Prozess:Krieg unter Gold-Jungs

Lesezeit: 3 min

Einst waren der Unternehmer Utz Claasen (rechts) und Carsten Maschmeyer Geschäftspartner. Mittlerweile begegnen sich die beiden häufiger vor Gericht. (Foto: imago)

Die beiden Wirtschaftsgrößen Utz Claassen und Carsten Maschmeyer sind sich seit Jahren spinnefeind. Jetzt trafen sie in einem Münchner Gerichtssaal aufeinander und boten großes Kino.

Von Marc Beise

Er ist tatsächlich da, wirkt ein bisschen schmaler als früher, und der Bart ist ab. Was die weiße FFP2-Maske besser anliegen lässt, die Utz Claassen wie alle anderen Teilnehmer dieser Verhandlung am Donnerstag beim Landgericht I im Münchner Justizpalast trägt - außer wenn er das Wort hat. Und er hat natürlich das Wort, er ist ja der Kläger hier vor Gericht. Dafür hat er den Flug aus Singapur auf sich genommen, wo er nach eigenen Angaben seit Monaten lebt. 17 Stunden Anreise und acht PCR-Tests, das soll vor Gericht nicht unerwähnt bleiben, die leichte Müdigkeit bittet er zu entschuldigen.

Als Vorstandsvorsitzender des Medizintechnik-Start-ups Syntellix verlangt der frühere deutsche Spitzenmanager - Ford, Volkswagen, Seat und vor allem beim Stromkonzern EnBW - hier und heute satte sechs Millionen Euro und ein bisschen mehr von jemandem, von dem er und sein Unternehmen sich, kurz gesagt: verfolgt fühlen.

Dieser Jemand ist ebenso bekannt, ach was: viel bekannter noch: Es handelt sich, nach Claassens eigenen Worten, um den "Milliardär und Star-Investor" Carsten Maschmeyer, einen Mann, der in der Tat sehr, sehr reich geworden ist als einst umstrittener Verkäufer von Geldanlagen, später kam Prominenz dazu als Ehemann der Schauspielerin Veronica Ferres und als Investor im TV-Spiel "Höhle der Löwen".

Zwei Männer mit viel Ego

Maschmeyer übrigens spielt dort nicht nur den Investor, er ist auch einer, der sich durchaus kenntnisreich an jungen Firmen beteiligt, und eben vor einigen Jahren auch an Claassens Syntellic in Hannover. Dazu muss man wissen, dass Claassen und Maschmeyer sich aus Hannover kennen, dort lernten sie sich schätzen in einem sehr eigenen Biotop, zu dem auch Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder gehörte und der Scorpions-Sänger Klaus Meine ("Wind of change"). Claassen und Maschmeyer waren in dieser Szene die Goldjungs, die sich herzten und scherzten: Männer, die schon immer viel Ego und Geltungsbedürfnis hatten und nun eben auch viel Geld.

SZ PlusDigitaler Wandel
:"Wir müssen nicht aufs Silicon Valley starren"

Sanjay Brahmawar, Chef der Software AG, sieht in der Pandemie einen Weckruf für die Digitalisierung. Im Interview spricht der Ingenieur darüber, wo er für Deutschland Chancen sieht, was in Unternehmen entscheidend ist - und wie Veränderung gelingt.

Von Helmut Martin-Jung

Mit diesem Geld gründete Claassen, 2008 war das schon, die Medizintechnikfirma Syntellix, und dahinter steckte wirklich eine gute Idee: Syntellix entwickelt Implantate und Knochenschrauben, wie sie beispielsweise als Stützen bei Knochenverletzungen eingebaut werden, damit diese besser heilen. Solche Hilfsmittel sind üblicherweise aus Metall, Kunststoff oder Titan und müssen nach Genesung in einer zweiten OP wieder aus dem Körper geholt werden. Syntellix verwendet eine spezielle Magnesium-Legierung, die sich mit der Zeit selbst auflöst. Das klingt genial und hat den Zuspruch vieler Fachleute gefunden, aber leider schaffte Syntellix bis heute nicht den Durchbruch, jetzt versucht Claassen, von Singapur aus den Weltmarkt zu erobern.

Claassen hat eine klare Vorstellung, woran der bisherige Misserfolg liegt: an seinem früheren Buddy Maschmeyer. Der hat sich aus dem Unternehmen, in dem er immerhin mal zweitgrößer Aktionär war, zurückgezogen, aus Enttäuschung über dessen Unternehmenspolitik. Eine Zeit lang hat er versucht, aktiv Einfluss zu nehmen auf das Unternehmen, danach war nur noch Krieg zwischen den beiden.

Darüber streiten sie seit Jahren vor Gerichten, jetzt auch in München. Eine Nebelkerze sei das, sagte die Maschmeyer-Fraktion während der öffentlichen Verhandlung am Donnerstag, Claassen wolle mit seiner Klage - genau genommen sind es zwei, die nacheinander verhandelt werden - nur davon ablenken, dass er in Hannover und anderswo vor Gericht mit seinen Anträgen nicht durchkomme. Allerdings ist auch Maschmeyer schon unterlegen, die Männer schenken sich nichts.

Der Vorsitzende Richter in München versucht das Verfahren sachlich und korrekt durchzuziehen, und als es einmal etwas lauter wird, bittet er um Mäßigung: "Das war doch bisher recht friedlich." Doch so ganz einfach ist das nicht, wenn die beiden Kontrahenten wohl das erste Mal seit Jahren wieder in einem Raum sind, auch wenn sie sich, gegenüber sitzend, kaum mustern; beide werden sekundiert von jeweils gleich mehreren Top-Anwälten, die Argumente fliegen ebenso wohlkalkuliert hin und her wie die Professorentitel. Claassen hat einen, Maschmeyer nicht, aber dafür einer seiner Anwälte.

Juristisch gesprochen, fordert Claassens Syntellix AG hier in München von den drei Beklagten Maschmeyer selbst, seiner Familien-Vermögensgesellschaft und einem seiner Angestellten, der früher im Aufsichtsrat von Syntellix war, Schadenersatz in Höhe der erwähnten sechs Millionen Euro sowie Feststellung der Ersatzpflicht aller materieller und immaterieller Schäden. Begründung: Maschmeyer und seine Leute hätten eine regelrechte "Marodierungskampagne" gegen Syntellix betrieben (es fällt auch mal das Wort "Hinrichtung"), durch öffentliche Äußerungen, Interviews, Äußerungen der Anwälte, Strafanzeigen und anderes. Durch diese Kampagne habe sich der Aktienwert der Klägerin verringert; es sei ein abschreckendes Umfeld für Investoren entstanden und mehrere seien abgesprungen. Die Beklagten halten die Klage für komplett unbegründet.

Das Gericht will weiter prüfen, ohne Eile - der Richter weist darauf hin, dass die Kammer noch andere "wichtige" Verfahren zu bewältigen habe - und dann im November entscheide. Viel Zeit also noch für die Herren Claassen und Maschmeyer, sich juristisch, medial und vor allem emotional zu bekriegen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: