Pleite-Bank Lehman Brothers:"Die Leichenfledderer machen Kasse"

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Das Auktionshaus Christie's versteigert den künstlerischen Nachlass der Pleitebank Lehman Brothers in London. Wie irre werden Gebote für ein kleines Metallschild mit dem Namen der Pleite-Bank abgegeben.

Andreas Oldag, London

Ist es hochklassige Kunst oder nur teures Nippes? Auf diese Frage wollte sich Nick Martineau gar nicht erst einlassen. Für den Auktionator des britischen Auktionshauses Christie's ging es an diesem Tag vor allem darum, möglichst viel Geld einzunehmen. "Meine Damen und Herren, Sie können bieten", rief der Mann im eleganten Anzug in den überfüllten Saal. Die Angesprochenen ließen sich nicht lange bitten.

"New York Mercantile Exchange" von Andreas Gursky wird erst nächsten Monat versteigert. (Foto: AP)

Immerhin ging es um eine der spektakulärsten Versteigerungen in diesem Jahr: Unter den Hammer kamen mehr als 300 Gemälde, Antiquitäten und Sammlerstücke der US-Pleitebank Lehman, die im Londoner Finanzviertel Canary Wharf ihre Europaniederlassung hatte. "Jetzt machen die Leichenfledderer Kasse", meinte ein englischer Gentleman unter den Interessenten. Der graumelierte Herr zeigte feinen Sinn für Ironie.

So ging es um den Nachlass einer gigantischen Pleite, die den Lehman-Kreditgebern allein in Großbritannien Verluste von ungefähr 14 Milliarden Pfund bescherte. Tausende von Beschäftigten verloren ihren Job. Vor zwei Jahren brach das einst vom deutschen Einwanderer Henry Lehman zusammen mit seinen Brüdern 1850 gegründete Institut zusammen. Die Folge war ein weltweites Beben an den Finanzmärkten. Ziel der von der Wirtschaftsprüfergesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC) initiierten Auktion war es nun, zumindest einen kleinen Beitrag zur Schuldentilgung zu leisten. Das scheint gelungen zu sein.

Einen Raunen im Saal

Gleich beim ersten Los blieb der gut betuchten Kundschaft im Saal die Spucke weg. Eine Metallplakette, die anlässlich der Einweihung der Londoner Lehman-Filiale am 4. April 2004 durch den ehemaligen britischen Premierminister Gordon Brown angefertigt war, entpuppte sich als wahrer Star unter den Objekten. Innerhalb von Sekunden schoss der Preis nach oben: 3000, 4000, 5000 Pfund. Auktionator Martineau heizte die Stimmung an. "Sind Sie wirklich sicher", fragte er einen Bieter, der mit seinem Gebot gerade die 10.000-Pfund-Marke durchbrochen hatte. Der Angesprochene nickte mit einem Lächeln.

Am Ende ging ein Raunen durch den Saal. Der Hammer fiel bei 28.750 Pfund. Viel Geld für ein Stück Metall, das eine Höhe von 35,3 Zentimeter und eine Breite von 59,5 Zentimeter hat. Aber so ging es munter weiter. Das zweite Los übertraf die kühnsten Erwartungen: Ein Bieter ersteigerte das drei Meter lange Firmenschild, das einst in der Eingangshalle an der Canary Wharf prangte für 42.000 Pfund. Bei dem Käufer könnte es sich um einen Ex- Lehman-Manager handeln, der damit seinen Partykeller schmücken wolle, hieß es im Saal. Doch eine Bestätigung gab es nicht. Christie's achtet auf Diskretion.

Eine Mischung zwischen Flohmarkt und Kunstszene

Ein Gemälde, das unter Los-Nummer 1094 rangierte, hat für Lehman durchaus Symbolcharakter: Fünf Segelschiffe kämpfen sich auf dem vom britischen Künstler John Thomas Serres (1759 bis 1825) gemalten Ölgemälde durch einen schweren Sturm. Die Wellen brechen sich bedrohlich. Der Himmel ist von dunklen Wolken bedeckt. Serres lässt die Betrachter allerdings im Unklaren, ob die Schiffe einen sicheren Hafen anlaufen konnten. Für dieses düstere Werk fiel der Hammer bei 6875 Pfund.

Andere Objekte, wie beispielsweise eine Radierung des britischen Künstlers Lucian Freud (Schätzwert 8000 bis 12.000 Pfund) oder eine abstraktes Gemälde des britischen Malers Gary Hume mit dem Titel "Madonna" (Schätzwert 80.000 bis 120.000 Pfund) galten als Highlights der Versteigerung ebenso wie ein großformatiges Foto von Andreas Gursky von der New Yorker Börse. Dieses Werk, das mit 150.000 Pfund angesetzt ist, soll allerdings erst im nächsten Monat versteigert werden.

So herrschte im Auktionssaal eine Mischung zwischen Flohmarktgefühl und angespannter Kunstszene. "Die Stücke werfen ein faszinierendes Schlaglicht auf eine Bank, die einst ein Gigant in der Finanzszene war", meinte Christie's-Manager Benjamin Clark. Einige Londoner Kunstkenner hatten zwar schon im Vorfeld Auktion die Nase über vieles, wertloses "Gerümpel" aus dem Lehman-Leichenhaus gerümpft.

© SZ vom 30.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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