Banken:Geldhäuser auf Droge

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Es war richtig, dass Notenbanken und Regierungen entschlossen Hilfsprogramme wegen der Corona-Krise aufgelegt haben. Doch das Ganze hat seinen Preis.

Von Meike Schreiber

Es ist eine der wichtigsten Erfahrungen aus dem Corona-Jahr, und sie lässt sich zweifelsohne auf die Finanzmärkte übertragen: eine Krankheit früh zu bekämpfen ist meist besser, als abzuwarten. Es war daher richtig, dass die Notenbanken und Regierungen, allen voran in Deutschland, im Frühjahr entschlossen Hilfsprogramme aufgelegt haben: Die Banken sollten jene Unternehmen weiter mit Kredit versorgen, deren Geschäft wegen Corona plötzlich zum Erliegen gekommen war. Eine Kreditklemme oder noch schlimmer eine Vertrauenskrise, in der der Geld- und Warenverkehr zum Erliegen kommt, ließ sich damit abwenden. Die Corona-Krise scheint vorerst nicht in eine Finanzkrise zu münden.

Aber das Ganze hat seinen Preis: Die Geschäftsbanken sind damit erneut in die Abhängigkeit der Notenbanken und Staaten geraten. Die Europäische Zentralbank (EZB) schenkt den Banken über ihre Refinanzierungsmittel gewissermaßen Geld, sofern die Institute weiter fleißig Kredite vergeben. Leiht sich eine Bank zum Beispiel tausend Euro bei der Notenbank, muss sie abzüglich des Zinses von 0,5 Prozent nicht alles zurückzahlen. Der Staat wiederum garantiert Kredite an Mittelständler oder stützt vermeintlich systemrelevante Konzerne wie Tui oder die Lufthansa - auch deswegen, weil deren Pleite manche finanzierende Banken mitgerissen hätte. Die Belastung aus den Negativzinsen gleichen diese benevolenten Maßnahmen inzwischen mehr als aus.

Diese krisenbedingte Sondersituation darf aber nicht von Dauer sein. Freilich: Die enge Verbindung zwischen Staat und Banken, die vor Jahren dazu geführt hat, dass die Finanzkrise fast nahtlos in eine Schuldenkrise überging, lässt sich nie gänzlich auflösen. Banken mit Sitz in finanzstarken Ländern haben immer einen Vorteil. Dennoch aber sind die Gesetze des Marktes derzeit gefährlich außer Kraft gesetzt: Wurden windige Geldhäuser wie die Deutsche Bank zu normalen Zeiten wenigstens dadurch ein Stück weit abgestraft, dass sie am Kapitalmarkt etwas höhere Zinsen für eine riskante Strategie zahlen, fällt dieses Korrektiv dank der Notenbanken nun fast völlig weg.

Als Korrektiv bleibt in solchen Zeiten oft nur die Bankenaufsicht

Es hatte daher eine skurrile Note, dass ausgerechnet Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing unlängst die "breit angelegten staatlichen Subventionen" kritisierte: Diese würden auf Dauer falsche Anreize setzen. Man müsse ein "gewisses Maß an kreativer Zerstörung" zulassen, bemühte gerade er, dessen Bank auch von der impliziten Staatsgarantie profitiert, den Ökonomen Joseph Schumpeter. Dass man diese Diagnose auch auf sein seit Jahren verlustreiches Geldhaus anwenden könnte? Das kam ihm offenbar nicht in den Sinn.

Als Korrektiv bleibt in solchen Zeiten oft nur die Bankenaufsicht. Doch hier erweist es sich womöglich einmal mehr als Fehlkonstruktion, dass die europäische Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB angesiedelt ist. Andrea Enria, der oberste Bankenaufseher, mag sich redlich um die Aufsicht über die 115 größten europäischen Institute bemühen. Gestärkt durch die geldpolitischen Subventionen lassen ihn einige Geldhäuser aber offenbar abprallen. So hat die EZB gerade ihr Verbot, während der Krise Dividenden auszuschütten, gelockert. Das ist noch irgendwie nachvollziehbar, denn Banken sind auch nach der Krise wieder auf Aktionäre angewiesen. Aber Enria hatte sich eigentlich auch "extreme Zurückhaltung" gewünscht mit Blick auf Boni. Bei manchen Adressen aber scheint das zu verhallen: Die Deutsche Bank jedenfalls ließ durchsickern, dass sich ihre Anleihehändler wohl auf zehn Prozent mehr Bonus einstellen können. Dass das Institut gewisse Erfolge vor allem der Corona-Krise und dem Umstand verdankt, dass die Geschäfte im Vorjahr besonders schlecht liefen, fällt dabei genauso unter den Tisch wie Sewings Versprechen, die stabilen Geschäfte zu stärken und nicht das Investmentbanking.

Sollte das größte deutsche Geldhaus damit durchkommen, wirft dies auch die Frage auf, wie groß der nationale Einfluss in der europäischen Bankenaufsicht ist, die sich bekanntlich aus internationalen und nationalen Aufsehern zusammensetzt. Nach allem, was man hört, hat die Deutsche Bank dort mit Bundesbank und Bafin in vielen Fragen gewichtige Fürsprecher, ähnlich verhält es sich wohl bei den italienischen und spanischen Banken mit ihren Aufsehern. Man kann nur hoffen, dass dies mit Augenmaß geschieht: Dass sich politische oder nationale Interessen in der Aufsicht am Ende als schädlich für den Standort erweisen, hat der Fall Wirecard eindrücklich gezeigt.

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