Ottmar Pfaff gibt Betrug von Banken zu:Ex-Nici-Chef nach Geständnis in Haft

Lesezeit: 2 min

Scheingeschäfte mit Großabnehmern sollten helfen, Entlassungen zu vermeiden

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Ottmar Pfaff, langjähriger Vorstandschef des pleite gegangenen Plüschtier-Unternehmens Nici, sitzt nach einem Geständnis in Untersuchungshaft.

"Wie bei einem Schneeballsystem." (Foto: Foto: ddp)

Pfaff gab zu, Banken mit Scheingeschäften betrogen zu haben. Er habe vergeblich versucht, Nici mit dem WM-Maskottchen Goleo zu retten.

Beim Plüschtier-Hersteller Nici aus Altenkunstadt in Nordbayern, der vor einer Woche Insolvenz anmeldete, ist seit Jahren in großem Stil kriminell gewirtschaftet worden.

Der bisherige Vorstandschef und Großaktionär Ottmar Pfaff, 57, legte nach Angaben seines Anwaltes Wolfgang Dingfelder bei der Staatsanwaltschaft in Hof ein Geständnis ab und wurde anschließend festgenommen.

Pfaff sitzt in Hof im Gefängnis; er muss mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen. Der Ex-Firmenchef wird von Dingfelder und dessen Anwaltskollegen Kai-Udo Wiedenmann vertreten.

Dingfelder sagte am Sonntag der Süddeutschen Zeitung, sein Mandant habe bei einer Vernehmung am Freitag "reinen Tisch" gemacht und zugegeben, bereits sei dem Jahr 2000 etliche Banken und andere Finanzfirmen betrogen zu haben.

"Harmoniebedürftiger Firmenchef"

Pfaff habe sich aber nicht persönlich bereichert, sondern das Geld in die Firma gesteckt, um dort Entlassungen und andere schmerzliche Einschnitte zu vermeiden.

Dingfelder bezeichnete Pfaff als "harmoniebedürftigen Firmenchef", der die Nici AG mit ihren 580 Beschäftigten als "große Familie" empfunden habe. "Er wollte dort niemandem weh tun." Deshalb habe er in den vergangenen Jahren entstandene Fehlbeträge mit Erlösen aus Scheinrechnungen ausgeglichen.

"Zuletzt hat Pfaff gehofft, mit dem WM-Maskottchen Goleo so viel Geld einzunehmen, dass er die finanziellen Lücken schließen kann", sagte Dingfelder. Den aktuellen Fehlbetrag habe Pfaff mit 25 Millionen Euro beziffert. Der Verkauf von Goleo sei aber sehr viel schlechter gelaufen als vom bisherigen Firmenchef kalkuliert.

Pfaff habe bei dem WM-Löwen bis heute mit Erlösen in Höhe von 35 Millionen Euro gerechnet, tatsächlich seien nur 14 Millionen Euro eingenommen worden, erklärte Dingfelder. Allein die Lizenzgebühr für Goleo habe bereits 3,5 Millionen Euro gekostet.

Nach ersten Erkenntnissen der Strafverfolger hat Pfaff seit dem Jahr 2000 mindestens 40,5 Millionen Euro für Nici ergaunert, indem er Geschäfte mit Großabnehmern vortäuschte. Pfaff veräußerte Scheinrechnungen für die nur auf dem Papier ausgelieferte Nici-Ware an Factoring-Gesellschaften, die sich vornehmlich im Besitz von Banken befinden.

Solche Finanzfirmen kaufen Forderungen auf, um sie später einzutreiben. Die Staatsanwaltschaft, die bei Nici vergangene Woche eine Razzia vorgenommen hatte, prüft laut Durchsuchungsbeschluss vermutlich "manipulierte Verkäufe" von Spielzeugen an Großabnehmer wie Adidas, Kaufland, Tengelmann, Karstadt, Kaufhof, Ferero und Siemens.

Geschädigt worden sein sollen vor allem eine namhafte Factoring-Firma sowie die HypoVereinsbank und die Postbank. Ermittelt wird auch gegen den kaufmännischen Leiter von Nici.

Die kriminellen Delikte fielen über die Jahre hinweg weder den Banken noch den Wirtschaftsprüfern auf.

Belegschaft hatte selbst investiert

Pfaff sagte laut Dingfelder aus, er habe wie bei einem "Schneeballsystem" fällige Forderungen der Factoring-Gesellschaften mit Einnahmen aus neuen Scheinrechnungen beglichen. Zuletzt sei Pfaff "mit den Nerven am Ende gewesen" und habe sich den Mitgesellschaftern, Vorstandskollegen und Wirtschaftsprüfern offenbart.

Der Aufsichtsrat, der daraufhin ebenfalls von dem kriminellen Treiben erfuhr, feuerte Pfaff am 11. Mai und erstattete Strafanzeige. Dem langjährigen Vorstandschef gehörten 26 Prozent, seiner Familie und Verwandten insgesamt 88 Prozent der Nici-Aktien.

Die Belegschaft hatte in die nicht börsennotierte AG selbst sechs Millionen Euro investiert, die nun verloren sein dürften. Allein die vorrangigen Forderungen aus dem Bankenbereich sollen bei über 100 Millionen Euro liegen.

Nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten, die inzwischen Einblick bei Nici erhielten, ist das Unternehmen "personell aufgebläht". Nici leiste sich einen "sozialen Service", der nicht bezahlbar gewesen sei.

So seien die Angestellten auf Knopfdruck mit Getränken am Arbeitsplatz bedient worden. Das Firmengebäude sei großzügig gestaltet worden, mit japanischem Ziergarten und Ruheoasen.

Die Kosten hätten in keinem Verhältnis zur Ertragslage gestanden. Pfaff habe wie ein Patriarch agiert und niemandem Einblick gewährt; deshalb seien die Manipulationen nicht aufgeflogen.

© SZ vom 22.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: