Proteste in der Türkei:Warum ein Wasserwerfer-Hersteller gerade jetzt Rekordgewinne macht

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Ein Fahrzeug ist während einer Demonstration in Istanbul im September 2015 im Einsatz. (Foto: Ozan Kose/AFP)
  • Der größte türkische Hersteller für Wasserwerfer, die Firma Katmerciler, macht Rekordgewinne. Das Unternehmen steht der Regierungspartei AKP nahe.
  • Es profitiert von den regelmäßigen Protesten in der Türkei - und deren Niederschlagung.

Von Nora Kolhoff

Die Bilder sind noch präsent: Die Polizei stürmt die regierungskritische Zeitung Zaman und geht gegen die Demonstranten mit Tränengas und Wasserwerfern vor. Die riesigen Gefährte sind treue Begleiter jeglicher Proteste. Sogar neben den Müttern, die sich jeden Samstag auf der Istiklal-Straße in Istanbul treffen, um ihrer ermordeten Söhne zu gedenken, steht mit trauriger Gewissheit ebenfalls ein Wasserwerfer bereit. Auch das Freitagsgebet rund um eine Moschee nahe dem Taksim-Platz wird wöchentlich von einem Wasserwerfer bewacht.

Für die meisten sind sie ein Zeichen für die alltägliche staatliche Unterdrückung. Für ein Unternehmen hingegen sind sie alltägliches Geschäft. Der größte türkische Hersteller für Wasserwerfer, die Firma Katmerciler, verkündete Ende vergangener Woche einen neuen Rekordgewinn für 2015. Um mehr als hundert Prozent soll der Profit gestiegen sein. Das sind die besten Zahlen in der 30-jährigen Firmengeschichte des Fahrzeugherstellers. Allein im Jahr 2014 hat das Unternehmen insgesamt 115 neue Wasserwerfer für die türkische Polizei produziert. Zum Vergleich: Die deutsche Bundespolizei besitzt nach eigenen Angaben insgesamt gerade einmal 61 solcher Wagen.

Das Unternehmen profitierte von der Niederschlagung der Gezi-Proteste

Der neue Rekord ist umso aufschlussreicher, als Katmerciler der türkischen Regierungspartei AKP nahesteht. Ihr Chef ist der Sohn eines ehemaligen AKP-Abgeordneten. Ob sich der hohe Gewinn ausschließlich dadurch erklären lässt, dass die AKP-Regierung so viele Wasserwerfer bestellt, ist jedoch schwer zu beurteilen. Denn Katmerciler exportiert weltweit und stellt auch andere Nutzfahrzeuge her.

Dennoch spricht vieles dafür, dass die Firma von den sozialen Unruhen und dem oft rigorosen Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte profitiert. Das Geschäft mit den Wasserwerfern läuft vor allem dann gut, wenn der jetzige Präsident Recep Erdoğan seine Macht nutzt. So war das Unternehmen einer der großen Profiteure der Niederschlagung der Gezi-Proteste im Jahr 2013. Deshalb sind die Aktienkurse des Unternehmens nach den ersten Wahlen im Juni vergangenen Jahres eingebrochen, als Erdoğans Partei die absolute Mehrheit verlor. Und deshalb erreichte der Aktienkurs im letzten Quartal 2015 seinen Höchstwert, kurz nachdem die AKP im November bei den wiederholten Wahlen die absolute Mehrheit erreicht hatte.

Davutoğlu: Für jeden kaputten Wasserwerfer kommen fünf bis zehn neue

Was im Dezember folgte, waren schwere Gefechte im Südosten des Landes, mit viel staatlicher Präsenz - inklusive Wasserwerfern. Als Premierminister Davutoğlu im Zuge kurdischer Proteste 2014 sagte, für jeden zerstörten Wasserwerfer würde die Regierung fünf bis zehn Neue anschaffen, gingen die Aktienkurse des Herstellers erneut stark nach oben. Außerdem ist der Zeitung Hürriyet zufolge eine neue Fabrik in Ankara geplant, um die Nachfrage der türkischen Sicherheitskräfte noch besser bedienen zu können. "Wir wollen vor allem in der Verteidigungsindustrie noch stärker vertreten sein", sagt Firmenchef Mehmet Katmerci.

Wasserwerfer können mehr als tausend Liter pro Minute verschießen. Während der Proteste 2013 hatten die Sicherheitskräfte laut einem Bericht von Amnesty International den Strahl sowohl mit Hochdruck auf die Demonstranten gerichtet, als auch Chemikalien beigemischt. So berichteten Ärzte und Demonstranten von Verbrennungen und Reizungen. Der ehemalige Innenminister Muammer Güler bestätigte später, dass ein in Pfefferspray enthaltener Wirkstoff bei Bedarf dem Wasser zugefügt werde. Die Gefährte heißen im Türkischen übrigens toma, eine Abkürzung für: "Fahrzeuge zur Intervention bei sozialen Ereignissen".

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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