Wäre dies ein normales Jahr, dann hätte man vor einigen Wochen Tumulte in deutschen Kaufhäusern beobachten können, Gamer und Eltern, die sich um Sonys neueste Spielkonsole "PS5" balgen. Weil solche Szenen aber derzeit kaum mit dem Infektionsschutz vereinbar sind, beschloss Sony, die sehnlichst erwarteten Geräte ausschließlich online zu verkaufen. Darauf war nicht jeder vorbereitet.
Vor sieben Jahren konnten sich Käufer noch auf ihr Sitzfleisch oder Durchsetzungsvermögen verlassen, um eine Playstation 4 zu ergattern. Diesmal hilft weder Campen vor dem Elektronikmarkt noch Ellbogenausfahren am Regal. Was bleibt ist die Online-Warteschlange, welche ganz neue Tücken birgt: Während die meisten Kunden noch versuchten, an der Online-Kasse ihre Kreditkartendetails einzugeben, hatten Unbekannte den Laden bereits leergeräumt, mit atemberaubender Geschwindigkeit.
So lief das überall. Vor Weihnachten dürfte es schwer werden, bei Online-Kaufhäusern noch eine Playstation 5 aufzutreiben. Stattdessen werden reihenweise Neugeräte auf dem Sekundärmarkt verkauft oder versteigert, teils für das Doppelte des Ladenpreises. Dass die Konkurrenz an der Kasse unmenschlich schnell war, ist kaum überraschend. In vielen Fällen dürfte es sich um Bots gehandelt haben - Maschinen, die im Auftrag menschlicher Meister einkaufen.
Meist hat man kaum Chancen gegen Shopping-Bots
Die Bot-Meister gehen dabei ziemlich professionell vor. Um Kaufhäusern vorzugaukeln, sie seien mehr als eine Person, nutzen sie pro Einkauf je eine Internet-Leitung und eine E-Mail-Adresse mit separaten Zahlungsdaten. Um noch schneller zu sein als andere Bot-Nutzer, starten sie den Kaufprozess zudem von Servern, die geografisch nah an denen der Kaufhäuser liegen, jede Millisekunde zählt. Produkt in den Einkaufswagen legen, zur Kasse gehen, bezahlen, das erledigt alles der Bot. Väter und Mütter auf Playstation-Jagd haben gegen sie nicht den Hauch einer Chance. Illegal ist das Vorgehen der Bot-Nutzer nicht. Online-Warenhäuser versuchen dennoch, sich dagegen zu schützen, zum Beispiel mit sogenannten Captchas als ein Teil des Zahlungsvorgangs ("Markieren Sie jedes Feld mit einer Ampel"). Das funktioniert jedoch nur mäßig gut und nervt normale Kunden genauso wie Bot-Nutzer.
Ganz neu ist das Phänomen nicht: Um limitierte Sneaker von Adidas, Nike, New Republic oder Bathing Ape konkurrieren bei jedem Verkaufsstart Tausende Bot-Nutzer. Einer von ihnen ist der US-Youtuber "Nova". Er hat aus seinen Versuchen, mit dem Weiterverkauf von Sneakern Geld zu verdienen, die recht unterhaltsame Youtube-Serie "Sneakers to Riches" gemacht. Dort lernt man: Bot-Shopping macht sehr viel Arbeit, Miete für Server und Bots ist teuer, die Konkurrenz groß. Auch deshalb freuen sich Sneaker-Bot-Betreiber, wenn sie ihre Infrastruktur gelegentlich auch für andere knappe Güter einsetzen können, etwa alle paar Jahre für neue Gaming-Konsolen.
Ein schlechtes Gewissen hat Nova deshalb keines. Gesichtsmasken oder andere wichtige Güter würden er und seine Community niemals hamstern, aber Spielekonsolen seien moralisch unproblematisch, meint Nova. Wer an Weihnachten eine PS5 haben wolle, müsse eben einen Aufpreis auf Ebay zahlen - oder aber bis ins Frühjahr warten, wenn Sony genügend Geräte produziert haben wird, um die Nachfrage zu bedienen.