Neues Schornsteinfeger-Gesetz:Revolution auf den Dächern

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Schornsteinfeger, krisensicherer Job mit garantiertem Einkommen - das ist bald passé. Die Branche verliert einige ihrer Privilegien - noch ist nicht abzusehen, wer davon profitiert.

Stefan Weber

Die kleine Lampe an der Decke hat nicht die Kraft, den Raum zu erhellen. Vor allem in den Ecken des schmalen Kellerraums, in dem die Heizungsanlage des schmucken Einfamilienhauses ihren Dienst tut, ist es duster. Tobias Willems zückt eine Taschenlampe und leuchtet auf das armdicke Rauchrohr, das vom orangefarbenen Heizungskessel in die Außenwand des Hauses ragt. "Durchgerostet. Das kann gefährlich werden", sagt Willems und zeigt auf zwei eurostückgroße Löcher. Solche Mängel zu entdecken, gehört zum Job des 29-Jährigen. Er ist Schornsteinfeger in Meerbusch, einem kleinen Ort im Regierungsbezirk Düsseldorf.

Der traditionelle Beruf steht vor einer Revolution: Schornsteigerfeger müssen sich demnächst dem Wettbewerb aussetzen. (Foto: Foto: AP)

Nur eine Handvoll Dreck

Zu kehren hat der schwarz gekleidete Mann an diesem Morgen wenig. Aus der kleinen Luke im Kamin kratzt er nur eine Handvoll Dreck. Dann nimmt er ein Messgerät in die Hand und überprüft die Abgaswerte der Anlage: "Alles in Ordnung", stellt er nach wenigen Minuten fest, reicht dem Hausherrn den kleinen Finger seiner rußgeschwärzten Hand und verabschiedet sich.

Der Eigenheimbesitzer wird ein paar Tage später Post erhalten: Willems' Chef, Bezirksschornsteinfegermeister Thomas Schulz, schickt eine Rechnung über etwa 57 Euro, verbunden mit dem Hinweis, das defekte Rauchrohr möglichst bald von einem Fachmann auswechseln zu lassen. Dann wird der Schornsteinfeger erneut vorbeikommen und prüfen, ob die Reparatur fachgerecht ausgeführt wurde - und wiederum eine Gebühr berechnen. Wenn sonst nichts passiert, steht Willems in etwa einem Jahr wieder vor der Tür, wenn die nächste vom Gesetzgeber vorgeschriebene Schornsteinreinigung oder Abgaswege-Überprüfung ansteht.

"Lizenz zum Gelddrucken"

Es sind Abläufe wieder dieser, die viele Hauseigentümer ärgern. Angesichts des allgemein hohen technischen Standards der heutigen Feuerungsanlagen sei eine Überwachung alle fünf Jahre vollkommen ausreichend, urteilt Haus & Grund, der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer. Zudem seien die Gebühren, die die Schornsteinfeger in Rechnung stellten, "kaum nachvollziehbar". Der Bund der Energieverbraucher spricht von "zu teuren und oft unsinnigen Messungen".

Noch deutlichere Worte finden andere Branchenkritiker: Die Privilegien der Schornsteinfeger glichen einer "Lizenz zum Gelddrucken", schimpft die Interessengemeinschaft Schornsteinfeger-ade. Und auf Internetseiten wie schornsteinfegerfrei.de lassen Bürger ihrem Ärger über ihrer Meinung nach "überteuerte und häufig überflüssige Arbeiten" freien Lauf.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Branche steht vor einer Revolution.

Tatsächlich leben die bundesweit etwa 20.000 Kaminkehrer in einem Biotop, eine Folge des 1935 von Nationalsozialisten eingeführten und bis heute bestehenden "Kehrmonopols". Das Gesetz über das Schornsteinfegerwesen teilt Deutschland in etwa 7800 Kehrbezirke. Die Ausgestaltung des Gesetzes ist Sache der Länder, die für jeden Abschnitt einen Bezirksschornsteinfeger einsetzen.

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Dieser überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die Feuerstellen genügend Luft bekommen und wie viel Abgase die Heizung verursacht. Das sei im Interesse der Betriebs- und Brandsicherheit von Feuerstätten unverzichtbar, urteilt der Branchenverband.

Gesicherter Arbeitsplatz

Auch diene die Arbeit der Damen und Herren in Schwarz dem Umweltschutz und der Energieeinsparung. Dem widersprechen auch die Kritiker nicht. Nur wünschen sie sich mehr Wettbewerb auf dem Dach und in den Heizungskellern. Sie würden sich gerne aussuchen, wer bei ihnen kehrt und misst - und wann er dies tut.

Nicht nur die exklusiven Kontrollbefugnisse der Schornsteinfeger sind Monopolgegnern ein Dorn im Auge. Sie stört auch die Unkündbarkeit der Branche: Nach Lehre, Gesellenzeit und Meisterausbildung bekommen Schornsteinfeger ihren Kehrbezirk nach zwölf bis 15 Jahren Wartezeit bis zum Rentenalter zugeteilt.

Thomas Schulz hat 16 Jahre warten müssen. Jetzt ist er 41, beschäftigt einen Gesellen und einen Lehrling. Das Auftragsgebiet ist so zugeschnitten, dass es ihm ein Einkommen in Höhe einer Beamtenbesoldung der Stufe A9 garantiert. Das entspricht je nach Wohnort rund 3000 Euro im Monat. Größere Überraschungen muss Schulz in den nächsten 25 Jahren seines Berufslebens nicht fürchten. Dachte er jedenfalls bis vor kurzem.

Doch seit der Bundestag auf Drängen der EU im Juni eine Änderung des Schornsteinfegergesetzes beschlossen hat, wird sich für den Berufsstand einiges ändern. Nach einer Übergangszeit von fünf Jahren dürfen Kunden ihren Kaminkehrer ab Januar 2013 frei wählen. Sie können sich dann für einen Anbieter aus der Nachbarschaft entscheiden oder gar einen Dienstleister aus dem Ausland beauftragen. Dass preiswerte Schornsteinfeger aus Osteuropa ihren deutschen Kollegen bald kräftig Konkurrenz machen, ist nicht zu erwarten, denn die Anforderungen an die Qualifikation der Dienstleister ist nach wie vor hoch.

Neue Freiheit bei der Wahl des Schornsteinfegers

Zudem dürften nicht übermäßig viele Haus- und Wohnungsbesitzer von der neuen Freiheit Gebrauch machen - da sind sich Fachleute einig. Schulz schätzt, dass ihm allenfalls jeder fünfte Kunde verlorengehen wird. Vor allem Haus- und Wohnungsbesitzer, die sich durch Beanstandungen ihres Schornsteinfegers gegängelt fühlten, könnten zu einem Fachmann wechseln, der ihnen vermeintlich eher wohlgesinnt sei. Im Interesse der Sicherheit der Anlagen sei das aber bedenklich, meint Schulz.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich Schornsteinfeger Schulz auf den neuen Wettbewerb einstellen möchte.

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So ganz wird er den Zugriff auf seine angestammte Klientel jedoch nicht verlieren. Denn wer auch immer in seinem Kehrbezirk in Zukunft Leistungen erbringt, er muss Schulz Bericht erstatten. Und die Kontrolle der Anlagen bleibt ohnehin sein Privileg: Auch künftig nimmt er sie alle dreieinhalb Jahre persönlich in Augenschein.

Eine als zukunftsträchtig geltende Nebentätigkeit

Schulz ist überzeugt, dass er künftig noch mehr am Schreibtisch sitzen wird, um die Arbeiten zu protokollieren, die seine Kollegen im Kehrbezirk durchführen. Zudem muss er prüfen, ob die Anwohner die vorgeschriebenen Kehrarbeiten und Kontrollen tatsächlich haben durchführen lassen.

Trotzdem: Weniger Kunden bedeuten weniger Einnahmen. Da wird sich der 41-Jährige umstellen müssen. Er will sich zum Energieberater schulen lassen - eine als zukunftsträchtig geltende Nebentätigkeit, die den Kaminkehrern schon bald ebenso erlaubt sein wird wie der Bau von Schornsteinen und das Warten von Heizungskesseln.

Dagegen wiederum läuft das Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerk bereits Sturm. "Der Einstieg in das Wartungsgeschäft gefährdet in unserem Handwerk 10.000 qualifizierte Arbeitsplätze", meint Michael von Bock und Polach, Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

Wenn künftig mehr Wettbewerb auf dem Dach und in den Heizungskellern herrscht, könnte dies die Preise in Bewegung bringen. So ist das zumindest in der Theorie. "Es wird aber eher teurer", meint der Bund der Energieverbraucher. Denn wenn der Kunde künftig einen nicht ortsansässigen Fachmann beauftrage, werde dieser - anders als der Schornsteinfeger heute - Kosten für An- und Abfahrt in Rechnung stellen.

Die Kosten sollen steigen

In den Niederlanden beispielsweise, wo es kein Kehrmonopol gibt, würden die Vertreter der schwarzen Zunft im Durchschnitt 120 Euro in Rechnung stellen, sagt Schornsteinfeger-Geselle Willems, der gleich an der Landesgrenze wohnt. Ihm ist ein wenig bange vor der Zukunft. Die Meisterprüfung will er wegen "fehlender Perspektive" nicht machen. Und wenn er seinen Beruf noch einmal wählen könnte, würde er sich heute anders entscheiden.

© SZ vom 4.9.2008/kim/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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