Raumfahrt:Ritt auf dem Drachen

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And lift-off: Die Falcon 9-Rakete mit den Astronauten Doug Hurley and Bob Behnken an Bord hebt in Cape Canaveral ab. (Foto: David J. Phillip/AP)

Elon Musks Firma Space-X fliegt Nasa-Astronauten ins All - für die US-Weltraumbehörde ist es ein wichtiger Schritt in Richtung kommerzielle Raumfahrt.

Von Dieter Sürig, München

Nicht nur der Start der ersten Astronauten mit Space-X ist historisch, auch die Umstände muten so an. Als die Raumfahrer Bob Behnken, 49, und Doug Hurley, 53, am Samstag in ihre Kapsel Crew Dragon stiegen, waren in den US-Metropolen gerade Tausende Demonstranten unterwegs, um gegen den Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis bei einem brutalen Polizeieinsatz zu protestieren. Bei Älteren wurden Erinnerungen an die Proteste gegen den Vietnam-Krieg wach - in der Zeit der Apollo-Mond-Missionen. Nasa-Chef Jim Bridenstine bezog sich am Samstag konkret darauf und sah eine Chance, dass der erfolgreiche Start "jedem die Möglichkeit gibt, über Menschlichkeit nachzudenken" - auch im Hinblick auf die Corona-Epidemie. "Dieses Raumfahrtprogramm, das wir in diesem Land haben, vereint Menschen".

Zumindest die beiden Nasa-Astronauten ließen die Erde erst einmal hinter sich: Nachdem der Start des Demo-2-Fluges am Mittwoch wegen schlechten Wetters ausfiel, klappte es am Samstag. Schon zehn Minuten nach dem Start der Falcon-9-Rakete von Cape Canaveral in Florida aus waren sie mit 27 000 Stundenkilometern in Richtung Raumstation ISS unterwegs. "Danke, dass Sie heute mit der Falcon 9 geflogen sind", hörten die Astronauten später aus dem Space-X-Kontrollzentrum. Hurley gab sich zufrieden mit der Kapsel: "Bisher ist es ein spektakuläres Raumschiff", kommentierte er nach den ersten manuellen Flugversuchen. Behnken machte aber Abstriche am Reisekomfort: "Dragon schnaufte den ganzen Weg in den Orbit, und wir haben tatsächlich einen Drachen geritten." Er verglich es später mit einer "schnellen Fahrt auf einer Schotterpiste". Sie hätten es sich sanfter als beim Space Shuttle vorgestellt. Am Sonntagnachmittag deutscher Zeit dockte die Kapsel an die ISS an. Davor waren die Astronauten mit "Planet Caravan" von der Band Black Sabbath geweckt worden. Solche "Wake-up-calls" haben Tradition bei der Nasa.

Mit kommerziellen Flügen wollen die USA weniger abhängig von Russland werden

Viele andere Traditionen will die US-Raumfahrtbehörde aber abschaffen, um den Weg ins All günstiger zu machen. Dazu gehört auch der Abschied von teuren Mitfluggelegenheiten in der russischen Sojus von Kasachstan aus, die seit dem Ende des Shuttle 2011 am Nationalstolz der Amerikaner gekratzt haben. "Wir starten wieder amerikanische Astronauten mit amerikanischen Raketen von amerikanischem Boden", sagt Bridenstine seit Wochen gebetsmühlenartig. Abgesehen davon soll sich Raumfahrt aber grundsätzlich verändern. Die Nasa will Raumschiffe chartern, nicht mehr besitzen wie das Shuttle. Eine Chance für Firmen, damit Geld zu verdienen. Space-X hat die ISS bereits 20-mal mit Frachtflügen versorgt, nun kommen Astronautenflüge hinzu. Als zweiter Anbieter wird dort auch Boeing mit einer eigenen Kapsel einsteigen. Doch für Bridenstine ist damit nicht Schluss, "es geht um die Kommerzialisierung des niedrigen Erdorbits".

In der Schwerelosigkeit könnten etwa menschliche Organe per 3-D-Druck produziert werden. Er sieht private Raumstationen, aber auch neue Finanzierungsmodelle für Mondmissionen. "Wir brauchen kommerzielle Partner auf der Mondoberfläche". Mit dem Artemis-Programm will die Nasa 2024 Astronauten zum Mond fliegen, um am Südpol nach Ressourcen zu suchen - "mit internationalen Partnern". Auch deutsche Raumfahrtfirmen wollen mitmischen. Die Nasa hat allerdings die US-Firmen Blue Origin (von Amazon-Gründer Jeff Bezos), Dynetics und Space-X damit beauftragt, Mondlander zu entwickeln und dafür knapp eine Milliarde Dollar lockergemacht. Außerdem arbeitet sie mit dem Boeing-Konzern an der Mondrakete SLS.

Der jetzige Flug der Crew Dragon könnte also mehr sein als der erste private Zubringer zur ISS. Space-X-Chef Elon Musk denkt sowieso größer: "Es ist hoffentlich der erste Schritt zu einem multiplanetaren Leben", sagte er nach dem Start. Am Freitag hatte er allerdings einen Rückschlag erlitten: Ein Prototyp seiner Rakete Starship war bei einem Test explodiert. Wann Behnken und Hurley zurück zu Erde fliegen, soll Ende Juni entschieden werden. Der erste reguläre Flug der Crew Dragon zur ISS soll jedenfalls am 30. August starten - dann mit vier Astronauten.

© SZ vom 02.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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