Neues Angebot abgelehnt:Streik bei der Bahn steht kurz bevor

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Ein Streik der Lokführer mitten in der Ferienzeit ist offenbar nicht mehr aufzuhalten. Sie lehnten das Bahnangebot rundweg ab.

Michael Bauchmüller und Klaus Ott

In einem Brief an Schell war Bahnchef Hartmut Mehdorn der Lokführer-Gewerkschaft zuvor noch einen Schritt entgegengekommen. Demnach sollten die Lokführer sich zwar einem gemeinsamen Tarifvertrag aller drei Bahn-Gewerkschaften unterordnen. Darin sollte es aber künftig eigene tarifvertragliche Regelungen für Lokführer geben, unter anderem über die Arbeitszeiten. Zuständig für diesen Teil des Tarifvertrags sollte allein die GDL sein.

Mit dieser Zusage gehe die Bahn auf die Kernforderung der GDL ein, zumindest in Teilbereichen eine eigenständige Tarifmacht zu besitzen, hieß es in dem Schreiben.

"Völlig indiskutabel"

Allerdings sollte die GDL sich aus den Belangen des übrigen Fahrpersonals heraushalten und ansonsten den Tarifvertrag übernehmen, den die Bahn mit den beiden Gewerkschaften Transnet und GDBA geschlossen hat. Auch die in der GDL organisierten Lokführer hätten damit eine Lohnerhöhung um 4,5 Prozent und 600 Euro Einmalzahlung akzeptiert.

Die Gewerkschaft wies dieses Angebot umgehend als "völlig indiskutabel" zurück. "Wir erwarten von der Bahn ein verhandlungsfähiges Angebot", sagte Schell. Die Bahn sei auf die Forderungen der Gewerkschaft "mit keinem Wort" eingegangen. Das Unternehmen habe nun bis Dienstag Zeit, ein besseres Angebot vorzulegen. Die GDL fordert einen eigenen Tarifvertrag für Lokführer und Zugbegleiter sowie Lohnerhöhungen von mindestens 31 Prozent.

Alle bisherigen Verhandlungen waren schon daran gescheitert, dass die Gewerkschaft nicht unter das Dach der Tarifgemeinschaft aus Transnet und GDBA zurückkehren wollte. Die Bahn ist nun in der Klemme. Den Lokführern kann sie schon deshalb nicht weiter entgegenkommen, weil dann die beiden anderen Gewerkschaften den eben erst vereinbarten Tarifvertrag kündigen können - sie befürchten andernfalls Nachteile gegenüber den Lokführern. Ein Bahnsprecher nannte das Verhalten der GDL-Spitze "verantwortungslos". "Dass Herr Schell darüber nicht einmal reden will, ist nicht akzeptabel."

Auch Versuche, die Lokführer mit juristischen Mitteln zu stoppen, sind bisher weitgehend gescheitert. Damit steuern Bahn und Lokführer auf einen bundesweiten Streik schon in der nächsten Woche zu. Es wäre der größte Arbeitskampf bei der Bahn seit dem Frühjahr 1992. Damals waren 3200 Personenzüge ausgefallen, zeitweise fuhren beim Fernverkehr nur die Hälfte der Intercitys. Am Montag will die Gewerkschaft das Ergebnis der Urabstimmung bekanntgeben, zu der sie vor zwei Wochen aufgerufen hatte. Der GDL-Chef rechnet mit 90 Prozent Zustimmung bei seinen Mitgliedern. Für einen Arbeitskampf sind 75 Prozent Ja-Stimmen erforderlich.

In NRW fahren die Züge

Allein im Nahverkehr Nordrhein-Westfalens darf die GDL aufgrund einer einstweiligen Verfügung nicht streiken. Andere Gerichte, die ebenfalls von der Bahn angerufen worden waren, hatten sich für unzuständig erklärt und die Entscheidung an das Arbeitsgericht Frankfurt verwiesen, dem Sitz der GDL. Damit dürfte es sich bei dem neuen Angebot an die Lokführer um den "Plan B" der Bahn gehandelt haben, nachdem Richter den Streik nicht verhindert hatten.

Die Bahn bereitet sich nun fieberhaft auf Streiks vor. Entsprechende Dienstpläne würden derzeit erarbeitet, hieß es in Unternehmenskreisen am Freitag. Sie sollen sicherstellen, dass zumindest ein Notverkehr aufrechterhalten bleibe. Züge, die normalerweise nur stündlich fahren, könnten auf diese Weise womöglich im Zwei-Stunden-Takt weiterhin verkehren.

Nicht alle Lokführer dürfen an dem Streik teilnehmen, weil nicht alle bei der GDL organisiert sind: Aus den Zeiten der Bundesbahn finden sich auch noch beamtete Lokführer, andere sind in der Konkurrenzgewerkschaft Transnet organisiert.

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