Gesetzlich Versicherte haben es schwer: Sie zahlen Praxisgebühr und müssen stundenlang im Wartezimmer ausharren, bevor der Arzt sie dran nimmt. Im Krankenhaus bekommen sie kein Einzelzimmer wie die Privatpatienten, sondern müssen ihren Lebensraum mit einem Fremden teilen - selbst wenn beim Zimmernachbarn die Familie mit eingezogen zu sein scheint. Privatsphäre: Fehlanzeige.
Jetzt macht die Koalition den privaten Kassen (PKV) auch noch umfangreiche Zugeständnisse: Sie sollen künftig weniger für Medikamente bezahlen müssen. Und das, obwohl gesetzlich Versicherten Zusatzbeiträge drohen. Bisher werden die zwar erst von einem knappen Dutzend Unternehmen erhoben. "Aber die Finanzierungslücke ist so groß, dass es wohl irgendwann alle tun werden", fürchtet Hajo Köster vom Bund der Versicherten (BdV).
Keine schönen Aussichten für gesetzlich Versicherte. Manche einem wird da mulmig und er überlegt sich, seiner Kasse den Rücken zuzukehren. Zumal Gutverdiener künftig leichter als bisher wechseln können. Aber für wen lohnt sich der Absprung in die private Kasse und worauf muss er dabei achten?
Die weit verbreitete Meinung, dass nur Gutverdiener Zugang zu einer privaten Versicherung haben, ist falsch. Freiberufler und Selbstständige können sich beispielsweise unabhängig von der Höhe ihres Einkommens privat versichern, Beamte sowieso.
Bei gewöhnlichen Arbeitnehmern ist es etwas komplizierter: Erst wenn sie ein Gehalt oberhalb der so genannten Versicherungspflichtgrenze nachweisen können, haben sie die Wahl zu wechseln. Statt wie bisher müssen sie das aber nicht mehr drei Kalenderjahre hintereinander schaffen, sondern künftig nur noch eins. Wer also 2010 nicht weniger als 49950 Euro verdient, kann abwägen, ob er sich künftig vom Chefarzt behandeln lassen möchte.
Während gesetzlich Versicherte ab kommendem Jahr 15,5 Prozent ihres beitragspflichtigen Einkommens an die Kasse zahlen müssen, hängen die Prämien bei der PKV von der Wahl des Tarifs ab. Auch Eintrittsalter, Geschlecht und Gesundheitszustand haben Einfluss auf die Höhe der Beträge. Deshalb ist pauschal nicht zu sagen, in welcher Kasse der Beitrag dauerhaft billiger ist.
Als Faustregel bei Privaten gilt: Je jünger und gesünder jemand ist, desto niedriger fallen seine Prämien aus. Je mehr Vorerkrankungen der Wechsler mitbringt, desto höher die Risikozuschläge. Bei schwerwiegenden Malaisen können die Versicherer den Kunden auch ganz ablehnen. Deshalb werfen Kritiker der PKVhäufig "Rosinenpickerei" vor. Während die gesetzliche Kassen praktisch jeden nehmen müssen, suchen sich die privaten die gesündesten Menschen aus.
Alleinstehende Gutverdiener und kinderlose Paare, bei denen beide Partner arbeiten, können mit dem Wechsel in die private Kasse unter Umständen Bares sparen - vorausgesetzt, sie haben keine Vorerkrankungen. Der Aufnahme in die PKV geht stets ein umfassender Gesundheitscheck voraus. Die Höhe der Beiträge hängt vom Krankheitsrisiko ab, das dabei festgestellt wurde.
Wer bereits eine Familie hat oder sich Kinder wünscht, sollte den Wechsel gut überlegen: Die GKV versichert Nachwuchs und Ehepartner kostenlos mit. Bei der Privaten dagegen muss jedes Mitglied zahlen. Bei Kindern sind es im Schnitt 70 bis 90 Euro, die zusätzlich anfallen.
In der Vergangenheit stiegen die Beiträge bei privaten Krankenversicherung durchschnittlich um fünf Prozent jährlich. Die Prämien ziehen damit deutlich stärker an als bei gesetzlichen Kassen: Dort stieg der Höchstbeitrag seit 1986 nur um durchschnittlich 3,34 Prozent im Jahr.
"Die Privaten legen die Kostensteigerungen im Gesundheitssystem direkt auf ihre Kunden um", sagt Köster vom Bund der Versicherten. Deshalb rechnet der Verbraucherschützer damit, dass die Entwicklung sich in Zukunft fortsetzen wird - und die Beiträge bei privaten kräftiger nach oben gehen, auch wenn man die Zusatzbeiträge bei den gesetzlichen Kassen mit einbezieht.
Ein Arbeitnehmer muss ein ganzes Jahr lang weniger verdienen, als die Versicherungspflichtgrenze vorsieht, also unter 49.950 Euro. Erst dann darf er zurück in die GKV wechseln. Wenn er in den Folgejahren wieder mehr verdienen sollte, darf er als freiwilliges Mitglied bleiben.
Selbstständige haben es da schwerer, bei ihnen hängt die Wahl der Kasse ja nicht vom Einkommen ab. Wollen sie von der privaten Krankenversicherung zurück in die gesetzliche wechseln, weil beispielsweise das dritte Kind kommt, müssen sie einen festen Job vorweisen können. Die Festanstellung muss zudem die berufliche Hauptbeschäftigung sein.