Rechnungshof:"Warnsignale übersehen"

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Die Behörde kritisiert die Brüsseler Rettungspolitik scharf. Die Kommission habe "die Staatshaushalte der Länder robuster eingeschätzt, als sie in Wirklichkeit waren". Auch bei der Selbstreflexion hapere es.

Von Alexander Mühlauer und Bastian Brinkmann, Brüssel/München

Der Europäische Rechnungshof hat die Rettungspolitik der EU-Kommission in der Finanz- und Euro-Krise scharf kritisiert. Die Brüsseler Behörde habe vor den Turbulenzen an den Finanzmärkten "Warnsignale übersehen", heißt es in einem Sonderbericht. Die Kommission habe "die Staatshaushalte der Länder robuster eingeschätzt, als sie in Wirklichkeit waren". Auch während des Krisenmanagements sei es zu Fehlern gekommen. Die Kommission habe zu Verfahren gegriffen, die "im Allgemeinen unzulänglich" gewesen seien. So habe die Behörde "ein recht schwerfälliges Prognoseinstrument" genutzt.

Auch bei der Selbstreflexion haperte es demnach gewaltig. "Eine allgemeine Schwäche war die fehlende Dokumentation", heißt es in dem Report. "Das Verfahren war nicht darauf ausgerichtet, in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen zu bewerten." Das habe sich auch nicht gebessert, nachdem der Zeitdruck nachgelassen habe. Selbst für die jüngsten Krisenprogramme würden wesentliche Dokumente fehlen. Manche Regierungen hätten im Gegenzug für die Notkredite härtere Auflagen bekommen als andere, meinen die Rechnungsprüfer. Fazit: "Die einzelnen Länder wurden nicht gleich behandelt." Die uneinheitliche Vorgehensweise sei aber "nur schwer durch spezifische nationale Umstände zu rechtfertigen".

Auch eine andere Institution wird kritisiert: die Europäische Zentralbank. Die EZB berät die Kommission, wie viele Schulden eine Regierung aufnehmen oder wie schnell sie ihr Haushaltsdefizit abbauen soll. Dabei habe die EZB aber nicht alle internen Berechnungen weitergeleitet, als es etwa um die Haftungsfrage bei Finanzinstituten in Irland ging. "Beispielsweise informierte die EZB die Kommission nicht über ihre internen Beratungen zur Lastenteilung mit Inhabern vorrangiger Schuldtitel bei der Umstrukturierung der irischen Banken", heißt es in dem Sonderbericht.

Die EU-Kommission darf am Ende des Reports zu den Kritikpunkten Stellung nehmen. Sie weißt die Vorwürfe zurück. Die Kommission habe "nicht in einem Vakuum" gearbeitet. Ihre Maßnahmen seien "in einen komplexen institutionellen Rahmen eingebettet" gewesen. Das berücksichtige der Rechnungshof nicht angemessen. Zudem sei die Europäische Kommission ja nicht alleine die Managerin der Euro-Krise gewesen.

© SZ vom 27.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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