So also sieht Chuzpe aus, wenn man sie ausdruckt: Auf Seite 145 ("Anhang A") ist in den Gerichtsakten von Ladar Levison der Verschlüsselungsschlüssel abgedruckt, den die amerikanischen Bundesbehörden von ihm mit einiger Gewalt verlangten.
Ladar Levison ist der Mann, der die E-Mails von Edward Snowden verwaltete, dem amerikanischen Whistleblower, der von Moskau aus die Welt über die Abhörprogramme der Geheimdienste NSA, CIA und GCHQ informiert.
Nur unter Druck gab Levison den Behörden Anfang August nach und überreichte ihnen statt eines USB-Sticks oder einer Mail einen elf Seiten langen Ausdruck mit den 2560 Buchstaben des Schlüssels. Sie waren so schlecht lesbar wie irgendmöglich gesetzt, in Schriftgröße Vier und irgendeiner Schmuckschriftart. Die Beamten vom FBI reagierten wenig humorvoll und drohten Levison mit 5000 Dollar Strafe für jeden Tag, an dem er den Schlüssel nicht in elektronischer Form übermitteln würde.
All diese Details werden erst jetzt bekannt, weil es Levison verboten worden war, über die Attacken der Behörden zu berichten. Auch dafür hätte ihm Strafe gedroht. Jetzt mussten die Dokumente nach Anordnung eines Bundesrichters jedoch öffentlich gemacht werden, Snowdens Name ist in den offiziellen Schreiben jeweils geschwärzt.
Levison ist mit Snowden nicht besonders gut bekannt, aber er bot den E-Mail-Service Lavabit im Netz an, so wie GMX oder Hotmail, nur sehr viel sicherer, mit starkem Fokus auf Datenschutz und Vertraulichkeit der E-Mails seiner Kunden. Wochenlang war der Programmierer vom FBI und anderen amerikanischen Behörden, die Snowden jagen, unter Druck gesetzt worden. Alles begann im Mai damit, dass Levison vor seiner Tür eine Visitenkarte eines FBI-Agenten fand. Der nächste Schritt war dann, dass er den Sicherheitsschlüssel liefern sollte und das FBI wissen wollte, wann Snowden seine E-Mails abruft.
Levison war demzufolge sogar bereit, den Behörden, die ihm richterliche Anordnungen präsentierten, Zugriff auf Snowdens Mails zu geben - so, wie es das Gesetz vorsieht. Die Agenten aber wollten Zugriff auf sämtliche Daten, auf alle E-Mails aller seiner Kunden und auf seine Sicherheitstechnik. Diesen Verrat wollte Levison nicht begehen. Vom 6. August an hätte er deshalb Strafe zahlen müssen. Am 8. August griff er zum letzten Mittel und löschte alle Daten. Für ihn war dies das Ende seines E-Mail-Dienstes und seiner wirtschaftlichen Existenz.
Für seine Kunden, die ihm hinsichtlich Sicherheit und Datenschutz vertrauten, war es die letzte Rettung. Levison hinterließ eine kryptische Nachricht im Netz, eben weil er nichts zum Sachverhalt sagen durfte. Tausende Nutzer solidarisierten sich daraufhin mit ihm.