Produktion:Die Fabriken der Zukunft

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Sie werden kleiner sein und in der Nähe der Kunden stehen.

Von Helmut Martin-Jung, Berlin

Es ist einer der Begriffe, dem man immer dann begegnet, wenn sich Digitalunternehmen und das produzierende Gewerbe treffen: Industrie 4.0, die Fabrik der Zukunft. Aber wie das manchmal so ist mit solchen Begriffen - was sich genau dahinter verbirgt, ist keineswegs klar definiert. Geht es, wie das Till Reuter, der Chef des Roboterherstellers Kuka, auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin schildert, darum, die Effektivität in den Fabriken zu steigern? "Chips bringen mehr Rechenleistung in die Maschinen, alle Daten dieser Maschinen sind verfügbar, die Produktion läuft dadurch um etwa 20 Prozent effizienter", so beschreibt es Reuter.

Das ist eine ganze Menge, viele Firmenchefs wären sicher glücklich, ein solches Potenzial heben zu können. Für Ulrich Spiesshofer, den Chef des Schweizer Technologiekonzerns und Siemens-Konkurrenten ABB ist das allerdings noch um mindestens eine Größenordnung zu klein gedacht. Spiesshofer erwartet eine Zukunft, in der die Produktion, die im Laufe der Geschichte immer mehr zentralisiert wurde, wieder näher an die Kunden heranrückt. Also nicht: designed in Germany, made in China, sondern designed and made in Germany. Wie das möglich werden soll? Durch zunehmende Automatisierung und neue Produktionsverfahren, die das Zeug dazu haben, bisherige Methoden zumindest in Teilbereichen abzulösen.

Mit additiver Technik entstehen auch ganz neue Materialien

Der Physiker Hans Langer steht mit seinem Unternehmen EOS für eine solche Technik mit umstürzlerischem Potenzial. Schon 1989, Jahre vor dem weltweiten Aufstieg des Internets, begann er, an einem Verfahren zu arbeiten, das Werkstücke nicht mehr aus einem Block schleift, fräst oder bohrt. Vielmehr werden diese Schicht für Schicht aufgebaut, die Experten sprechen daher von additiver Fertigung.

Mit den 3D-Druckern, die man inzwischen schon im Elektromarkt für rund 500 Euro bekommt, haben die Maschinen von EOS allerdings nur wenig zu tun, und das nicht bloß, weil sie 500 000 Euro und mehr kosten. Die Maschinen, sagt Langer, sind auch gar nicht einmal das Wichtigste. Ganz entscheidend seien nämlich auch das Pulvermaterial, das von Lasern zu den gewünschten Produkten zusammengebacken wird, und - vor allem - der Prozess der Fertigung. Das Besondere daran: "Wir können mit unserer Technologie Materialien ganz neue Eigenschaften verleihen", sagt Langer, "wir haben zum Beispiel eine Aluminium-Legierung mit der Festigkeit von Stahl." Mit der additiven Technik können auch Formen hergestellt werden, die mit herkömmlichen Methoden unmöglich sind. Das ist derzeit noch Langers Problem, denn er findet einfach nicht genügend Designer, die die neuen, nahezu unbegrenzten Möglichkeiten schon nutzen könnten.

"Die Jobs werden uns nicht ausgehen, sie werden nur anders aussehen."

Warum aber mehr und mehr Unternehmen mit dieser Technik experimentieren und damit auch schon serienmäßig produzieren, beschreibt ABB-Chef Spiesshofer so: Ausgehend von einem Satellitenbild könnte demnächst ein Programm mit Hilfe künstlicher Intelligenz eine Brücke konstruieren, gefertigt werden würde sie dann additiv an Ort und Stelle, wodurch auch die Logistikkosten wegfallen würden.

Doch was bedeuten Entwicklungen wie diese für die Mitarbeiter in den Fabriken? Das Wichtigste, sagt Spiesshofer, sei die Ausbildung. Und man könne Mitarbeiter auch neu qualifizieren, statt sie entlassen und neue einzustellen: "Das erhöht die Treue zum Unternehmen." Christin Eisenschmid, die Chefin von Intel Deutschland, kennt hochgradig automatisierte Produktionsprozesse bereits aus ihrer Branche, der Chipherstellung.

Bildung hält auch sie für wichtig, aber noch wichtiger sei die Einstellung. "Man muss umdenken können", fordert Eisenschmid. Wie sich die Arbeitswelt in den nächsten 20 Jahren entwickeln werde, könne niemand seriös vorhersagen. Am schlimmsten sei es, wenn jemand versuche, an dem festzuhalten, was bisher war. Sie ist sicher: "Die Jobs werden uns nicht ausgehen", sagt sie, "sie werden nur anders aussehen."

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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