Raumfahrt:Besser als eine Keksfabrik

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"Keine schwarzen Kassen, keine Bestechung": Dafür steht Kurt Melching, Finanz-Chef des Bremer Unternehmens OHB. (Foto: oh)

OHB-Finanzvorstand Kurt Melching verkündet den ersten Milliardenumsatz des Bremer Familienunternehmens.

Von Dieter Sürig, München

Was macht das mit dem Finanzchef eines mittelständischen Unternehmens, wenn der Jahresumsatz die magische Grenze von einer Milliarde Euro überschreitet? Kurt Melching, 56, muss nicht lange überlegen: "Die Zahl wird eine Stelle größer", sagt er und lacht. Trotzdem ist es für ihn kein banaler Vorgang. "Es gibt Stabilität in die Aktie", sagt der Finanzvorstand des Raumfahrtunternehmens OHB. Andererseits sei "eine neue Messlatte da - wieder unter die Milliarde zu fallen, wäre irgendwie ernüchternd". Bei der Jahresbilanz an diesem Mittwoch wird er wohl erstmals einen Milliardenumsatz verkünden.

Als Melching 1988 nach seinem Wirtschaftsstudium bei Manfred Fuchs anheuerte, der den früheren Hersteller hydraulischer Schiffssysteme gerade zum Raumfahrtzulieferer umwandelte, da suchte er eine Firma, in der er etwas bewegen konnte. Ein Konzern sollte es nicht sein, "ich hatte keine Lust auf Traineeprogramme". Er schaute sich um und war bald von OHB überzeugt: "Das war eine kleine Firma, Professor Fuchs ein sehr mutiger und visionärer Mensch, der seinen Mitarbeitern viel Freiraum für Kreativität und Selbstbestimmung gegeben hat - da passierte etwas". Melching fand die Thematik Raumfahrt spannend und schlug ein. Das Unternehmen hatte mit 40 Mitarbeitern gerade die heutige Zentrale im Norden Bremens bezogen und machte acht Millionen Mark Umsatz - pro Jahr. OHB war damals mit Experimentierkomponenten für das europäische Raumlabor Spacelab beschäftigt.

Mittlerweile hat das Unternehmen 2400 Mitarbeiter und sich in der Branche neben den großen Konzernen Airbus und Thales einen festen Platz als Satellitenhersteller erkämpft. Melching war immer in verschiedenen Positionen für die Finanzen verantwortlich, seit fast einem Jahr ist er auch Finanzvorstand des Gesamtkonzerns. OHB hat fast alle Satelliten des Navigationssystems Galileo gebaut, bereitet die neue Generation des Wettersatelliten Meteosat vor und ist über seine Augsburger Tochter MT Aerospace am Bau der europäischen Trägerrakete Ariane beteiligt. Dass es dazu kam, haben die Bremer auch dem Zuschlag für fünf Spionagesatelliten der Bundeswehr mit einem Volumen von 320 Millionen Euro zu verdanken. Die Verhandlungen Anfang des Jahrtausends dauerten immerhin vier, fünf Monate - trotzdem ein Höhepunkt in Melchings Karriere. "Das zu gewinnen gegenüber Astrium (heute Airbus), war eine Riesen-Herausforderung, da habe ich viel gelernt."

Weitere Highlights für Melching waren der Börsengang 2001, wenig später die Übernahme des Münchner Raumfahrtunternehmens Kayser-Threde und 2012/13 der erste große Kreditvertrag über 250 Millionen Euro - für Vorfinanzierungen. "Die Banken haben uns ernst genommen, als wir angefangen haben, die größeren Satellitenprojekte umzusetzen", sagt er.

In Zukunft würde er auch gerne mehr für die bemannte Raumfahrt tun, es sei aber "sehr mühsam", dort hinein zu kommen. OHB hat immerhin bereits diverse Esa-Studien gewonnen, in denen es auch um die geplante Raumstation "Lunar Gateway" in Mondnähe und um eine Station auf dem Erdtrabanten selbst geht. Dass OHB wie Space-X werden könnte, sieht er nicht. "Man kommt an einen sehr großen Standort, wo alle zwei drei Wochen eine Rakete hinten rausfällt", erinnert er sich an einen Besuch bei der Musk-Firma nahe Los Angeles. "Das ist schon beeindruckend, aber hier wohl so nicht umsetzbar".

Melching wollte nie weg, lebt schon 30 Jahre mit seiner Familie in Bremen. "Ich bin einfach da geblieben, weil immer viele Dinge passiert sind", sagt er. "Das ist für mich spannender als eine Keksfabrik." Die Firmenkultur habe er immer geschätzt: "Eine sehr direkte offene Kommunikation". Und: "Wir hatten immer eine einwandfreie Ethik in der Firma: keine schwarzen Kassen, keine Bestechung, keine Preisabsprachen - nichts." Letztlich gibt es für ihn noch einen Grund zum Bleiben: Er war zwölf Jahre lang Vorstand des FC Oberneuland, der es zeitweise bis in die Fußball-Regionalliga geschafft hatte.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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