Neue Steuerschätzung:Zusätzlich 87 Milliarden Euro für den Staat

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Bund, Länder und Gemeinden dürfen sich auf mehr Geld freuen: Die Steuerschätzer erwarten bis 2009 Zusatzeinnahmen von 70 Milliarden Euro, da die Mehrwertsteuer steigt und die Wirtschaft wächst - wenn auch schwächer als erwartet. Und auch die jüngsten Steuererhöhungen polstern die Staatskasse.

Ulrich Schäfer und Björn Finke

Die Steuerschätzer sagen allein für das laufende Jahr zusätzliche Einnahmen von 8,1 Milliarden Euro voraus. Nächstes Jahr werden die Finanzminister und Kämmerer 22,3 Milliarden Euro mehr kassieren, als die Mitglieder des Arbeitskreises Steuerschätzung noch im November vorigen Jahres vorausgesagt haben.

In den beiden folgenden Jahren sind es jeweils etwa 20 Milliarden Euro. Knapp zwei Drittel der Mehreinnahmen entfallen dabei auf den Bund und ein knappes Drittel auf die Länder; die Kommunen profitieren kaum.

Die Experten von Bund, Ländern und Forschungsinstituten berücksichtigten wie üblich nur das geltende Steuerrecht und zudem die vom Kabinett beschlossene Anhebung der Mehrwert- und Versicherungsteuer.

Die allerjüngsten Beschlüsse der Koalition sind in der Prognose noch nicht enthalten, etwa die Kappung der Pendlerpauschale und des Sparerfreibetrags sowie die Steuer auf Biosprit. Addiert man diese hinzu, wird der Fiskus in den nächsten Jahren nicht nur 70,2 Milliarden Euro mehr einnehmen, sondern 87,8 Milliarden Euro.

Das Bundesfinanzministerium betonte, die Mehreinnahmen würden dazu beitragen, "dass Deutschland ab dem Jahr 2007 wieder die Maastricht-Kriterien einhalten wird".

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte vor kurzem angedeutet, dass dies angesichts der guten Konjunktur mit ein bisschen Glück schon in diesem Jahr gelingen könnte und Deutschland erstmals seit 2001 wieder unter der Schuldengrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung bliebe.

So hatte die Bundesregierung vor drei Wochen ihre Wachstumsprognose für 2006 von 1,4 Prozent auf 1,6 Prozent angehoben, was sich nun zu einem kleineren Teil in der Steuerschätzung niederschlägt. Einige Volkswirte von Banken und Forschungsinstituten erwarten sogar bis zu zwei Prozent Wachstum.

Leichter Dämpfer

Allerdings erhielten die Konjunkturoptimisten am Donnerstag einen leichten Dämpfer: Das Statistische Bundesamt meldete für die ersten drei Monate des Jahres nur ein Wachstum von 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal - und damit ein bis zwei Zehntelpunkte weniger als die meisten Ökonomen vorausgesagt hatten. Im vergangenen Quartal war die Wirtschaft gar nicht gewachsen.

Die Enttäuschung bei der Wachstumsrate war einer der Gründe, weshalb Bundesfinanzminister Peer Steinbrück nicht versprechen wollte, dass Deutschland schon 2006 den Stabilitätspakt einhält.

Steinbrück hatte den größten Teil der nun prophezeiten Mehreinnahmen schon in seinem Finanzplan berücksichtigt.

Zu der umstrittenen Mehrwertsteuererhöhung erklärte Steinbrück, es gebe bei dieser Frage "keinerlei Spielraum". Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, sagte, die Koalition habe "nichts zu verteilen", da neue Risiken sichtbar würden.

So warnte er vor "ausufernden Kosten" der Hartz-IV-Reform; hier werde 2006 eine Lücke von vier Milliarden Euro klaffen. Nächstes Jahr würden zudem 1,5 Milliarden Euro in der Rentenkasse fehlen.

EU legt schneller zu

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurde das Wachstum im ersten Quartal vom privaten Verbrauch und Investitionen gestützt. Die Zunahme beim Konsum überrascht, da die Einzelhandelsumsätze im März stark gesunken sind.

Dass der Aufschwung verhaltener als erwartet ausfiel, liegt an dem Einbruch der Baukonjunktur wegen des schlechten Wetters. Die Firmen werden die Aufträge im laufenden Quartal abarbeiten und somit das aktuelle Wachstum beschleunigen.

Außerdem trug der Außenhandel fast nichts zum Wachstum bei. Der Export lief zwar weiterhin gut. Die Importe legten jedoch noch stärker zu. Daher wurde die positive Wirkung der Nachfrage aus dem Ausland für die Wirtschaft nahezu aufgehoben.

Dass die Einfuhren so schnell steigen, ist Folge der erhöhten Rohstoffpreise. Zusätzlich erhöhen sich in Aufschwungphasen meistens die Importe, da die Kaufkraft zunimmt.

Im Vergleich zum ersten Quartal 2005 kletterte die Wirtschaftsleistung um 2,9 Prozent, der größte Wert seit sechs Jahren. Allerdings gab es damals drei Arbeitstage weniger. Darum bereinigt steigerte sich das Bruttoinlandsprodukt um 1,4 Prozent.

Trotz des etwas enttäuschenden Wachstums zum Vorquartal halten die meisten Banken und Institute an ihren optimistischen Prognosen für das Gesamtjahr fest. Als Grund wird genannt, dass der Aufschwung nun auch vom Konsum getragen wird.

In der gesamten EU ist die Wirtschaft um 0,6 Prozent gewachsen. Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, deutete erneut an, dass die Bank die Leitzinsen wegen der anspringenden Konjunktur und Inflationsgefahren im Juni erhöhen könnte.

© SZ vom 12.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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