PR-Coup von Reemtsma:Tödliche Weihnachten

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Als ein Bundestagsabgeordneter seine Weihnachtspost durchsieht, bleibt er an einer Karte hängen: "Schokolade fördert Karies". So nimmt der Tabak-Konzern Reemtsma die Warnhinweise auf Zigaretten aufs Korn. Doch der Parlamentarier findet die Werbung einfach zynisch.

Bastian Brinkmann

Lothar Binding ist SPD-Abgeordneter im Bundestag und bekommt viel Weihnachtspost mit Sprüchen aller Art, selige, fröhliche, witzige. Doch in der Nachlese der vielen Karten sah er nun ein Exemplar, das er weder besinnlich noch komisch fand: Die Karte des Tabak-Konzerns Reemtsma.

Die Weihnachtskarte, die Lothar Binding vom Zigarettenhersteller Reemtsma bekommen hat. (Foto: dapd)

Sie zeigt einen Weihnachtsmann, der einen Warnhinweis trägt, wie ihn sonst nur Zigarettenpackungen haben müssen: "Schokolade fördert Karies", steht da. Eine Satire - doch lachen konnte Binding nicht.

Der Bundestagsabgeordnete ist ein Fürsprecher des Nichtraucher-Schutzes und tritt seit Jahren für entsprechende Gesetze ein. Somit fällt sein Urteil über die Konzern-Werbung sehr hart aus: "Das ist Häme auf Kosten der Gesundheit", sagte er Süddeutsche.de. Klar könne Schokolade Karies verursachen, Zigaretten aber Krebs, und das ab dem ersten Konsum - das könne man nicht gleichsetzen. "Hier werden Menschen mit einem netten Gag in die Sucht gelockt."

Reemtsmas Weihnachtskarte war kein Gruß nur an den Kontrahenten Binding. Auch andere Abgeordnete hätten die Karte bekommen, erzählt er.

Dass Binding nun öffentlich auf die Karte reagiert, Interviews gibt und Reemtsma einen offen Brief schreibt, passt dem Tabak-Unternehmen ins Konzept. Mit dem PR-Gag will Reemtsma eine Diskussion über eine Reform der EU-Tabakrichtlinie anstoßen. Die Pläne aus Brüssel sehen demnach vor, dass Werbung und Marketing für Zigaretten deutlich zurückgefahren werden müssten. Packungen, befürchtet Reemtsma, könnten alle gleich aussehen und unter die Ladentheke verschwinden, statt eines Warnhinweises könnten Schockfotos vor den Gefahren des Nikotins warnen.

Das ist für Reemtsma ein Angriff auf die offene Gesellschaft. Er hätte gerne eine Grundsatzdebatte, sagte Sebastian Blohm auf Anfrage, der oberste Lobbyist des Unternehmens: Wie viel darf die Politk den Bürgern vorschreiben?

Für Reemtsma geht es auch ums Geld. Der Konzern hat beispielweise 2006 für 540 Millionen die Rechte an der Marke "Davidoff" gekauft und seitdem weiterhin viel Geld in die Marke gesteckt. Kommen die Einheitspackungen, ist dieser Wert futsch.

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