Pipers Welt:Das Prinzip Macy's

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Donald Trump und die Republikaner wollen eine Unternehmensteuer einführen, die Importe bestraft und Exporte belohnt. Das Konzept ist intelligenter, als es aussieht.

Von Nikolaus Piper

Noch wichtiger als die Freiheitsstatue ist für Touristen in New York Macy's, der Konsumtempel am Herald Square. Kenner unter den ausländischen Besuchern gehen, wenn sie das Kaufhaus betreten, als erstes in die Kundenbetreuung, legen ihren Reisepass vor und bekommen dann eine Bescheinigung, die alle Einkäufe von der Umsatzsteuer (in New York immerhin 8,875 Prozent) befreit. Da lohnt es sich, einen Packen Jeans, Sportjacken und Hemden auf Vorrat zu kaufen, in der Hoffnung, dass der Bauch auf absehbare Zeit nicht wächst und der deutsche Zoll bei der Rückkehr nichts merkt.

An die Kundenabteilung von Macy's sollte denken, wer sich in diesen Tagen mit den Steuerplänen von Donald Trump und den Republikanern befasst. Ihr Projekt trägt einen entsetzlichen Namen: "Destination-Based Cash-Flow Tax", was man übersetzen könnte mit "Steuer auf den Cashflow in Abhängigkeit vom Absatzgebiet". Tatsächlich ist das Prinzip sehr einfach: US-Unternehmen sollen künftig so ähnlich behandelt werden wie Macy's und seine Kunden heute: Was sie an Amerikaner verkaufen, wird besteuert, was an Ausländer geht, bleibt steuerfrei. Außerdem - und das ist vermutlich die gravierendste Änderung, können Importe nicht mehr als Kosten von der Steuer abgezogen werden. Dadurch wird, um ein Beispiel aus Sicht einer Autofabrik von Ford zu nehmen, ein kanadischer oder ein mexikanischer Stoßdämpfer automatisch um 20 bis 35 Prozent (je nach Steuersatz) teurer als ein amerikanischer. Es ist offensichtlich, dass dies immense Folgen für den Außenhandel hat und somit keine innere Angelegenheit der Vereinigten Staaten mehr ist.

Nun hat sich die internationale Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen angewöhnt, das Weiße Haus als Tollhaus zu betrachten. Dafür gibt es jede Menge guter Gründe, nicht zuletzt nach dem gescheiterten Versuch des Präsidenten, Barack Obamas Gesundheitsreform zurückzunehmen. Es ist auch gut möglich, dass Trump angesichts des Kampfes mächtiger Interessen im Hintergrund überhaupt nichts zuwege bringt. Aber angesichts der unabsehbaren Konsequenzen, welche die Steuerreform haben kann, sind besonders die Deutschen, die in kein Land so viel verkaufen wie in den USA, gut beraten, sich auf die Reform vorzubereiten.

Anders als die wilden Theorien über Abschottung und Zölle, stammt die Cashflow-Steuer nicht aus dem Zirkel der Protektionisten in der neuen Regierung. Das Konzept wurde in langen wissenschaftlichen Diskussionen seit Beginn dieses Jahrtausends entwickelt. Pioniere waren dabei zwei Wirtschaftsprofessoren: Alan Auerbach von der Universität Berkeley und Michael Devereux von der Said Business School in Oxford. Im vergangenen Juni machte sich die republikanische Mehrheit im mächtigen Ways and Means Committee des Repräsentantenhauses (vergleichbar mit dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages) Auerbachs und Devereuxs Konzept zu eigen. Die Cashflow-Steuer mit Grenzausgleich soll die bisheriger Körperschaftsteuer ersetzen.

Eine Mehrwertsteuer der besonderen Art für US-Unternehmen

Zur Brisanz des Themas gehört, dass das Konzept ziemlich intelligent ist, dass es per se auch gar nicht protektionistisch ist, dass es aber in den Händen einer protektionistischen Regierung durchaus protektionistisch wirken kann. Die USA würden der erste Staat der Welt, in dem nicht mehr die Gewinne der Unternehmen besteuert werden, sondern die Verkaufserlöse des Unternehmens abzüglich der inländischen Vorleistungen, der Investitionen und der Löhne. Im Kern wird die bisherige Körperschaftsteuer ersetzt durch eine Mehrwertsteuer, bei der auch die im Inland gezahlten Löhne abzugsfähig sind. So eine Steuer hätte enorme Vorteile. Sie wirkte im Gegensatz zu einer normalen Mehrwertsteuer progressiv (je mehr Löhne jemand zahlt, desto geringer seine Steuerschuld). Sie würde Investitionen fördern (und nicht, wie das bisherige System, Schuldenmacherei). Und Sie würde den internationalen Steuerwettbewerb eindämmen und etliche Steuertricks obsolet machen. Wenn die Steuer nur vom Verkauf im Inland abhängt, ist es sinnlos, Gewinne ins Ausland zu verlagern. Die Steuerspiele von Apple und anderen US-Konzernen in Europa gäbe es nicht mehr.

Das Ganze ist hoch umstritten, besonders wegen der Grenzausgleichs, bei dem Importe belastet und Exporte freigestellt werden. Klar ist, dass auf diese Weise ausländische Waren innerhalb der Vereinigten Staaten diskriminiert werden. Das ist schlecht für Exporteure, es ist aber auch schlecht für amerikanische Einzelhändler, die ihr Geschäft mit billigen Importen machen. Die wollen die Reform verhindern und haben sich zu einer Lobby zusammengeschlossen mit Namen Americans for Affordable Products. Wal-Mart ist dabei, Macy's übrigens auch. Profitieren werden dagegen Exporteure wie General Electric und die amerikanische Filmindustrie.

Alan Auerbach, Miterfinder der Steuer, gesteht ein, dass das Konzept in der jetzigen Form nicht mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) konform ist. Tatsächlich würden die Folgen für das Handelsdefizit der USA minimal sein, glaubt Auerbach, denn die Reform werde eine massive Aufwertung des Dollar nach sich ziehen. Die würde Importe in die USA billiger und Exporte teurer machen. Daran mag man glauben oder auch nicht. Wechselkurse werden auf so etwas Merkwürdigem wie Devisenmärkten ermittelt, und die halten sich selten an die Vorgaben von Ökonomen.

So oder so, die Steuer wird die Welt verändern. Deutsche Politiker sollten die Entwicklung genau beobachten. Vielleicht kommen sie eines Tages zum Schluss, dass es die angemessene Reaktion darauf wäre, selbst eine angemessene Cashflow-Steuer einzuführen.

An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Franziska Augstein und Nikolaus Piper im Wechsel.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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