Neuer Opel-Betriebsrat:Ein diplomatischer Start

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Opel hat einen neuen Betriebsratschef: Wolfgang Schäfer-Klug beerbt Klaus Franz. Der Neue ist ein Akademiker mit weniger Stall- und noch weniger Fabrik-Geruch. Mit dem Mutterkonzern GM will er nicht auf Konfrontationskurs gehen - noch.

Thomas Fromm; Rüsselsheim

Der Neue tritt in große Fußstapfen, das war von Anfang an klar. Was kann man tun, wie auftreten, wenn der Vorgänger an der Rüsselsheimer Betriebsratsspitze Klaus Franz hieß und von Kollegen und Medien in den harten Zeiten der Krise als der geheime und eigentliche Opel-Chef wahrgenommen wurde?

Wolfgang Schäfer-Klug, am Freitag im Stammsitz des Unternehmens in Rüsselsheim. (Foto: dpa)

Wolfgang Schäfer-Klug sitzt im Sitzungssaal des Opel-Betriebsrats. Gerade wurde er offiziell zum neuen Betriebsratschef gewählt - und jetzt sagt er, dass er zwar Sozialwissenschaftler ist. Aber ein untypischer. Weil er jahrelang bei Uni-Projekten mit Maschinenbauern zusammen gearbeitet habe. Schäfer-Klug muss das sagen, denn Klaus Franz war von Haus aus Lackierer. Schäfer-Klug, 50 Jahre alt, ist promoviert. Weniger Stall-, und noch weniger Fabrik-Geruch. Er sagt auch, dass er jetzt Ruhe in die Belegschaft bringen will. "Wir wollen künftig nicht mehr jede Spekulation kommentieren."

Keine Spekulationen kommentieren - ein großes Ziel. Es gibt sie reichlich zur Zukunft von Opel, bald dürften es mehr werden. Bevor Franz seinen Schreibtisch in Rüsselsheim aufräumte, sagte er, dass er mit gutem Gewissen gehe: Die Sanierung erfolgreich, der Konzern gerettet. Doch so ganz sicher ist das nicht. Opel geht es, anders als den anderen deutschen Herstellern, trotz des großen Autoaufschwungs 2011 schlecht. Der Mutterkonzern General Motors (GM) soll daher angeblich einen Deal vorgeschlagen haben. GM könnte einen Teil der Produktion seiner Marke Chevrolet aus Korea nach Europa verlagern, um hier die Fabriken auszulasten, sollte der Absatz mit Opel-Autos in den nächsten Monaten massiv zurückgehen. Allerdings wäre dies nicht umsonst: Die IG Metall müsste dafür auf bereits zugesicherte Lohnerhöhungen verzichten. "Es gibt zur Zeit keine Gespräche über Lohnkürzungen", sagt Schäfer-Klug. Und auch nicht über eine Chevrolet-Produktion in Europa. Ausgeschlossen sei aber nichts.

2010 hatten sich Management und Arbeitnehmer darauf verständigt, eine Tariferhöhung für April 2011 auf Februar 2012 zu verschieben. 2012 aber wird für Opel ein zähes Jahr - und die Amerikaner sollen hart verhandeln. Der neue Betriebsratschef lässt sich nicht anmerken, dass er derzeit den wohl härtesten Arbeitnehmervertreter-Job der Republik hat. 2010, auf dem Höhepunkt der Opel-Krise, habe man mit GM zusammen einen bis 2014 geltenden Vertrag unterzeichnet. "Keine Werkschließungen, keine betriebsbedingten Kündigungen", sagt Schäfer-Klug. 265 Millionen Euro sollen die Beschäftigten in Europa bis 2014 jährlich für die Sanierung des Herstellers aufbringen. Das reiche. "Wir haben Interesse daran, keine roten Zahlen zu schreiben." Unternehmenspläne würden im Laufe des Monats vorgelegt. Dann werde man diskutieren. Schäfer-Klug ist Diplomat. Und er will nicht zu früh über Zugeständnisse reden.

Opel steckt in der Bredouille

Hinter den Kulissen soll es brodeln; der Druck der Amerikaner wächst. Im Vorfeld der Automesse von Detroit vergangene Woche hatte Opel seinen Chef Karl-Friedrich Stracke und den neuen Opel-Aufsichtsratschef Stephen Girsky von GM noch für Interviewtermine angeboten, später zog man das Angebot wieder zurück. Vielleicht war es Zufall. Schnell aber kursierten Gerüchte, die interne Lage im GM-Opel-Komplex sei zurzeit zu heikel, als dass man an die Öffentlichkeit gehen wolle. GM-Mann Girsky sagte schon im Dezember, der alte Sanierungsplan sei "offensichtlich nicht gut genug, schließlich verlieren wir weiter Geld". Und: Man müsse "einen neuen Plan entwickeln".

Dabei hatte Opel-Chef Stracke noch vor wenigen Monaten erklärt: 2011 eine schwarze Null, ab 2012 wieder Gewinne. Doch am Ende des Jahres 2011 standen unterm Strich wieder rote Zahlen, genau wie in den Jahren zuvor. Und selbst wenn GM Chevrolets an europäische Standorte wie Ellesmere Port, Gleiwitz oder Rüsselsheim bringen sollte - am Grundproblem der Deutschen ändert dies nichts.

Opel steckt in der Bredouille. Der Hersteller wird von der Konzernmutter als reine Europa-Marke definiert, außerhalb des Kontinents darf Opel nicht verkaufen, um den anderen GM-Konzerntöchtern wie Chevrolet keine Konkurrenz zu machen. Das Problem ist nur: Der europäische Markt stockt, das Geschäft wird woanders gemacht - in den USA, China, Schwellenländern wie Indien. Wettbewerber wie Volkswagen profitieren davon, nicht aber Opel.

"Entscheidend ist, dass wir mit den Kollegen jetzt darüber diskutieren, ob Opel in Auslandsmärkte rein kann", sagte Schäfer-Klug. "Da muss mehr und schneller was passieren." Gefordert hatte dies auch schon sein Vorgänger Franz. Die Amerikaner aber blieben stets hart. Irgendwann am Nachmittag steckt auch der scheidende Klaus Franz seinen Kopf durch die Tür ins Betriebsratszimmer. Jacke, Mütze - fertig angezogen zum Gehen. "Tschüss", sagt er und lacht. Und er sieht nicht so aus, als wäre er unglücklich, zu gehen.

© SZ vom 14.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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