Nahaufnahme:Wütende Zarin

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"Wir sind Unternehmer und wir haben nicht die Absicht, auch nur den kleinsten Schritt zurückzuweichen." Marina Berlusconi (Foto: dpa)

Marina Berlusconi verteidigt die Familieninteressen. Zum Beispiel gegen den Firmenjäger Vincent Bolloré.

Von ULRIKE SAUER

Für Marina Berlusconi ist die Sache schon seit dem Sommer klar. Sie will sich den unberechenbaren französischen Firmenjäger Vincent Bolloré, einen alten Verbündeten ihres Vaters, um jeden Preis vom Leib halten. Als Bolloré im Juli Anspruch auf eine Beteiligung an dem Fernsehkonzern ihrer Familie erhob, stellte sich die zierliche Mailänderin den Avancen resolut in den Weg. Dem Vivendi-Patron beschied sie stolz: "Wir sind Unternehmer, und wir haben nicht die Absicht, auch nur den kleinsten Schritt zurückzuweichen." Die Zarin, so der Spitzname der erstgeborenen Tochter von Silvio Berlusconi, zeigte Temperament. Wutschnaubend klagte sie die "kranke Finanz" an: "Der kannibalische Kapitalismus gedeiht auf der Zerstörung des Reichtums anderer", schrieb die Chefin der Familienholding Fininvest.

Bolloré antwortete vor einer Woche. Auf seine Art. Er ordnete am Montag den Angriff auf die Sendergruppe Mediaset an. Sein Ziel sei der Erwerb von "zunächst" 20 Prozent der Aktien. Drei Tage später hatte er es erreicht. Welch ein Affront. Die vor 40 Jahren von Berlusconi gegründete Senderkette, wegen ihrer Vormachtstellung in Italien oft angefeindet, eine leichte Beute? In Italien war man baff. Über Fininvest kontrolliert die Familie knapp 40 Prozent der Stimmrechte bei Mediaset.

Marina, die Älteste von fünf Geschwistern und engste Vertraute des Patriarchen, war wie immer zur Stelle, wenn die Interessen der Familie zu verteidigen sind. Nie ist sie einen Millimeter abgerückt von ihrem Vater, nicht einmal in den turbulenten Zeiten der Bunga-Bunga-Partys und der vielen Strafprozesse. Im Sommer besuchte sie ihren 80-jährigen Vater nach der Herzoperation jeden Tag im Krankenhaus. Jetzt, so wird aus Berlusconis Villa San Martino in Arcore kolportiert, soll sie sich am meisten über die Unverfrorenheit Bollorés empören. Ihren Abscheu vor dem Franzosen hatte sie schon im Juli zum Ausdruck gebracht: "Kannibalische Kapitalisten nähren sich wie Metastasen von dem gesunden Teil des Körpers."

Sie, die hochgeborene Tochter, war schnell aufgestiegen im väterlichen Imperium. 2005 kam sie ganz oben an. Mit 39 nahm Marina Berlusconi auf dem Präsidentensessel der Fininvest-Holding Platz. Wer die kleine Frau für eine Platzhalterin hielt, irrte. In schneidigem Ton kommandiert sie die Konzerntruppen auf Zwölf-Zentimeter-Absätzen. Von der alten Affinität zwischen dem Cavaliere und Bolloré fehlt jede Spur. Als Aktionäre der Mailänder Geschäftsbank Mediobanca machten die beiden einst gemeinsame Sache. Zwischen der zweiten Berlusconi-Generation und dem Bretonen läuft gar nichts mehr, seit Vivendi im Juli die vereinbarte Übernahme des Bezahlfernsehsenders Premium platzen ließ. Die Mediaset-Aktie stürzte ab. Die Berlusconis verklagten Vivendi auf Schadensersatz.

Für Forbes ist Marina Berlusconi, 50, die mächtigste Frau Italiens, in seiner internationalen Rangliste setzt das US-Magazin sie auf Platz 30. Nur ist die Schwachstelle in ihrem Familien-Imperium unschwer zu erahnen. Wie so viele Dynastien befinden sich auch die Berlusconis in einem labilen Gleichgewicht. Unter den Halbgeschwistern nisteten sich Neid, Misstrauen und Rivalitäten ein. Ihre Interessen driften auseinander. Und der heikle Tag, an dem der Stab an sie übergehen wird, rückt näher.

Bolloré ist es mit seiner Blitzaktion allerdings nicht gelungen, eine Bresche in die Familie zu schlagen. Gut möglich, dass er es nur darauf angelegt hat, den alten Cavaliere wieder an den Verhandlungstisch zu zwingen. "Aggressivität ist unsere Art, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen", sagte Vivendi-Chef Arnaud De Puyfontaine der Zeitung Corriere della Sera ganz offen.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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