Prepaid-Sim-Karten:Das Ende der Anonymität

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Dank der allgegenwärtigen Smartphones sammeln Konzerne wie Google massenhaft Daten über deren Nutzer. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Millionen Menschen in Deutschland verwenden Prepaid-Sim-Karten. Seit dem 1. Juli ist das komplizierter. Nutzer müssen beim Kauf nun einen Ausweis vorlegen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Nils Wischmeyer

Die Prepaid-Karte ist in Deutschland auch Jahrzehnte nach ihrer Einführung noch immer ein Kassenschlager: 60 Millionen der kleinen Kärtchen schlummern in den Handys der Bundesbürger. Allein die drei großen Mobilfunkbetreiber Vodafone, Deutsche Telekom und Telefonica haben in der Summe 48,3 Millionen aktive Prepaid-Kunden. Davon entfallen fast 14 Millionen auf Vodafone, 10 Millionen auf die Telekom und weitere 24 Millionen auf Telefonica. Jahrelang konnte man die Sim-Karten mit Prepaid-Funktion wie Brötchen oder Schokoriegel im Supermarkt, an der Tankstelle oder dem Kiosk nebenan kaufen. Die Karten waren anonym, eine Aktivierung dauerte nur wenige Momente.

Am 1. Juli 2017 hat sich das schlagartig geändert. Eine Gesetzesverschärfung zwingt die Nutzer nun, sich offiziell auszuweisen. Hintergrund der Änderung ist ein Anti-Terror-Paket der Bundesregierung. Für den Verbraucher bedeutet das vor allen Dingen eines: Es wird komplizierter.

Wer nutzt die Prepaid-Karten?

Beliebt sind die Karten unter anderem bei Eltern, die für ihre Kinder keinen Mobilfunkvertrag abschließen wollen. Sie können so ohne Probleme einen gewissen Betrag auf die Karte laden, den das Kind dann verbrauchen kann. Ebenfalls begehrt sind die Karten bei Urlaubern, die Sim-Karten für ihren Aufenthalt kaufen, bei Kunden, die sich vor hohen Mobilfunkrechnungen schützen wollen, und bei Menschen, die besonders oft und möglichst günstig ins Ausland telefonieren wollen. Sie alle schätzen die Vorteile, die das Prepaid-Modell mit sich bringt: Die Kosten bleiben überschaubar, der Kauf läuft schnell und unkompliziert ab - und nebenbei sind die Karten auch noch anonym.

Warum müssen sich die Nutzer künftig ausweisen?

Die größten Vorteile sind zugleich aber auch die größten Nachteile der Prepaid-Karten. Denn nicht nur der Otto Normal-Verbraucher schätzt das Verfahren, sondern auch Verbrecher und Terroristen. Sie kaufen die Karten mit Fantasienamen, tätigen einen einzigen Anruf, werfen sie dann weg und legen eine neue ein. So machen sie es der Polizei oder auch Geheimdiensten nahezu unmöglich, ihre Kommunikation zurückzuverfolgen oder gar mitzuschneiden. Das will die Bundesregierung mit der Verschärfung des Telekommunikationsgesetzes nun verhindern. Die Änderung, die am 1. Juli 2017 in Kraft tritt, verlangt, dass sich Nutzer ausweisen müssen.

Gilt das für alle Karten?

Wer bereits eine Prepaid-Karte hat, ist von der Änderung nicht betroffen. Auch das Aufladen der Sim-Karten läuft weiterhin ohne Registrierung. Lediglich wer sich nach dem 1. Juli eine Karte kauft, muss sich der neuen Prozedur unterziehen.

Wie läuft es ab dem 1. Juli ab?

Beim Kauf der Karte muss der Kunde ein gültiges Ausweisdokument, etwa einen Reisepass oder einen Personalausweis, vorlegen. Alternmativ wird geprüft, wenn die Karte aktiviert wird. Abgefragt werden dann Name, Anschrift, Geburtsdatum, die Passnummer und der Ausstellungsort des Dokuments. Wer die Karte in einem Laden der großen Anbieter, wie etwa Telekom, Vodafone oder Telefonica, kauft, kann sie direkt registrieren und aktivieren lassen. Media Markt und Saturn planen die Registrierung ebenfalls vor Ort. Auch Aldi Süd will die Karten gleich vor Ort registrieren lassen. Andere Discounter hingegen sperren sich dagegen. Auch in Tankstellen oder Kiosken wird es wohl keine direkte Aktivierung geben. Die Drogeriekette Rossmann teilt mit: "Eine Identifikationsmöglichkeit ist weder an der Kasse noch sonst wo in unseren Filialen geplant."

Wer die Karte nicht vor Ort registrieren lässt, kann sie etwa mit Hilfe des Post-Ident-Verfahren aktivieren lassen. Dafür muss man allerdings in eine Postfiliale gehen, wo die Daten dann überprüft werden.

SZ-Grafik; Quelle: VATM/Dialog Consult (Foto: SZ-Grafik)

Gibt es eine Alternative?

Eine dritte, unkomplizierte Variante ist das sogenannte Video-Ident-Verfahren, wie es etwa ID Now, Web ID, Arvato und die Deutsche Post anbieten. Genutzt wird es schon heute, vornehmlich zur Kontoeröffnung bei Banken oder zum Abschluss von Versicherungsverträgen im Internet. Der Kunde spart sich so den Weg in eine Filiale. Die Registrierung läuft, wie der Name schon vermuten lässt, via Video. Der Kunde braucht dazu eine Internetverbindung und eine Webcam oder aber eine Kamera an seinem Smartphone. Während eines Videotelefonats prüft ein Mitarbeiter der jeweiligen Firma dann die Angaben auf dem Ausweis, den der Kunde in die Kamera hält, und ob das Aussehen der Person mit dem Foto auf dem Ausweis übereinstimmt. Zusätzlich sind die Mitarbeiter in den Unternehmen darauf geschult, Verhaltensweisen zu beobachten und so festzustellen, ob sich der Kunde auffällig verhält. Läuft alles ohne Probleme, dauert die Registrierung etwa fünf bis acht Minuten.

Bricht nun der Markt ein?

Trotz des komplizierteren Verfahrens rechnen die großen Telefonanbieter nicht mit einem Einbruch ihrer Kartenverkäufe. Auch wollen sie die Preise für die Prepaid-Angebote nicht erhöhen. Das bestätigten sie auf Anfrage. Und auch Discounter und Elektromärkte, an deren Kassen bislang sehr viele Prepaid-Karten verkauft werden, erwarten keine Probleme. Ein Sprecher der Drogeriekette Rossmann fasst zusammen, es sei zwar schwer einzuschätzen, man rechne aber nicht mit gravierenden Einbußen.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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