Nahaufnahme:Zeit des Aufbruchs

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George Handjinicolaou: „Der Schmerz Griechenlands steckt in den Bilanzen der Banken. Und die Schmerztherapie dauert noch an.“ (Foto: oh)

George Handjinicolaou verbreitet griechischen Optimismus. Das ist in seinem Job nicht immer ganz einfach. Er ist Aufsichtsratschef der Piräus Bank und Präsident des Bankenverbandes. Viele Institute stecken in der Krise.

Von Jan Willmroth

Die leichte Erschöpfung sieht ihm niemand an, als George Handjinicolaou am Nachmittag die Lobby des Frankfurter Hotels betritt. Sie steckt nur in seinen Worten. Seit der Mittagszeit hat er ununterbrochen geredet, im Glasturm der Europäischen Zentralbank (EZB) drüben im Osten der Stadt, wo auch die EZB-Bankenaufsicht sitzt. Dort ist Handjinicolaou Dauergast, als Aufsichtsratschef der Piräus Bank, der größten Bank Griechenlands, und seit Anfang April auch als Präsident des griechischen Bankenverbands. Zweieinhalb Jahre nach seiner Rückkehr in die Heimat ist der 66-Jährige damit zum Sprecher einer Branche geworden, die wie keine andere die griechische Misere in Zahlen abbildet.

"Der Schmerz Griechenlands steckt in den Bilanzen der Banken", sagt Handjinicolaou, "und die Schmerztherapie braucht Zeit." Zum ersten Mal seit den Jahren der Krise im Jahr 2010 gebe es aber allen Grund, vorsichtig optimistisch zu sein. Seit 2017 wächst die Wirtschaft wieder; in diesem Jahr erwartet die EU-Kommission in ihrer am Dienstag veröffentlichten Prognose ein Wachstum von 2,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Exporte ziehen an. Griechenland kann sich wieder aus eigener Kraft an den Kapitalmärkten refinanzieren. Die vier verbleibenden systemrelevanten Banken räumen behutsam ihre Bilanzen auf. Wenn keine größeren Unfälle mehr passieren, wird der Bankensektor die Krise mittelfristig hinter sich lassen.

George Handjinicolaou gehört zu jenen Menschen, die für diesen Weg verantwortlich zeichnen. Er müsste sich das nicht antun, könnte die vielen schwierigen Verhandlungen mit Aufsichtsbehörden, Investoren und Management sein lassen. Er hätte es vermeiden können, der Piräus Bank erstmals einen unabhängigen Aufsichtsrat zu verschaffen, nach einer Zeit, in der Corporate Governance in Griechenland niemand ernst genommen hatte und Günstlingswirtschaft Alltag war. 1976 hatte Handjinicolaou das Land verlassen, machte Karriere bei der Weltbank, ging zu internationalen Investmentbanken wie UBS und Merrill Lynch, gründete eine eigene Investmentfirma in New York. Nach zwei Jahren in Athen zog es ihn wieder zurück nach London, im Jahr 2011, als der Höhepunkt der Griechenland-Krise kurz bevorstand.

Jetzt hat er vor zu bleiben, seinem Land etwas zurückzugeben. Das verlangt ihm auch Härte ab: Die Banken des Landes sind auf Schrumpfkurs und senken radikal ihre Kosten. Sie bauen Personal ab, schließen Filialen, sie zwingen säumige Schuldner dazu, ihre Kredite zurückzuzahlen. Sie verbriefen ausgefallene Forderungen und verkaufen sie weiter, oder sie gründen Bad Banks, um die Forderungen abzuwickeln.

Die Menge an notleidenden Krediten verrät, wie viel Krise noch in der griechischen Wirtschaft steckt. Sie ist fast ausschließlich Folge der Rezession, aber auch ein Symptom der miserablen Zahlungsmoral griechischer Schuldner. Der Bestand an Ausfallkrediten ist auf gut 80 Milliarden Euro gesunken, mehr als 40 Prozent aller Darlehen. Bis Ende 2021, so ist der Stand der Verhandlungen mit der Bankenaufsicht, soll die Quote auf unter 20 Prozent sinken - noch immer das Sechsfache des derzeitigen Durchschnitts der Eurozone. Die Ratingagentur Moody's geht in einer aktuellen Analyse davon aus, dass die Banken mit dem Abbau fauler Kredite schneller vorankommen, wobei das sehr von der wirtschaftlichen Entwicklung abhänge. Ob Griechenlands Wirtschaft dauerhaft wachsen kann, bleibt unsicher, es gibt nach wie vor viel zu wenige Investitionen.

Handjinicolaou bleibt trotzdem Berufsoptimist, so bezeichnet er sich gern, und in seinem Job ist das sicher nicht verkehrt. Aber er will auch keine falschen Erwartungen wecken. Es geht schließlich immer noch um Griechenland.

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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