Ölpreis und Sanktionen:Russlands tiefer Fall

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Der Ölpreis fällt - Russlands Wirtschaft leidet. (Foto: AFP)

Die Währung und die Wirtschaft taumeln - auch wegen der Sanktionen gegen Russland. Vor allem aber ist das Land enorm von Einnahmen aus dem Ölexport abhängig, der Rohstoff ist derzeit sehr billig. Doch was, wenn die Preise weiter fallen?

Von Markus Zydra, Frankfurt

An den Finanzmärkten ist darüber schon eine ganze Weile spekuliert worden: Stürzt die russische Wirtschaft ab? Jetzt hat die Befürchtung einen amtlichen Stempel erhalten: Die russische Regierung rechnet für das kommende Jahr mit einer Rezession im Land. Wie das Wirtschaftsministerium am Dienstag mitteilte, soll die Wirtschaft um 0,8 Prozent schrumpfen. Bislang hatten die Planer in Moskau mit einem Wachstum von 1,2 Prozent gerechnet.

Zwei Gründe gibt es für den Absturz. Zum einen die westlichen Sanktionen: Sie haben die Kapitalflucht beschleunigt. Zum anderen der niedrige Ölpreis: Weil das wichtigste Exportgut des Landes immer weniger kostet, sinken die Deviseneinnahmen - und schrumpft die Wirtschaft.

Die schlechte Nachricht aus dem russischen Wirtschaftsministerium erreichte die Welt einen Tag nach dem historischen Kollaps an den Devisenmärkten. Der Rubel hatte am Montag in der Spitze 6,5 Prozent gegen den Dollar verloren - der höchste Tagesverlust seit 1998, als Russland seine Währung abwertete und die Auslandsschulden nicht mehr bediente. Der Wert des Rubels - sowohl in Euro als auch in Dollar - liegt nun so niedrig wie nie zuvor in seiner Geschichte.

Investoren ziehen in einer solchen Situation die Reißleine und verkaufen noch mehr Rubel. Im Jahr 2015, so die Prognose der Ministeriums, werden daher weitere 90 Milliarden Dollar aus dem Land geschleust werden. Dieses Geld fehlt dann der russischen Wirtschaft. Für das Jahr 2014 rechnet Moskau bereits mit einem Kapitalabfluss von 125 Milliarden Dollar.

Russland verliert bis zu 100 Milliarden Dollar jährlich

Russland bezieht etwa 40 Prozent seiner staatlichen Einnahmen aus dem Öl-Export. Nach der Entscheidung der Organisation erdölproduzierender Länder (Opec) vergangene Woche, trotz des fallenden Preises die Fördermenge auf dem bisherigen Stand zu lassen, sank der Ölpreis Anfang der Woche auf einen neuen Fünf-Jahres-Tiefstand. Russland verliert dadurch jährlich bis zu 100 Milliarden Dollar.

Zugleich hat der Rubel gegenüber der amerikanischen Währung aber massiv an Wert verloren, für einen Dollar müssen die Russen also heute erheblich mehr Rubel bezahlen. Mit Blick auf die Öleinnahmen, die weltweit in Dollar abgerechnet werden, bedeutet dies im Umkehrschluss aber: Für jeden Dollar, den die Russen im Ausland erzielen, bekommen sie daheim mehr Rubel. So ist der Ölpreis seit Jahresbeginn zwar um 40 Prozent gesunken, der Rubel verlor in diesem Zeitraum gegen den Dollar aber ebenfalls 55 Prozent an Wert. "Beides gleicht sich in der Binnensicht in etwa aus", sagt Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Bremer Landesbank. Das staatliche Haushaltsdefizit, das ja in Rubel berechnet wird, hält sich dadurch in engen Grenzen. Hellmeyer sagt auch, dass die "schwache Währung durch höhere Importpreise negativ auf die Wirtschaft" wirke.

Russische Verbraucher merken das unmittelbar durch höhere Preise bei Importgütern und Lebensmitteln. Rund 80 Prozent der Menschen beklagen, dass sich ihre wirtschaftliche Lage verschlechtert habe, so eine Meinungsumfrage.

Außerdem schrumpfen die Finanzvermögen. Die russische Börse notiert so niedrig wie seit 2009 nicht mehr - zum Höhepunkt der globalen Finanzkrise. Von Kreditinstituten hört man, dass Kunden immer häufiger ihre Rubel-Guthaben auf den Bankkonten in Euro oder Dollar tauschen würden. Russische Banken und Unternehmen haben wegen des niedrigen Wechselkurses zudem mehr Probleme, ihre Auslandsschulden zu bedienen.

Sanktionen könnten noch das gesamte Jahr 2015 in Kraft bleiben

Spürbar sind auch die Sanktionen des Westens gegen Russland, deren Schaden für die Wirtschaft 2014 auf 40 Milliarden Dollar geschätzt wird. Banken und Konzerne kommen nur noch sehr schlecht an Kapital. "Wir gehen jetzt davon aus, dass die Sanktionen das gesamte Jahr 2015 über in Kraft bleiben", sagte Vize-Wirtschaftsminister Alexei Wedjew. "Für uns bedeutet das geschlossene Kapitalmärkte für die Mehrheit der russischen Unternehmen und Banken." Bisher war Moskau davon ausgegangen, dass die wegen der Ukraine-Krise verhängten Strafmaßnahmen bis Mitte 2015 zurückgenommen würden.

Die russische Zentralbank hat den Wechselkurs des Rubels im November freigegeben. Der Währungskurs ist nun dem Spiel der Marktkräfte ausgesetzt. Die Notenbank möchte ihre Devisenreserven schonen, die auf über 400 Milliarden Dollar geschätzt werden. Wenn eine Währung im freien Fall ist, sind solche Polster schnell aufgebraucht. Die Zentralbank möchte künftig nur noch dann intervenieren, um "Panik in der Bevölkerung zu verhindern".

Nun rechnen die Finanzexperten im Wirtschaftsministerium verschiedene Szenarien durch: Wie entwickeln sich die Einnahmen, wenn der Barrel Rohöl im Durchschnitt nur noch 80 Dollar einbringt, was passiert, wenn der Preis auf 60 Dollar fällt? Aktuell liegt er bei 71 Dollar. In den Krisenjahren 2008 und 2009 kam Russland auch zu solch niedrigen Preisen über die Runden. Der Grund: Die Selbstkosten für die Ölförderung in Russland liegen zwischen vier und fünf Dollar je Barrel.

© SZ vom 03.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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