ProSiebenSat.1 in der Krise:Heftiger Sturm

Lesezeit: 3 min

Rote Zahlen, ungelöste Führungsfragen und ein Aktienkurs auf Talfahrt: Die Finanzinvestoren bei ProSiebenSat.1 stehen gewaltig unter Druck. Nun sorgt auch noch ein Analystenpapier für Unruhe in Unterföhring.

Klaus Ott und Caspar Busse

Der Münchner Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 scheint am Tiefpunkt angekommen zu sein. "Die Stimmung ist hier mindestens so schlecht wie der Aktienkurs", heißt es resigniert bei den Mitarbeitern. Und der Börsenkurs ist mittlerweile ganz unten: Am vergangenen Freitag legte die Aktie zwar auf 5,10 Euro zu. Doch in den vergangenen Monaten gab es einen beispiellosen Sturz: Noch vor einem Jahr notierte die Aktie bei knapp 30 Euro.

Der Pfeil im Logo zeigt nach oben, der Aktienkurs nach unten: Die Senderkette ProSiebenSat.1 ist in der Krise. (Foto: Foto: ddp)

Die beiden Finanzinvestoren Permira und KKR, die den TV-Konzern Anfang 2007 mehrheitlich übernommen haben und sich angeblich nicht ganz einig sein sollen über den weiteren Kurs, dürften mittlerweile ziemlich nervös sein. Die Zahlen sind schlecht: Das erste Quartal ist katastrophal ausgefallen, für das zweite Quartal wird es möglicherweise nicht viel besser aussehen. Und im dritten Quartal werden voraussichtlich die Olympischen Spiele in Peking, die von ARD und ZDF übertragen werden, den Privatsendern das Geschäft verderben. Konzernchef Guillaume de Posch hatte Mitte Juni zudem überraschend seinen Rückzug bekannt gegeben. So viel Unsicherheit war noch nie bei den Mitarbeiter von ProSiebenSat.1, obschon sie bereits durch viele Krisen gegangen sind.

Man werde schnell einen Nachfolger für de Posch suchen, hatte Aufsichtsratschef Götz Mäuser, im Hauptberuf Partner bei Permira, versprochen. Doch die Personalsuche ist nicht einfach, denn der neue Mann muss sich im Mediengeschäft auskennen und gleichzeitig das Vertrauen der Finanzinvestoren haben. Es ist wohl einer der schwierigsten Jobs, den die Medienbranche derzeit zu vergeben hat, so verfahren, wie die Lage bei ProSiebenSat.1 ist.

Unsicherheit bei Banken

Immer wieder werden die Namen von einschlägig bekannten Managern gehandelt, doch die winken ab. So hieß es bei den Landesmedienanstalten, man habe etwa Thomas Middelhoff als neuen Vorstandschef für ProSiebenSat.1 im Auge gehabt. Middelhoff war früher Bertelsmann-Chef und führt derzeit Arcandor, zu dem auch Karstadt gehört. Doch Arcandor-Sprecher Jörg Howe sagt dazu: "Middelhoff ist weder angesprochen worden, noch würde er das machen. Er wird seinen bis Ende 2009 laufenden Vertrag bei Arcandor definitiv erfüllen." Auch der frühere Pro-Sieben- und Premiere-Chef Georg Kofler sagte kürzlich: "Derzeit kein Interesse." Der bei Constantin Film scheidende Fred Kogel und der aktuelle RTL-Chef Gerhard Zeiler werden es wohl auch nicht machen.

Eine interne Lösung gilt zudem als wenig wahrscheinlich. Der frühere SBS-Chef Patrick Tillieux kenne den deutschen Markt nicht gut genug, heißt es. Außenseiterchancen werden Marcus Englert eingeräumt, der frühere Unternehmensberater und Kirch-Manager betreut derzeit im Vorstand das Geschäftsfeld Neue Medien.

Unsicherheit herrscht bei den übrigen Investoren und den Banken: Erst vor kurzem hatte Axel Salzmann Finanzvorstand Lothar Lanz abgelöst. Dieser hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder geschafft, die Banken auch in schwierigen Situationen bei Laune zu halten. Salzmann, der vom Mobilfunkunternehmen O2 gekommem ist, wird das derzeit nicht zugetraut.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie eine Analyse der Deutschen Bank für Unruhe in Unterföhring sorgt und wieso ProSiebenSat.1 nun doch zerschlagen werden könnte.

Für Unruhe sorgt eine dreißigseitige Analyse der Deutschen Bank, die in der vergangenen Woche erschienen ist und die Aktie weiter nach unten zog. Nach den Erkenntnissen der größten Bank in Deutschland kommen bei ProSiebenSat.1 derzeit alle Probleme - externe wie hausgemachte - zusammen, die Experten sprechen von einem "perfect storm", einem ungewöhnlich heftigen Sturm, und raten Anlegern zum Verkauf der Aktie. Die Probleme mit der Werbewirtschaft seien eklatant.

Zudem schätzt die Bank die weitere Entwicklung der Werbekonjunktur sehr pessimistisch ein. Sie erwartet für das zweite Quartal ein deutliches Minus von mehr als sechs Prozent. Die Analysten der Deutschen Bank finden klare Worte: ProSiebenSat.1 müsste vorrangig die Schulden zurückführen und die zu hohe Dividende kürzen. Doch das sei unwahrscheinlich, da dies nicht im Interesse der Finanzinvestoren sei.

Aus Kreisen des TV-Konzerns heißt es, die Deutsche Bank gehe von falschen Voraussetzung aus, ihre Vorausschau sei "pechschwarz" und völlig unrealistisch. Offiziell äußert sich ProSiebenSat.1 nicht zu dem Papier.

Hoher Schuldenberg

Der TV-Konzern ist seit dem Kauf der europäischen Senderkette SBS mit deutlich mehr als drei Milliarden Euro verschuldet. Angesichts der schwierigen Geschäftslage könnten nun die Banken nervös werden, vermuten Experten. Aus der Medienbranche heißt es, bei ProSiebenSat.1 sei im Herbst notfalls eine Kapitalerhöhung um 400 Millionen Euro nötig, um die Banken zufriedenzustellen. Denn die könnten, falls bestimmte Gewinnmargen unterschritten würden, ihre Milliarden-Kredite vorzeitig fällig stellen. Das ließe sich dann wohl nur verhindern, indem der Konzern frisches Kapital bekäme. In Konzernkreisen wird dieses Szenario indessen als "Unsinn" bezeichnet.

Massive Kritik kommt auch von den Betriebsräten. "Sparmaßnahmen sind die falsche Strategie, sie führen in die Sackgasse und verstellen den Blick auf das Entscheidende", hieß es zuletzt in einem öffentlichen Brief der Arbeitnehmervertreter an die Unternehmensleitung. Das "Geschäftsgebaren" von KKR und Permira schade Mitarbeitern und Kleinaktionären. Befürchtet wird, dass weitere 155 Stellen abgebaut werden. In den Landesmedienanstalten wird bemängelt, ProSiebenSat.1 habe "keine Seele mehr". Auch hier wird die Schuld den Finanzinvestoren gegeben. Man hoffe, dass der neue TV-Vorstand Andreas Bartl, der schon lange für den Konzern arbeitet, die Sendergruppe wieder nach vorne bringe.

Manche Branchenexperten rechnen nun damit, dass der Konzern möglicherweise zerschlagen wird und die Einzelteile verkauft werden. Permira und KKR haben das bisher immer weit von sich gewiesen. "Das kommt auf keinen Fall", heißt es denn auch aus dem Konzern. Zumindest nicht in diesem Jahr. Interessenten aber gebe es bereits: Rupert Murdoch ist an Sat.1 oder an ProSieben interessiert. Auch die Axel Springer AG hat ihre Fernsehpläne noch nicht endgültig zu den Akten gelegt.

© SZ vom 14.07.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: