Nord Stream 2:Streit um russische Gas-Pipeline

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Ein Arbeiter prüft Rohre, die für die neue Erdgasleitung vorgesehen sind. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Die EU-Kommission will bei Nord Stream 2 mitbestimmen. Deutschland hält davon nichts.

Von D. Brössler, A. Mühlauer, Brüssel

Die EU-Kommission will beim umstrittenen Pipeline-Projekt Nord Stream 2 mitreden und bisher in der Europäischen Union geltende Regeln zu diesem Zweck ändern. Ein integrierter Gasmarkt sei "ein Eckpfeiler des EU-Projekts, eine Energieunion zu schaffen", heißt es in einem Vorschlag, der an diesem Mittwoch von der Kommission beschlossen werden soll. Der Bau der insbesondere in Osteuropa kritisierten Gasröhre von Russland nach Deutschland fällt bislang nicht unter EU-Recht, da sie aus einem Drittstaat in die Europäische Union führt.

Die Kommission hält das für eine Lücke in den geltenden Bestimmungen. Ganz grundsätzlich will sie erreichen, dass Pipelines, die aus Drittstaaten in die EU führen, auch unter die Zuständigkeit der EU fallen. Schließlich hätten sie, argumentiert die Kommission, wegen der meist hohen durchgeleiteten Gasmengen Einfluss sowohl auf den europäischen Gasmarkt als auch auf die Versorgungssicherheit der Mitgliedstaaten. Der Änderung sollen sowohl das EU-Parlament als auch die Mitgliedstaaten im Eilverfahren zustimmen. Genügen würde nach Einschätzung der EU-Kommission eine qualifizierte Mehrheit.

Gegen eine Rolle der EU bei dem Projekt hat sich bisher Deutschland ausgesprochen. Der Streit wird allerdings bei der Regierungsbildung in Berlin eine Rolle spielen. Die Grünen haben angekündigt, Nord Stream 2 in den Jamaika-Verhandlungen zum Thema machen. Sie sehen das Vorhaben kritisch.

Die Leitung soll von Russland über die Ostsee nach Mecklenburg-Vorpommern verlegt werden und die EU mit Gas versorgen. Die Pipeline-Gesellschaft gehört dem russischen Konzern Gazprom; als Financiers sind mehrere westliche Energiekonzerne beteiligt, darunter Shell und Wintershall. Die Bundesregierung vertritt die Meinung, dass Nord Stream 2 ein privatwirtschaftliches Projekt ist und stützt sich auf ein Rechtsgutachten, das der EU-Kommission jegliche Verhandlungsrolle abspricht. Der Juristische Dienst des Europäischen Rats hatte deutlich gemacht, dass die EU nicht anstelle ihrer Mitgliedsländer über das Pipeline-Projekt verhandeln dürfe.

Aus Berliner Sicht greift im Fall von Nord Stream 2 nationales Recht wie schon bei Nord Stream 1. Durch diese erste Ostsee-Pipeline fließt seit 2011 Gas von Russland nach Deutschland. Die Bundesregierung sieht deshalb auch keinen gesetzlichen Bedarf für ein EU-Russland-Abkommen über Nord Stream 2. Auch diese Sicht wurde vom Juristischen Dienst des Europäischen Rates bekräftigt.

Die Bedenken der EU-Kommission gegenüber Nord Stream 2 sind hingegen erheblich. Die geplante Gas-Pipeline schade dem Aufbau einer europäischen Energieunion, die für mehr Solidarität sorgen soll. Besonders in Osteuropa gibt es großen Widerstand gegen Nord Stream 2. Länder wie Polen fürchten eine zu große Abhängigkeit von Russland und weniger Versorgungssicherheit. Aber auch Dänemark machte beim EU-Gipfel seine ablehnende Haltung deutlich. In Kopenhagen debattierte das Parlament jüngst über ein Gesetz, wonach Dänemark Bauvorhaben in seinen Hoheitsgewässern aus übergeordneten nationalen Interessen untersagen könnte.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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