Nationale Sicherheit:Wo Käufer nicht willkommen sind

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Wer ist der US-Regierungsausschuss, der plötzlich bei Fusionen und Übernahmen mitbestimmen will - auch dann, wenn es gar nicht um amerikanische Unternehmen geht?

Von Claus Hulverscheidt und Meike Schreiber, New York/Frankfurt

In Basel, am Sitz des Schweizer Agrarkonzerns Syngenta, weiß man, was knapp 400 Kilometer nördlich in Herzogenrath dieser Tage los sein dürfte: Zwei Firmen, eine europäische und eine chinesische, wollen fusionieren, alle Beteiligten sind einverstanden - und dann meldet sich ein dubioser amerikanischer Regierungsausschuss und sagt: Stopp!

Bei Syngenta ging die Sache gut aus, denn jener Ausschuss - das Komitee für Auslandsinvestitionen in den Vereinigten Staaten, kurz CFIUS - zog sein Veto gegen den Kauf durch Chem-China am Ende zurück. In Herzogenrath, wo der Chipanlagenbauer Aixtron auf grünes Licht für ein Zusammengehen mit Grand Chip Investment aus Xiamen wartet, dürfte man weniger Glück haben: Das CFIUS hat Präsident Barack Obama bereits offiziell empfohlen, das Vorhaben abzulehnen. Begründung: Ein chinesischer Investor erhielte Zugriff auf Produkte, die in den USA eingesetzt werden und auch militärisch nutzbar sind.

Doch was ist das CFIUS eigentlich - und woher nimmt eine Schar Washingtoner Beamter das Recht, sich in die Übernahmegespräche zweier nicht amerikanischer Unternehmen einzumischen?

Der Ausschuss wurde 1975 geschaffen, um arabische Firmenkäufer abzuwehren

Geschaffen wurde der Ausschuss, dem Vertreter zahlreicher Ministerien und Behörden angehören, 1975 von Präsident Gerald Ford. Die Einrichtung war eine Reaktion auf die verstärkten Übernahmeaktivitäten arabischer Firmen in den USA und die Sorge, das Land könne in eine noch größere politische Abhängigkeit vom Ölkartell Opec geraten. Um das zu verhindern, sollte das CFIUS fortan Kaufangebote ausländischer Unternehmen für US-Firmen auf deren Folgen für die "nationale Sicherheit" untersuchen. Doch erst mit einer zweiten Übernahmewelle in den Achtzigerjahren - diesmal waren es vor allem japanische Konzerne, die Firmen der aufstrebenden US-Computerindustrie übernahmen - erhielt das Komitee die nötigen Befugnisse, um Fusionspläne tatsächlich intensiv prüfen und dem Präsidenten eine zwar nicht bindende, wohl aber richtungsweisende Empfehlung unterbreiten zu können.

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(Foto: Johannes Simon)

Klappt es oder klappt es nicht? Die Übernahme des Augsburger Roboterbauers Kuka durch den chinesischen Midea-Konzern ist abgeschlossen.

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(Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Doch einige Unternehmen müssen noch zittern, auch weil der amerikanische CFIUS-Ausschuss ein Wörtchen mitzureden hat. Zum Beispiel Aixtron,...

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(Foto: Bayer Health Care AG/dpa)

...der Bayer-Konzern...

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(Foto: Ralph Orlowski/Bloomberg)

...und Osram.

Der größte Einschnitt aber kam 2006, als sich der dubaiische Staatskonzern DP World anschickte, den Betrieb mehrerer großer US-Häfen zu übernehmen. Viele Abgeordnete, die noch unter dem Eindruck der Katastrophe vom 11. September 2001 standen, fürchteten, dass die Gefahr von Terroranschlägen steigen könnte, wenn die wichtigsten Häfen des Landes in der Hand eines ausländischen Staatskonzerns wären. Das Ergebnis war, dass DP World die Kaufpläne schließlich aufgab und der Kongress das CFIUS verpflichtete, Übernahmen stets zu prüfen, wenn ausländische Staatsfirmen beteiligt sind. Auch wurde die Beweislast umgekehrt: Während zuvor das CFIUS nachweisen musste, dass der Erwerb eines US-Unternehmens durch einen ausländischen Wettbewerber die nationale Sicherheit bedroht, muss heute der potenzielle Käufer belegen, dass er eben keine solche Gefahr darstellt.

Als potenziell gefährlich gelten heute nicht nur Übernahmen im Rüstungssektor - also solche, die die USA im Krisenfall daran hindern könnten, bestimmte Waffen oder andere strategisch wichtige Güter herzustellen. Ablehnungsgründe können vielmehr auch der drohende Verlust von Jobs, Schlüsseltechnologien und Patenten, potenzielle Wettbewerbsverzerrungen sowie mögliche Auswirkungen auf die Energieversorgung oder, wie im Fall Syngenta, die Lebensmittelsicherheit sein.

Der gerade in Deutschland entstandene Eindruck, die USA würden ständig restriktiver und mischten sich in immer mehr Fusionsfälle ein, ist allerdings dennoch nicht haltbar. Zwar ist die Zahl der Prüfungen durch das CFIUS zuletzt tendenziell gestiegen. Die Zahl von insgesamt 627 Fällen zwischen 2009 und 2014 zeigt aber, dass nur ein Bruchteil aller Übernahmepläne überhaupt formell untersucht wird. Kommt es zu einer solch formellen 30-tägigen Prüfung, werden im Durchschnitt gut 60 Prozent aller Vorhaben durchgewunken. Die übrigen 40 Prozent werden noch eingehender untersucht, das Komitee hat dafür bis zu 45 Tage Zeit. Von den 627 angemeldeten Fusionen der Jahre 2009 bis 2014 wurden am Ende nur 48 abgelehnt - keine acht Prozent. Nur in einem Fall entschied der Präsident, die übrigen 47 Firmen gaben ihre Pläne aus Angst vor einer negativen Empfehlung des CFIUS und einem damit verbundenen Imageverlust in den USA auf.

Vor allem Chinesen kaufen mittlerweile lieber in Europa als in den USA ein

Trotz der geringen Ablehnungsquote hat das Wirken des Ausschusses Folgen, wie Philipp Beck, Fusionsexperte bei der Schweizer Großbank UBS beobachtet hat. "CFIUS ist für Investoren schwierig einzuschätzen", sagt er. Vor allem chinesische Unternehmen kauften deshalb ganz offensichtlich mittlerweile lieber in Europa ein als in den USA. Zwar gibt es auch in vielen EU-Staaten eine Sicherheitskontrolle - die deutsche etwa ist im seit 1961 geltenden Außenwirtschaftsgesetz geregelt. "Seitdem gab es aber erst vier Fälle mit einem formalen Prüfungsverfahren: Drei davon wurden genehmigt, der vierte ist jetzt Aixtron", sagt Jörg Asmussen, Geschäftsführender Direktor beim Vermögensverwalter und Fusionsberatungsunternehmen Lazard.

Manchmal kommen den Betroffenen Ausschüsse wie das CFIUS oder Regeln wie die des Außenwirtschaftsgesetzes sogar zupass. So versucht etwa der Betriebsrat des Autozuliefererers Osram derzeit, die Übernahme des Unternehmens durch einen chinesischen Käufer zu verhindern. Der Köder für das CFIUS: Osram betreibe wichtige militärische Forschung - in den USA.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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