Öko-Instituts zum Thema forscht.

SZ: Herr Mehlhart, wie sinnvoll ist ein Verbot von Einwegplastik-Produkten?

Georg Mehlhart: Es ist auf jeden Fall ein erster und wichtiger Schritt. Natürlich erfasst es nur einen Teil des Kunststoffs auf der Welt und wird das Problem mit Plastik in den Ozeanen nicht im Alleingang lösen. Aber gerade wenn man auf ganz Europa schaut, wo die Abfallwirtschaft teilweise deutlich schlechter funktioniert als in Deutschland, kann das Verbot wirklich etwas bewirken.

Inwiefern? Für den Verbraucher verschwinden ja erst einmal nur ein paar Produkte aus den Regalen.

Vordergründig ja, aber der vorgelegte Entwurf der Kommission geht noch viel weiter. Zeitgleich mit dem Verbot soll eine Herstellerverantwortung für Einwegplastik eingeführt werden, wie es sie bislang nur für Verpackungen gibt. Die Hersteller wären dann auch über den Kauf hinaus für ihre Produkte verantwortlich.

Was heißt das konkret?

Das betrifft vor allem die Folgekosten. Nehmen wir zum Beispiel die globale Meeresverschmutzung: Überall auf der Welt wird Plastikmüll von Stränden gesammelt oder aus Ozeanen gefischt. Momentan weiß niemand so recht, wer die Kosten dafür zu tragen hat - und genau da kann die Herstellerverantwortung greifen. Wenn die Konzerne plötzlich für genau so etwas zahlen müssten, würde sich das Geschäft weniger lohnen und sie würden darüber nachdenken, andere Produkte auf den Markt zu bringen. Und im Idealfall würde sich auch ihre Haltung ändern.

Einige Hersteller haben bereits angekündigt, gegen ein Verbot von Einwegplastik vorgehen zu wollen. Tetra Pack beispielsweise kämpft vehement für den Plastikstrohhalm.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das etwas bringen wird. Plastikmüll zu reduzieren findet eine wahnsinnig große Zustimmung in der Bevölkerung, und das europaweit. Selbst diejenigen, die Kunststoff im Alltag nicht aktiv vermeiden, wollen die Meere schützen. Da werden Lobbytätigkeiten von Einzelnen nicht ziehen - vor allem, wenn es für Produkte wie den Plastikstrohhalm längst adäquaten Ersatz gibt.

Es gibt die Befürchtung, dass die Hersteller ihre Produkte dann einfach aus Biokunststoffen produzieren, die ökologisch gar nicht so viel besser sind.

Diese Befürchtung ist unbegründet. Einwegplastik bleibt Einwegplastik, egal ob es aus erneuerbaren oder fossilen Rohstoffen hergestellt wird. Viele sogenannte Biokunststoffe sind in der Umwelt ebenfalls sehr schlecht abbaubar. Wenn es Kunststoffe gäbe, die ähnlich abbaubar wären wie Papier, dann wäre das etwas anderes. Es gibt zwar Bemühungen, einheitliche Standards für die Abbaubarkeit zu etablieren, aber das steht alles noch am Anfang. Soweit ich das sehe, wird es daher keine Ausnahme für Biokunststoffe geben, die das Verbot verwässern könnte.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

Warum braucht es ein solches Verbot überhaupt? Ist der Mensch nicht selbst in der Lage, auf Einwegplastik zu verzichten?

Der Punkt ist: Kunststoffe sind in der Produktion extrem günstig. Was auch daran liegt, dass die langfristigen Kosten für die Umwelt bislang gar nicht berücksichtigt werden. Eine Institution wie die EU-Kommission kann zwei Dinge tun: Sie kann eine hohe Abgabe draufschlagen - oder aber die Produkte gleich verbieten. Viele Konsumenten finden Einweg-Artikel aber schlicht praktisch. Wo es Plastik gibt, wird der Mensch also weiter Plastik kaufen. Daher das Verbot.

Bewirkt ein Verbot wie das der EU-Kommission dann überhaupt etwas? Die Verschmutzung der Meere wird ja nicht nur in Europa verursacht, sondern vor allem im asiatischen Raum.

Natürlich werden die großen Plastikstrudel in den Weltmeeren nicht unbedingt aus Osnabrück gefüttert. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass eine solche Initiative auch global zur Kenntnis genommen wird. Ein Plastikverbot hätte also eine Wirkung über Europa hinaus. Natürlich ist die Situation in Asien noch eine ganz andere, aber auch da ändern sich die Rahmenbedingungen gerade sehr schnell, vor allem in China. Und da kann ein solches Verbot ein gutes Vorbild sein.

In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Georg Mehlhart am "Institut für angewandte Ökologie" forscht. Dies ist missverständlich. Mehlhart forscht am "Öko-Institut e. V. - Institut für angewandte Ökologie", oeko.de. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Umweltdienstleister "Institut für angewandte Ökologie", ifoe.eu.

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