Politiker testen Computerspiele:Schlagkräftige Argumente

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Zwischen Grand Theft Auto IV, virtuellem Boxen und Guitar Hero: Wie sich bayerische Landtagsabgeordnete beim gemeinsamen Computerspiele-Abend geschlagen haben.

Mirjam Hauck

Wenn ein CSU-Abgeordneter durch die dunklen Straßen von Liberty-City cruist, ein Grünen-MdL mit Rollerblades von Rampe zu Rampe springt und das FDP-Mitglied ein Moorhuhn nach dem anderen erlegt - dann ist das nicht der Betriebsausflug in die Hauptstadt mit anschließendem Abstecher in die Lüneburger Heide, sondern der "Parlamentarische Computerspiele-Abend".

Das Computerspiel Grand Theft Auto IV. (Foto: Foto: oh)

Die CSU-Fraktion des Bayerischen Landtags hatte am Mittwoch zu dieser Veranstaltung ins Maximilianeum geladen - die Abgeordneten sollten einfach mal selbst ausprobieren, was Innenminister Joachim Herrmann verbieten will ("Killerspiele") oder für was die Kollegin Christine Haderthauer aus dem Sozialministerium die Jugendfreigabe verweigern will (für Online-Rollenspiele wie World of Warcraft).

Spiele-Spätschicht

Diese beiden Computerspieleexperten konnte der medienpolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Eberhard Sinner, jedoch nicht begrüßen - letztlich eingefunden hatten sich rund 30 Abgeordnete aus vier Fraktionen. Einzig die Freien Wähler interessierten sich an diesem Abend nicht für Grand Theft Auto IV, Guitar Hero oder eines der anderen 63 präsentierten Spiele. "Sie haben zur Zeit andere Sorgen", kommentierte ein Mitglied des Landtags das Fernbleiben.

Wer dagegen die Spiele-Spätschicht im Landtag nicht scheute, konnte sich über eine Medienaufmerksamkeit freuen wie sie derzeit höchstens Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zu Teil wird. Um jeden der raren MdLs scharten sich sofort mehrere Kamerateams und Fotografen - sobald er oder sie auch nur eine Plastikgitarre oder einen Controller in die Hand nahm.

Doch die bayerischen Volksvertreter ließen sich davon nicht aus der Fassung bringen - die Politik der ruhigen Hand wird inzwischen auch südlich des Mains praktiziert - zumindest beim virtuellen Ballern, Hüpfen und Autorennen fahren.

"Zuhause habe ich lediglich ein Schachspiel auf dem Computer, hier kann ich neue Spiele kennen lernen", erklärte Alexander Radwan (CSU) sein Interesse am Spieleabend. Und tatsächlich versuchte sich der Parlamentarier auch an sogenannten Killerspielen wie Halo 3. Tobias Thalhammer (FDP) begeisterte sich vor allem für den Boxkampf mit der Wii Sport: "Schlagkräftige Argumente kann man nie genug haben."

Bei der Diskussion um das Killerspielverbot waren sich die beiden über Fraktionsgrenzen einig. Zwar gebe es schädliche Spiele, der Staat solle aber nicht alles regeln, vielmehr seien die Eltern in der Pflicht, ihren Kindern die notwendige Medienkompetenz zu vermitteln.

Doch nicht jeder Abgeordnete wollte seine pazifistischen Grundsätze für ein paar Minuten Spielspaß aufgeben. "Ich spiele nur Sportspiele, auf keinen Fall Shooter. Ich schieße nicht auf Menschen in der realen Welt, also werde ich das auch nicht in der virtuellen tun", sagte die Grüne Simone Tolle und sprang in Pixel-Blades von Rampe zu Rampe. Zum Glück transzendierten ihre Stürze nicht in die reale Welt - sonst hätte Tolle den Landtag mit doppeltem Schien- und Wadenbeinbruch verlassen müssen.

Wer vom Sporteln oder Schießen genug hatte, schnappte sich eine Plastikgitarre und zupfte als "Guitar Hero" ein paar Akkorde. Und wie der freundliche Hersteller-Vertreter mitteilte, zeigten die Parlamentarier dabei großes Talent: "Ich habe den einfachsten Modus eingestellt, den 'Neuling' - so kann jeder Taktgefühl beweisen." Eventuell überträgt sich dieses Gefühl auch auf die nächste Landtagsdebatte zu Computerspielen.

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