Zwischen den Zahlen:Ist da jemand?

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Ihn sollte man besser nicht warten lassen: Russlands Präsident Vladimir Putin bei einer Videokonferenz. (Foto: Aleksey Nikolskyi/imago images)

Pünktlich oder mit Ruhe: Es ist gar nicht einfach, das richtige Timing für den Videocall zu finden.

Von Stephan Radomsky

Die Videosoftware ist hochgefahren, das Ringlicht sitzt und leuchtet, die Linse ist geputzt. Er könnte also losgehen, der nächste Videocall. Fragt sich nur: Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Einwählen? Ist es besser, ganz höflich ein bisschen zu früh zu kommen - oder lässt man dem oder den Gesprächspartnern den Vortritt in den virtuellen Konferenzraum?

Die Frage ist, gerade im Arbeitskontext, überhaupt nicht trivial. Schließlich war es schon immer eine Statusfrage, wer wen warten lässt: Über die Zeit des Gegenübers bestimmen zu können, ist ein Zeichen von Macht. Nur dass man, als man noch ganz körperlich vorstellig wurde, zumindest von einem anderen Menschen in Empfang genommen und womöglich nach Getränkewünschen befragt wurde, bevor man für unbestimmte Zeit in irgendeiner Sitzecke schmorte. Im Videocall dagegen starrt der Wartende ins schwarze Nichts des dunklen Bildschirms oder - fast noch schlimmer - betrachtet zweifelnd das eigene Abbild im Schein der Ringleuchte. Und wer einen Kaffee will, muss ihn sich schon selbst kochen.

Ist später also besser? So einfach ist es leider auch nicht. Denn die anderen warten zu lassen, muss man sich leisten können. Man muss sich seiner Sache sicher sein, vor allem wenn es mehr ist, als nur ein Zwiegespräch. Oft entscheidet der Prolog darüber, wie die Konferenz selbst läuft. Ist die Stimmung unter den frühen Teilnehmern gelöst oder eher angespannt? Worüber wird gesprochen, bevor es ans Geschäftliche geht? Werden da vielleicht sogar letzte Absprachen getroffen für das Eine oder gegen den Anderen? Wem hier etwas entgeht, der kann anschließend plötzlich ziemlich alt aussehen.

Timing ist also alles. Insofern wäre es doch vielleicht gar nicht dumm, alle einigten sich auf eine gemeinsame Regel: Der Termin beginnt, wenn er eben beginnt. Nicht fünf Minuten vorher, nicht zehn später. Und das Zweifeln hätte ein Ende.

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