Die Szene hatte etwas von Loriot: "Ich wohne hier", entgegnete Peter Franz Schmid der verdutzten Nachbarin, die ihre Kleinen zum Kindergeburtstag brachte. In das Haus am Rand von Berlin, in dem Schmid zwar noch wohnt, aber inzwischen nicht mehr so oft mitten in der Woche anzutreffen ist.
Damals, ein gutes Jahr ist das her, hatte er Zeit für Kindergeburtstage. Er hatte seinen neuen Posten als Geschäftsführer der Partnervermittlungsagentur Parship noch nicht angetreten, konnte der Nachbarin aber schon davon erzählen. Ihren Blick wusste Schmid zunächst nicht zu deuten: War es Verwunderung, Anerkennung, Neugier?
Schätzungen zufolge haben im vergangenen Jahr allein die deutschen Singles 179,5 Millionen Euro bei einer Online-Partnerbörse gelassen. Die Privatinitiative "singleboersen-vergleich.de" hat etwa 2000 Plattformen für die Partnersuche gezählt, darunter aber nur eine Handvoll von ernstzunehmender Größe.
Über das persönliche Parship-Projekt wird nur geredet, wenn es erfolgreich war
Parship, ein Tochterunternehmen der Holtzbrinck-Verlagsgruppe, gilt in Europa als der größte Anbieter: Präsent in 13 Ländern des Kontinents sowie in Mexiko, 100 Millionen registrierte Mitglieder, ein jährlicher Umsatz von zuletzt 56 Millionen Euro. Und wer Schmid, 40, fragt, wie das so sei als Kuppler der Nation, dem erzählt er von seiner Nachbarin.
Er erzählt dies, weil es längst normal geworden ist, im Netz nach dem Mann oder der Frau fürs Leben zu suchen. Aber eben doch nicht so normal, dass man mit jedem darüber spricht. Nur, wenn man sein Gegenüber kennt. Und auch nur, wenn das persönliche Parship-Projekt erfolgreich war.
Schmids Vorgänger hatte in Interviews noch erzählt, seine Eltern hätten damals, als er 2003 die Führung übernahm, gedacht, er mache jetzt irgend etwas mit Schmuddelkram. Davon will Schmid nichts wissen. Dass es inzwischen die verschiedensten Partnerbörsen im Netz gibt, mache es für Parship einfacher, sich abzugrenzen, sagt er.
Andy Warhol statt ein Kicker
"Wer einen Seitensprung sucht, der füllt nicht erst unseren ausführlichen Fragenkatalog aus." Für die unüberschaubare Menge an Menschen, die im Netz einen Partner suchen, will Parship ein Kompass sein. Für jene, die eine dauerhafte Beziehung aufbauen wollen, und für diejenigen, denen es eher darauf ankommt, Zeit und Nerven zu sparen als Geld. Vor allem Akademiker, gehobenes Einkommen, 28 Jahre aufwärts.
In Schmids Büro über den Dächern Hamburgs steht kein Kicker und kein buntes Sofa. Statt Jeans und Turnschuhen trägt er einen Anzug, weil am Abend noch ein Medien-Dinner in einem noblen Hotel ansteht. Über seinem Schreibtisch hängt ein Poster zu einer Andy-Warhol-Ausstellung, das er einst als Lohn für ein Praktikum in einem Kunstförderverein bekommen hat. An den Rändern sind Klebestreifen und Löcher von Reißzwecken zu sehen, so oft hat er es wegen der vielen Umzüge abnehmen und wieder anbringen müssen. Vor ein paar Jahren aber hat er es ganz edel rahmen lassen.
Schmid sammelt Kunst. Eine Galerie um die Ecke sei bislang der einzige Ort außerhalb des Büros, den er sich genauer angesehen habe hier in Hamburg. Zwar habe ihm seine Frau verboten, in Galerien zu gehen, erzählt er und grinst. Aber nun hat er ja diese kleine Wohnung für wochentags. Das Wochenende verbringt er mit der Familie im Brandenburgischen. Er hat zwei Zwillingssöhne und eine Tochter. Seine Frau, eine Juristin, hat er während des Studiums in München kennengelernt. Inzwischen ist er beinahe ebenso lange verheiratet, wie es Parship schon gibt: fast zehn Jahre.
Auch er und seine Frau haben ihre Persönlichkeit bei Parship analysieren lassen. "Das Ergebnis war interessant", sagt er. Wie gut er demnach zu seiner Ehefrau passt, sagt er nicht. Gut möglich, dass der Computer, der, basierend auf einem von Psychologen entwickelten Persönlichkeitstest, Kandidaten fürs Rendez-vous vorschlägt, die beiden gar nicht zusammengeführt hätte. Das ist der Haken am Anbandeln übers Internet: Es ist wissenschaftlich, aber die Liebe ist nun einmal keine Wissenschaft. Sie ist Zufall, Bauchgefühl, Leidenschaft. Im Internet aber kommt all dies nicht vor: Dort ist der nächste Flirt nur einen Klick entfernt. Dort werden E-Mails hin und her geschickt und so Illusionen geschaffen, die bei der ersten Begegnung zerplatzen wie eine Seifenblase.
Schmid bestreitet all dies gar nicht. Dass die Ansprüche der Frauen gestiegen sind, die Aufmerksamkeit füreinander gesunken ist, Bindungen brüchiger geworden sind. All das sei eine gesellschaftliche Entwicklung. Und vielleicht, sagt Schmid, vergessen manche, die bei Parship nach der großen Liebe suchen, dass letztlich sie es sind, die sich verlieben müssen. Als Privatmensch finde er das durchaus bedenklich, als Geschäftsmann kommt es ihm entgegen: "Selbst wenn wir sehr erfolgreich sind, gibt es immer noch genug für uns zu tun."
Der Manager ist unweit vom Bodensee groß geworden. Sein Urgroßvater hatte eines der ersten Elektrizitätswerke in der Gegend, sein Großvater eines der ersten Autohäuser. Er habe früh gelernt, wie es ist, sein eigenes Geld in eine Firma zu stecken, dafür aber auch seine eigenen Ideen umsetzen zu können, sagt Schmid. Nach dem Betriebswirtschaft-Studium fängt er bei dem Konsumgüterkonzern Procter&Gamble an. Dann entdeckt er das Internet: 1999 startet er mit einem Kroaten und einem Italiener in einem Büro hinter den Münchner Bahngleisen eine Online-Börse für Gebrauchtwagen. Sein Schwiegervater sei damals ernsthaft besorgt gewesen, erzählt Schmid.
Das Portal wird wenig später Teil der Scout-Gruppe - als Autoscout 24, noch heute einer der wichtigsten Umschlagplätze für Autos im Netz. 2004 kauft die Telekom die gesamte Scout-Gruppe für 180 Millionen Euro. In den Jahren dazwischen war die Internetblase geplatzt. Wie ein Beschleuniger für die Gebrauchtwagenbörse sei das gewesen, erinnert sich Schmid. Einige Wettbewerber wurden aus dem Weg gefegt, zugleich mussten sie selbst disziplinierter wirtschaften. "Es braucht solche Phasen, um Ideen voranzubringen."
Von Amerika lernen
Er lässt seinen Blick durchs Fenster über die Speicherstadt schweifen, die Kräne aus dem Hamburger Hafen sind zu sehen. Ihm sei schon klar, warum in Deutschland Werften subventioniert werden. Verstehen aber könne er es nicht. Vier Jahre war Schmid zuletzt bei dem Autoportal "mobile.de", das zum Internetkonzern Ebay gehört. Regelmäßig war er in der kalifornischen Konzernzentrale. So viel könnten die Deutschen seiner Überzeugung nach von den Amerikanern lernen: Wie man Universitäten besser mit Unternehmen vernetzt, wie man mutiger Investitionen wagt.
Dieser Drang nach Veränderung habe ihn, so sagt er, auch zu Parship gebracht. Es sei gar kein so großer Unterschied, im Internet Autos zu verkaufen oder die große Liebe. Viel entscheidender sei, ob man ein deutsches Unternehmen führt oder nur die deutsche Niederlassung eines US-Konzerns. "Es war toll, ab und an ins Silicon Valley zu reisen. Aber das ist eben auch verdammt weit weg."
In Deutschland lässt sich über etwa 2000 Internetportale nach der großen Liebe oder einem kleinen Flirt suchen, so die Schätzung der Privatinitiative "singleboersen-vergleich.de", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den unübersichtlichen Markt für Verbraucher ein wenig zu sortieren. In kaum einem anderen europäischen Land gibt es nach Einschätzung der Branchenbeobachter so viele verschiedene Anbieter, und nirgendwo sonst wird so viel Geld mit den einsamen Herzen gemacht: Etwa 200 Millionen Euro haben die Online-Datingbörsen hierzulande in diesem Jahr umgesetzt. Für das kommende Jahr rechnet singleboersen-vergleich.de mit einem Plus von einem guten Fünftel. Zum Vergleich: In Frankreich, wo die Partnersuche im Netz ebenfalls noch recht verbreitet ist, ist der Umsatz Schätzungen zufolge nur etwa halb so groß.