Peugeot:Die nächste Kurve

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Carlos Tavares ist vor zwei Jahren zu PSA gekommen, um den angeschlagenen Autokonzern zu sanieren. (Foto: Simon Dawson/Bloomberg)

Zwei Jahre nach der dramatischen Rettung hat sich der französische Autohersteller Peugeot gut erholt und könnte einen Milliardengewinn vorlegen.

Von Leo Klimm, Paris

"Ich will vorne sein!" - Carlos Tavares plagt keine falsche Bescheidenheit, wenn er nach seinem Ehrgeiz gefragt wird. Er ist stolz, es zum obersten Chef gebracht zu haben. Und als solcher will der passionierte Hobby-Rennfahrer unbedingt, dass sein Konzern PSA Peugeot Citroën im Wettbewerb der Autohersteller wieder nach vorne kommt. Kein leichtes Unterfangen für ein Unternehmen, das vor ein paar Jahren kurz vor der Pleite stand. Aber der bekennende Ehrgeizling Tavares, der vor zwei Jahren als Sanierer bei PSA anheuerte, kommt überraschend gut voran.

Wenn er an diesem Mittwoch die Peugeot-Jahresbilanz für 2015 vorlegt, wird Tavares nach Erwartung der meisten Marktbeobachter vermelden können, dass er sein erstes Etappenziel vorzeitig erreicht hat. So schätzen Analysten, dass er nach drei Jahren, die von Milliardenverlusten geprägt waren, einen Gewinn in Höhe von etwa einer Milliarde Euro präsentieren wird. Auch das Ziel, mit der Autosparte des Konzerns eine Rendite von zwei Prozent zu schaffen, könnte Tavares schon jetzt erreichen. Zwei Jahre früher als geplant.

Europas größter Autohersteller nach Volkswagen hat ein kleines Comeback geschafft. Ganz vorne, da wo Tavares stehen möchte, ist er zwar noch lange nicht. Dazu ist der Hersteller mit jährlich drei Millionen verkauften Fahrzeugen im Weltmaßstab zu klein und noch zu wenig rentabel. Dazu wirken auch die Strategiefehler der Nullerjahre zu sehr nach: Das Unternehmen ist immer noch stark auf Europa konzentriert und hat den Trend zu Premiumautos zu spät erkannt. "Aber die Rettung ist abgeschlossen", sagt Bernard Jullien, Experte beim Auto-Think-Tank Gerpisa. Womöglich zahlt der Konzern seinen Aktionären 2016 sogar zum ersten Mal seit acht Jahren eine Dividende.

Das ist schon etwas, bedenkt man die akute Geldnot, die Peugeot zwischen 2012 und 2014 beherrschte: Der Konzern, der allein in Frankreich mehr als 100 000 Mitarbeiter beschäftigt, benötigte erst Milliardengarantien des Staates. Dann musste die heillos zerstrittene Gründerfamilie Peugeot nach 200 Jahren die Kontrolle über das Unternehmen aufgeben und per Kapitalerhöhung den Staat sowie den chinesischen Dongfeng-Konzern an PSA beteiligen. Ein Werk bei Paris wurde dichtgemacht, mehr als 8000 Mitarbeiter mussten gehen. Alles, was sich zu Geld machen ließ, musste unter Tavares und seinem Vorgänger Philippe Varin eilig verscherbelt werden - darunter auch der Konzernsitz in Pariser Bestlage. Selbst die Teilnahme an der traditionsreichen Rennserie der 24 Stunden von Le Mans konnte sich Peugeot nicht mehr leisten.

"Tavares hat das getan, was er früher schon bei Nissan gemacht hat", sagt Experte Jullien. "Er hat dem Unternehmen eine Kultur der Wirtschaftlichkeit verpasst. Bei Peugeot wurde in der Autoentwicklung jahrzehntelang vor allem nach technologischen Kriterien entschieden und nicht aufs Geld geschaut." Tavares hingegen ist beim Sparen radikal: Er hat Aufgaben, etwa in der Forschung und der IT, aus dem Konzern ausgelagert, Fertigungslinien geschlossen, die Modellpalette ausgedünnt und stellt - nach dem Vorbild von Volkswagen - die gesamte Produktion auf nur zwei technische Plattformen um. Er hat die Löhne eingefroren und seine eigenen Versorgungsansprüche wie auch die anderer Topmanager gekürzt. Nach der Rückkehr zur Profitabilität könnte Tavares demnächst allerdings bald ein neues Ziel ausrufen: mehr Wachstum. Denn ohne Wachstum wird er nie nach vorn kommen.

Dafür läuft es auch gut im Moment. Nicht nur deshalb, weil Peugeot anders als VW oder Renault keine Dieselaffäre belastet. Der Absatz von PSA stieg 2015 in Europa um sechs Prozent. Besonders die Marke Peugeot meldet dank des Erfolgs mit dem Golf-Konkurrenten Peugeot 308 gute Verkaufszahlen. Die Folge: In den europäischen Werken hat PSA im vergangenen Jahr 110 000 Fahrzeuge mehr produziert als geplant. Davon profitiert etwa das Stammwerk im ostfranzösischen Sochaux oder die Fabrik im slowakischen Trnava, während andere Standorte immer noch nicht ausgelastet sind. Und 2016 dürfte der Absatz in Europa weiter steigen.

Die meisten Autos verkauft der Konzern in China. Das wird nun zum Problem

Darüber hinaus setzt PSA große Hoffnungen auf Iran: Nach dem Wegfall der Sanktionen gegen das Land steigt der Konzern dort wieder groß ins Geschäft ein - wenngleich er iranischen Angaben zufolge dafür erst einmal 430 Millionen Euro an einen lokalen Auftragsfertiger zahlen muss. Für die Franzosen dürfte sich das lohnen. Iran ist traditionell ein wichtiger Markt für sie. Bis 2011 war es sogar ihr zweitwichtigster nach Frankreich.

Inzwischen ist China das Land, in dem PSA Peugeot Citroën die meisten Autos verkauft. Nachdem das Unternehmen den Run der Rivalen dorthin erst nicht mitgemacht hatte, hat es mit dem Partner Dongfeng die Produktion zuletzt stark hochgefahren. Allerdings wird genau das jetzt zum Problem: Das China-Geschäft läuft wegen der Konjunkturkrise schleppend, bei Citroën und der Premiummarke DS, die vor allem chinesische Kunden locken soll, ist der Absatz sogar eingebrochen. Prompt nimmt die ungute Abhängigkeit des Konzerns von Europa wieder zu. Die von Tavares gewünschte Marken-Segmentierung nach Vorbild des VW-Konzerns - wo Audi, Volkswagen und Škoda verschiedene Kundengruppen ansprechen - zeigt auch noch keine erkennbaren Erfolge. Bei Citroën, heißt es in der Branche, herrscht wenig Begeisterung darüber, dass die Traditionsmarke praktisch ins Billigsegment herabgestuft wurde. "Der Konzern ist insgesamt noch sehr verwundbar", sagt Experte Jullien. "PSA hat ein Problem in der Markenstrategie, produziert immer noch zu wenig Autos und erlöst zu wenig Cash."

Trotzdem kann Tavares, der rasende Konzernchef, mit dem zufrieden sein, was er schon geschafft hat. Genau wie die neuen Großaktionäre Dongfeng und der französische Staat. Für sie hat sich die Peugeot-Rettung schon gelohnt: Würde der Staat seine PSA-Anteile jetzt verkaufen, erzielte er einen Anlagegewinn von 600 Millionen Euro. Das kann nicht jeder Autoretter von sich behaupten. Die US-Regierung zum Beispiel verlor mit ihrer Nothilfe für General Motors einst 11,2 Milliarden Dollar.

© SZ vom 23.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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