Privatisierung der Bahn:Zerschlägt der Bund den Konzern?

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Überraschende Wendung: Die Regierung macht offenbar einen Rückzieher. Statt die Bahn an die Börse zu bringen, prüft sie einen Teilverkauf an Finanzinvestoren.

Ulrich Schäfer, Michael Bauchmüller und Martin Hesse

Die Regierung will bis zum Sommer entscheiden, in welcher Form sie das größte Verkehrsunternehmen der Republik aus der Staatshand entlässt.

Die attraktive Seite der Bahn: Ein ICE fährt an einem Rapsfeld vorbei. (Foto: Foto: dpa)

Bewusst rede man nicht von einem Börsengang, sondern von einer (Teil-)Privatisierung, heißt es in einem der beteiligten Ministerien.

Im Finanzministerium wird darauf verwiesen, dass der Bund schon früher Unternehmen verkauft habe, ohne sie an der Börse zu platzieren. So gingen die Autobahntankstellen von Tank& Rast an Finanzinvestoren, ebenso die Bundesdruckerei.

Potenzielle Investoren stehen Schlange

Erst vor wenigen Wochen verkaufte die Staatsbank KfW zudem ein größeres Paket mit Telekom-Aktien an den amerikanischen Finanzinvestor Blackstone. Die Finanzbranche verstand dies als Signal, dass sie auch bei einer größeren Privatisierung direkt zum Zuge kommen könnte.

Die Regierung prüft derzeit mehrere Varianten eines direkten Verkaufs. Sie greift dabei auch auf die Ratschläge von Investmentbanken zurück. Vertreter aus der Geldbranche hatten der Regierung geraten, sich nicht vorschnell auf einen Börsengang festzulegen.

Frühes Stadium der Überlegungen

Die Banker halten es für möglich, einzelne Teile des Konzerns zu veräußern. Man sei noch in einem frühen Stadium der Überlegungen, heißt es in Regierungskreisen.

Erst im Sommer werde das Kabinett eine Grundsatzentscheidung über die Privatisierung fällen, erst danach werde man gegebenenfalls mit Investoren reden. Noch gebe es keine Gespräche mit möglichen Käufern. "Wenn jemand auf uns zukommt, würden wir uns das aber natürlich anhören", heißt es in der Regierung.

Filetstück ist das Logistikgeschäft

In den Koalitionsfraktionen fühlen Investoren schon vor. "Die geben sich im Bundestag die Klinke in die Hand", berichtet der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Uwe Beckmeyer.

Allerdings würden weder Summen genannt, noch gebe es bislang ein konkretes Szenario für die Veräußerung. Als Filetstück gilt vor allem das Logistikgeschäft, das Bahnchef Hartmut Mehdorn kräftig ausgebaut hat.

Mehdorn gegen Zerschlagung

Dazu gehört unter anderem die Spedition Schenker und der gesamte Güterverkehr auf der Schiene. Mehdorn dagegen will den Konzern in der jetzigen Konstruktion belassen und ihn in Gänze, also mitsamt des Schienennetzes, an die Börse bringen. Er hat sich immer wieder gegen eine Zerschlagung gewandt.

In Frankfurter Bankenkreisen hieß es am Freitag, zwar sei ein Börsengang aus Sicht der Bahn die sinnvollste Option, weil das Unternehmen dadurch dauerhaft Zugang zum Kapitalmarkt hätte.

Es sei aber auch denkbar, einen Teil des Geschäfts abzuspalten und an Finanzinvestoren zu verkaufen. "Es gibt sicher Interesse bei den großen Beteiligungsgesellschaften, aber erst muss eine politische Grundsatzentscheidung fallen", sagte ein Investmentbanker.

Verlockend

Ähnlich äußerten sich Vertreter der Beteiligungsbranche. "Wenn Teile der Bahn auf den Markt kämen, würde ich mir das sicher anschauen", sagte der Deutschlandchef eines großen angelsächsischen Finanzinvestors.

In den Koalitionsfraktionen gibt es Sympathie dafür, Teile des Unternehmens an Investoren zu verkaufen. "Es könnte sein, dass man einen Verkauf an Finanzinvestoren ins Auge fasst", sagt Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, "dies könnte durchaus günstiger sein als ein Börsengang."

Gegen Vollprivatisierung

Wie die Verkehrspolitiker lehnt Schneider es allerdings ab, die Bahn zur Gänze zu privatisieren.

Auch der saarländische Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi (CDU) schließt nicht aus, Teile der Bahn direkt zu verkaufen. Er propagiert ein Modell, bei dem die Bahn in eine Staatsholding umgebaut wird, deren Töchter sich privatisieren lassen. Nur Netz und Bahnhöfe sollten zu 100 Prozent unter dem Dach der Holding bleiben.

Mehrheitsfähiger Kompromiss

In der Unionsfraktion habe er dafür viel Zustimmung geerntet, sagte Georgi der SZ. "Ich kann mir vorstellen, dass dieser Kompromiss mehrheitsfähig ist."

Die Haushaltspolitiker der Union halten Mehdorns Börsenpläne für riskant: "Die große Mehrheit lehnt einen Privatisierung der Bahn mit Netz ab", sagt Norbert Königshofen, der zuständige Berichterstatter der Union im Haushaltsausschuss.

"Für den Bund würde das bedeuten, dass wir riesige Zahlungen für das Netz leisten, aber den Einfluss verlieren."

© SZ vom 20.05.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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