Raumstation:In einem ganz speziellen Klub

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(Foto: privat)

Alexander Gerst, Astronaut auf der ISS, kämpfte mit Grenzen - seinen eigenen.

Von ALEXANDER STIRN

Mit Grenzübertritten kennt sich Alexander Gerst aus. Ungezählte Male ist der deutsche Geophysiker von Russland in die USA gereist und wieder zurück. Ganz ohne Reisepass. Ganz ohne Kontrollen. Diese Freizügigkeit lag an Gersts Arbeitsplatz: Knapp sechs Monate hat der deutsche Astronaut im Jahr 2014 auf der Internationalen Raumstation ISS verbracht - einem orbitalen Außenposten, den zur Hälfte die Russen und zur Hälfte die Amerikaner betreiben. Theoretisch gilt auf der einen Seite russisches, auf der anderen US-Recht.

In der Praxis hat das noch keinen Kosmonauten oder Astronauten gestört. Drei Monate nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine startete Gerst mit einem Russen und einem Amerikaner ins All. Auf die Situation angesprochen, umarmten sich die Drei demonstrativ. Das hat pragmatische Gründe, da derzeit nur die Russen Menschen zur ISS befördern können, aber auf US-Dollar angewiesen sind. Doch dahinter steckt mehr: Die Reise ins All, die Raumfahrer an die Schwelle des technisch und körperlich Machbaren führt, schweißt zusammen. Wer sich in die enge Kapsel an der Spitze einer Rakete quetscht, wer in einer schwerelosen Wissenschafts-WG mit 28 000 Stundenkilometern um den Globus rast und wer bei der Rückkehr zur Erde mit dem Fünffachen des Körpergewichts in seinen Sitz gepresst wird und dann "wie bei einem kleinen Verkehrsunfall" (Gerst) auf dem Boden aufprallt, der gehört zu einem ganz speziellen Klub. Da werden Nationalitäten unwichtig.

Zwei Jahre hat Gerst für seine Mission trainiert - in Köln und Japan, im texanischen Houston und im Sternenstädtchen vor den Toren Moskaus. Dort wurde er in einer der größten Zentrifugen der Welt herumgeschleudert, das Überlebenstraining findet bei minus 20 Grad Celsius und hüfthohem Schnee statt. Das seien für Gerst nicht die größten Herausforderungen gewesen, sondern die sprachlichen: Binnen weniger Monate musste er Russisch lernen. "Das war wirklich hart. Da belastet man sein Gehirn bis zur Grenze."

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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